Den westlichen Teil der Gleirsch-Halltalkette, wie wir sie nennen – die zweite Karwendelkette – haben wir mit der Sonntagskarspitze nun erstmals in Angriff genommen.
Die Sonntagskarspitze ist der für uns, aus dem Halltal kommenden Besucher, am leichtesten erreichbare Gipfel des westlichen Teiles der Kette. Gewöhnlich steigen wir über den Hirschbadsteig zur Halltaler Pfeis auf und wenden uns im Tiefsten der im Juni üppig blühenden flachen Wiesenböden der Pfeis gen links auf ein kleines Steiglein am Latschenrand und steigen zum Anstiegsweg zum Stempeljoch auf (siehe Karte). Diese Variante zur Salinenstraße über die Herrenhäuser ist wesentlich schneller und Wasser gibt es zu dieser Jahreszeit zumeist auch aus einem zwei Zoll messenden Rohr am Pfeisboden.
Nach dem Stempeljoch geht es nun leider wieder bergab und zwar 300Hm zur Pfeishütte, wo man sich nochmals stärke und den Wasservorrat bei einer Trinkwasserstelle am Zubau zur Hütte auffülle, bevor man weitere nicht ganz 50Hm absteige und somit am tiefsten Punkt des Anstieges zur Sonnagskarspitze ankommt.
Der Steig ist einfach zu finden, er zweigt von der Straße zur Hütte nach 5 Gehminuten rechts (fast nördlich) ab und er ist von der Hütte aus gut zu sehen. Der gesamte Aufstieg zur Sonntagskarspitze ist gut markiert und sogar noch am beginnenden Karboden gibt es einen Wegweiser und zwar die Verzeigung zwischen der Sonntagskarspitze links (westlich) und der Hinteren Bachofenspitze rechts (nordöstlich).
Weiter geht es dann steil die felsdurchsetzten Wiesen hinauf bis sich die Rippe, die man besteigt, deutlich ausprägt und man eine tiefe Schlucht rechts des Steigverlaufes erblicken kann. Dieser Teil des Anstieges ist recht anstrengend, da er sehr steil ist, aber dafür geht es nun in leichter Kletterei (ohne jede Schwierigkeit) auf teilweise brüchigem Terrain weiter bis zu einem Vorkopf des Grates. Dieser Teilanstieg beginnt mit einem schön geformten kleinen Klemmblock an der beginnenden Schlucht und dauert schätzungsweise 15min, wobei das Gelände an Steilheit und Kühnheit des Grates nachläßt. ansteigt.
Den Vorkopf erwartet man als Kletterei und ist sehr überrascht, sobald man den Steigverlauf entdeckt, der sich nun nach links (westlich) richtet und den Vorkopf somit elegant auf breitem Band umgeht.
Hinter dem Vorkopf, nach einigen wenigen Minuten kaum steigendem Steig, umgeht man einen breiten Felsen und erblickt zum ersten Mal während des Aufstieges die Sonntagskarspitze. Sie ist weiter entfernt als man geglaubt hätte.
Nun steigt man – in flacherem Gelände als die Felsköpfe zuvor – wieder zum Grat auf und steigt dazu einige Dutzend Meter rechts ab über Schutt- und Erdgelände empor.
Der Weitere Verlauf des Geländes ähnelt einem Tafelberg, jedoch mit dem Unterschied, daß die Tafel recht ordentlich geneigt ist. Man nimmt nun noch einige kleine und einen größeren Anstieg auf Erhebungen am Grat und kommt nach dieser größeren Erhebung auf den letzten Teil des Steiges.
Von dort ist der Anstieg auf einer lange glatte Platte die am oberen Rand, wiesendurchsetzt und vollkommen einsehbar, den seltsam schönen Steig trägt, der den Besteiger in ungefähr 20min zum Gipfel zu erledigen.
Der Ausblick von der Sonntagskarspitze ist gewaltig, liegt sie doch irgendwie in der Mitte der Kette, nach Norden und Süden sehr freigestellt und unverdeckt. Bis zum Solsteinhaus im Südwesten in 11km Luftlinienentfernung reicht der Blick.
Im Norden stehen die Giganten der Birkkar- und Kaltwasserkarspitze, im Westen die Linie der Kette mit der kühnen Kaskarspitze, gefolgt von den Praxmarerkarspitzen und im Osten unser Tagesziel, die Hintere Bachofenspitze mit südlichem Ausläufer, der den Roßkopf und die Stempelspitzen trägt.
Noch ein Blick zur Hinteren Bachofenspitze bevor wir den Grat angehen, der sogleich mit dem üblichen Abstieg zur tiefsten Einschartung zwischen beiden Gipfeln beginnt. Nach einer Aushöhlung am Kopf nach dem Gipfelaufbau von der Sonntagskarspitze (geeigneter Wetterschutz), geht es ohne nennenswerte Schwierigkeiten, vorbei an mächtigen Abstürzen im Norden zum Lafatscher Hochleger am breiten Grat ins Grattiefste hinab.
