Als nicht sehr hoch frequentiert erweist sich der formschöne Schrammacher, wenn man in sein mitgenommenes Gipfelbuch blickt. Vom Pfitscher Joch aus läßt er sich über das mit seinen reichen Formen interessant zu begehende Stampflkees und einem einigermaßen anregenden Felsgrat oberhalb der Oberschrammachscharte als Normalanstieg bezwingen.
Im Tuxer Hauptkamm bildet der Schrammacher den zweithöchsten Gipfel und ist vom höchsten, dem Olperer, durch die Alpeiner Scharte und den nachfolgenden Fußstein getrennt. Seine Nordwände stürzen etwa 1.000 Hm in den nur mehr als Toteisgletscher vorhandenen Alpeiner Ferner hinab und bilden eine mächtige ausgerundete Mauer mit berühmten, schwierigsten Kletterrouten in Fels und Eis.
Der Schrammacher besteht vollständig aus Granitgneis und zwar aus Zweiglimmergranitgneis (Muskovit und Biotit) und im unteren Teil, vom Pfitscher Joch bis halb in den großflächigen Anstieg zum Stampflkees aus hellem Leukogranitgneis. Derartiger Gesteinstypus verspricht feste massive Felsoberflächen und grobblockige Grate mit fest verkeilten Blöcken. Dennoch setzt der Rückgang des Permafrostes der Gestaltfestigkeit der Grate zu, wie sich herausstellen wird.
Ausgangspunkt der schönen Bergfahrt bildet die sog. Kehre vier am Schotterweg zum Pfitscher Joch, vor der ein geräumiger Parkplatz auch noch kurz nach sechs Uhr genügend Kapazität bietet, während am etwas tiefer gelegenen Parkplatz zum Hochfeiler bereits kaum mehr freie Lücken zu finden sind.
Die Anfahrt von Innsbruck nahm gut 75 min in Anspruch, mit so zügig wie möglicher Fahrt auf der Autobahn und so gut wie kein Verkehr auf der Bundesstraße im Pfitschertal. Im letzten Ort teilt sich die Straße, hier blieben wir auf dem rechten Ast und behielten recht.
Um Viertel nach sechs konnten wir auf dem nahezu leeren Parkplatz abmarschieren. Der nette Aufstieg über die Almflächen erfolgt auf gutem Steig, der bereits zu Beginn allerlei Blickfänge bietet und sich mit ansprechendem Bewuchs ausgestattet in Richtung Pfitscher Joch schlängelt.
Über West-Ost gerichtete Rippen führt der Steig in Richtung Pfitscher Joch Haus, welches beim Anstieg nicht unser Ziel darstellte. Vielmehr kürzten wir den Umweg zum Joch kurzerhand querfeldein ab, vorbei an der Lacke, hinauf zum großen der beiden schönen Seen, am großen vorbei und direkt auf den sich ausbildenden Rücken zum Steig, der entlang der Landesgrenze zwischen dem nördlichen und dem südlichen Landesteil Tirols auf die Schneescharte führt.
Im Aufstieg blieb uns ein schöner Blick auf die Seen leider versagt, denn wir hatten wieder einmal einen der zahlreichen Samstage des Sommers `23 erwischt, an dem sich während der Arbeitswoche bestes wolkenloses Wetter bot und gegen das Wochenende hin zwar keine ausgeprägte Kaltfront Regen bringen sollte, jedoch bereits ein leichter Störungsdurchzug bereits mit aufziehenden Nebelschwaden am Morgen die Anfertigung von, für einen Besteigungsbericht wünschenswert ansprechenden Bildern, erfolgreich verhinderte.
Passieren solche Erlebnisse häufig hintereinander kommt man im Aufstieg, an dem stets üppig Zeit zum Denken besteht, nicht umhin sich zu fragen was man denn angestellt hat, um damit erneut bestraft zu werden. Meist entschädigt im Verlauf dann die Tour selbst ein wenig die Enttäuschung, alles andere wäre Jammern auf hohem Niveau.