Dort angekommen, kann man die vor sich liegenden Aufschwünge schon näher erkennen und ahnt schon, daß man es mit manch anregender Geländeform zu tun haben wird.
Steinmandln weisen die erste Strecke häufig hilfreich und auch logisch errichtet den Weg, sie werden später weniger.
Wie so häufig im Karwendel umgeht man mächtige Geländestufen meist südlich des direkten Gratverlaufes, so auch diese erste, schon von der Pfeis aus markante, hohe Stufe, die man bequem umgehen kann.
Weiter geht es direkt am Grat, wobei kleinere Köpfe direkt genommen werden und der Grat etwas zahmer wird. Die Brüchigkeit hält sich teilweise angenehm in Grenzen, ist aber lokal, dort wo man sie nicht gut braucht, doch recht groß. Hier Rückblick nach 20min Gehzeit ab der Sonntagskarspitze, in etwa in der Hälfte der Überschreitung.
Mit zunehmender Annäherung an die Hintere Bachofenspitze wird der Grat steiler und die abwärtsgerichteten Schneiden enden. Es folgen nur noch Aufstiege mit wachsender Steilheit, um den absoluten Höhenunterschied der beiden Gipfel von knapp 100Hm zu überwinden.
Diesen kühnen Kopf möchte man zuerst nicht gerne angehen und sucht südlich davon auf breitem, steil abwärtsgeneigtem Schuttband eine Umgehungsmöglichkeit, die sich aber nicht bietet. Also zurück und prüfend die Route musternd in Gratnähe. Es erschließt sich einem dann aber doch eine Route in der Verschneidung die sich als recht gut gangbar erweist und die nicht so schwierig ist, daß man sie ohne Sicherung nicht begehen möchte.
Weiter nun auf brüchiger, kleinstückiger, charakteristischer oranger Geologie bis zur Schlüsselstelle knapp unterhalb der Hinteren Bachofenspitze.
Bei dieser Stelle waren wir froh, daß wir sie im Aufstieg nehmen durften, im Abstieg ist sie uneinsehbar. Ebenfalls verlangt sie einem Respekt ab, sie ist ausgesetzt, über 4-5m senkrecht und nicht von bestem Fels gekennzeichnet (jedoch nicht übermäßig brüchig).
Man nimmt sie direkt an der Gratkante und steht unter höchster Konzentration, die richtigen Haltepunkte auszuwählen. Man kann die klettertechnische Schwierigkeit dieser Stelle im Aufstieg mit III bezeichnen.
Im Abstieg empfehlen wir unbedingt deren südliche Umgehung über Schuttbänder, was die Kollegen, die wir am Gipfel getroffen haben und die die Überschreitung in umgekehrter Richtung unternahmen auch getan haben (immerhin bekannte Extremkletterer).
Manuel im Nachstieg ist im senkrechten Teil kaum sichtbar. Man sieht das Geröll im Vordergrund.
Der Rest zum Gipfel besteht aus ca. 25Hm auf viel Schutt, die südlich über eine letzte leichte Verschneidung erklommen werden.
Der Rückblick nach vollbrachter Meisterung des Unbekannten.
Das Sonntagskar führt noch jede Menge Schnee für ein nach Süden gerichtetes Gelände und der Aufstieg aus diesem zum Verbindungssattel H. Bachofen/Roßkopf ist noch mit einigermaßen Schneefeldern bedeckt.
Man verläßt die Hintere Bachofenspitze über ein paar Rippen, die, Widerhaken gleich, in die Gegenrichtung überklettert werden (alles ohne Schwierigkeiten) und erreicht die tiefe Einschartung zwischen den beiden Bachofenspitzen mit den vom Halltal aus schon weithin sichtbaren markanten vier Steinköpfen.
Sodann geht es die sehr steile und brüchige Aufstiegsrinne hinab wobei diesmal noch einige Schneefelder die Abstiegsmühen erleichtern. sie werden kurzerhand auf den Bergschuhen abgefigelt und der firn erweist sich von typisch griffiger Konsistenz. Ein Vergnügen!
Weiter unten im hinteren Bachofenkar und bis dorthin, wo der Bach „offen“ ist begleiten uns noch weitere Firnfelder, die wir weidlich ausnützen, um dem unangenehmen Blockwerk zu entgehen.
Gemsen in einer Herdenstärke von 50 Tieren (mit Jungtieren) kommen vorwiegend im abgeschiedenen Bachofenkar vor und bescheren uns noch einen tollen Anblick.
Ein Tipp: die Abkürzung ins Halltal ist der Wilde Bande Steig in Richtung Stempeljoch und nach 10min vom Steig weglos links abwärts bis zur Stempelreise, wobei dort ein kleiner, sichtbarer Steig abzweigt über den man auf den Hauptsteig zum Stempeljoch trifft.
Diese Variante spart ordentlich Höhenmeter anstelle der Variante zum Lafatscher Joch.
Die abschließenden Harfenklänge bei Karl vor seinem Knappenhäusl machen aus der Tour einen unvergesslichen Tag. Berg Heil!
Mils, 22.06.2014