Am Steig zur Schneescharte kann man gut die enorme Breite des ehemaligen Stampflkees` erkennen. An der schmalsten Stelle zwischen der Rippe der Grawand im Westen und dem Kellerkopf auf dem unteren Schrammachgrat besteht eine lichte Breite von 1.280 m, die sich nach, zum ehemaligen Gletscherbruch an der Kante zum heutigen Kees oben trichterförmig öffnet.
Mittig tost in beeindruckender Weise der breite Zamserbach, die Gletscherentwässerung des Stampflkees zu Tale und stellt somit das äußerst westliche Einzugsgebiet des Schlegeisspeichers dar.
Mit Abstand das beeindruckendste Detail dieser gewaltigen Ansicht vom Pfitscher Joch bilden die geometrisch nahezu perfekt ausgebildeten Seitenmoränen, die sich, im Aufstieg bestens zu sehen, bzw. zu begehen, ebenfalls trichterförmig nach oben öffnen und etwa 150 Hm unterhalb der Kante zum ehemaligen Gletscherbruch hin mit der weitesten Öffnung enden. Ein rechtwinkeliger Schnitt durch die orographisch rechte Seitenmoräne – auf deren Seite aufgestiegen wird – beweist talflankenseitig die ungeheure Scheitelhöhe von 60m!
Im obersten Abschnitt des Aufstiegs über phantastisch geschliffenen Fels, eigentlich bereits nach der Kante im flacheren Teil trafen wir auf einen eingeschlossenen Überrest von Eis, das eine Lacke gebildet hat und anhand der Farbe des Wassers kann die Aktivität des vom Kees bereits über mehrere hundert Meter abgeschnittenen und tot aussehenden Gletscherrestes erkennen. Ebenso sind die Bewegungen am immer wieder auftretenden Knacken und dem Abrutschen von Gesteinsbrocken hör- und sichtbar.
Der Steig führt über fast direkt über den westlichen Abbruch des mit Schutt und Blöcken beladenen Eispanzers hinweg und kann daher nicht empfohlen werden. Irgendwann in den nächsten Jahren wird ein kleiner Teil des Steiges somit der Schmelze des Gletscherrestes zum Opfer fallen und in die Lacke stürzen.
Wir passierten diese anregende Stelle nordöstlich auf Felsterrain, anstelle dieselbe auf dem markierten Steig zu überschreiten und näherten uns dem See an der Schneescharte, zweifellos ein Felsbeckensee als Überbleibsel des einstig mächtigen Stampflkees, das sich weit über den Gletscherbruch hinaus ausgedehnt hat.
Der See an der Schneescharte im TIRIS vermessen ergibt die beachtliche Fläche von 5.700 m². Er ist vom Gletschersee am Abfluß des Stampflkeeses durch Geröll getrennt, mit einem Höhenunterschied von 10 m. Möglicherweise wird er vom oberen See des Stampflkeeses gespeist, hat aber keinen sichtbaren Abfluß.
Das Stampflkees wird von der Nordspitze des unteren Sees über Geröll und geringem Höhenunterschied angesteuert. Am Westrand des Gletschers hat sich ein vergleichsweise kleines Gletschertor gebildet, jedoch beeindruckend unterhöhlt, wie im Vorbeigehen beim Anstieg auf die Eisfläche feststellt.
Wer die Gesteinsbrocken aufmerksam betrachtet stellt sogenannte Xenolithen fest. Das sind fremde Gesteinsstücke in der sie umgebenden Granitmatrix eingeschlossen, die durch eine andere Textur und Farbe erkennbar sind, also fremdes Gestein, das in die Schmelze des Granits gelangt ist und beim Erstarrungsprozess eingeschlossen wurde.
Flächenmäßig bringt man bei der Vermessung mittels TIRIS eine projizierte Fläche von lediglich 1,07 km² zusammen, welche bei weitem nicht jener in Wikipedia mit 1,5 km² genannten entspricht. Auch dann nicht, wenn anstelle der projizierten Fläche das dreidimensionale Gelände abgeschätzt wird, das Gletscherbecken ist geometrisch einfach nicht größer, und auch nicht unter Einbezug des Oberschrammachkeeses.
Eine bedeutende Höhenentwicklung gibt es am Stampflkees nur in dessen Nordostecke, die zum Aufstieg auf den Oberschrammachgrat genutzt wird, der überwiegende Teil des Gletschers aber besteht aus auffallend flachem Eisgelände. Es wird begrenzt von der Hohen Wand im Westen und dem Oberschrammachgrat im Osten, sowie der Sagwandspitze, mit der der Autor eine Rechnung offen hat, im Norden.
Das Stampflkees führt überhaupt ein von der Wissenschaft unberücksichtigtes Dasein, denn es erscheint, trotz seiner nicht unbedeutenden Ausdehnungen, nicht in den Gletscherberichten des Alpenvereins.
Sozusagen am linken Rand des flachen Geröllfeldes (orografisch rechts), vorbei am Gletschertor, etwa 100 m nördlich davon, fand sich eine geeignete Stelle zum Übersetzen auf das Eis. Die Eisoberfläche an diesem Teil des Gletschers ist imposant übersät von großen Gesteinsbrocken, ja Blöcken herabgestürzt von der Hohen Wand.
Weil wir das Stampflkees nicht kannten seilten wir uns trotz des sehr ebenflächigen Eises, das dort und in ersten Teil der Gletscherbegehung kaum die Tendenz zum Bilden von Spalten hat, an und nutzten die erste Strecke auch zur Gewöhnung an die Gehweise.
Ziemlich genau einen Kilometer erfolgte unser recht flacher Aufstieg bis zu einem sehenswerten Abflußsystem mit Gletschermühlen, welches wir als empfehlenswert anzusehen und nicht verpaßt zu werden, hier erwähnen wollen. Die Wassermassen, die dort in die Tiefe stürzen und sich dann mit hoher Geschwindigkeit dahin mäandern sind beachtlich. Riesige Gesteinsblöcke der Hohen Wand warten bereits eingekeilt auf ihr verschluckt werden in den Gräben des Abflußsystems in den Eismassen. Das großflächige, lange Grabensystem im Eis wäre eine nähere Erkundung wert.
Etwa auf halbem Weg dorthin finden sich, durch zwei mächtige Gesteinsblöcke gebildet, Gletschertische nahe dem Eisrand. Auf diesem Abschnitt zeigte sich das Eis besonders stark mit schwarzem Belag aus Gesteinsstaub und Ruß belegt, welcher das Abschmelzen der Eisflächen weitgehend beschleunigt. Eigenartigerweise zeigte sich der dunkle Belag zur Gletschermitte hin stark abnehmend und etwa 20 m weiter in Richtung Mitte endete dieser rein optisch sogar.
Ebenso zum Eisrand hin, der direkt auf den Fels übergeht, hier in kürzerem Abstand. Diese sonderbare Ausprägung der Eisoberfläche kann nicht mit der Fließgeschwindigkeit zusammenhängen, da sie nur ein etwa 20 m breites Band darstellt. Wodurch mag das Band seine signifikant einzugrenzende Breite erfahren haben?
Durch den wechselnden Nebel konnten wir den Oberschrammachgrat nie in seiner vollständigen Länge einsehen. Deshalb änderten wir die Gehrichtung am Abflußsystem und schlugen die Richtung Nordost ein, um näher heran zu kommen.
Zuerst suchten wir die Oberschrammachscharte, die im Führer als Einstieg in die Felsstrecke beschrieben ist. Nach der Querung des dort immer noch fast spaltenfreien Stampflkeeses steilt der Hang deutlich an. Sobald wir den unteren Eishang über eine Geländekrümmung auf einen flacheren Abschnitt verließen, trafen wir – wenig überraschend – auf die ersten Querspalten in der Zugzone der Umlenkung.
Die Spalten mehrten sich nach oben hin und forderten auch einige Umwege, um deren Schmalstellen zu finden. Eine Spalte wurde dem Autor zum Verhängnis, nachdem sie die beiden Vorsteiger erfolgreich getragen hatte. Glücklicherweise war diese nur körpertief, bzw. muß sich unten eine hohe Schneeauffüllung befunden haben. Dennoch benötigte es einige Anstrengung, um aus ihr herauszukommen.
Durch die Spalten erschien es uns nicht komfortabel möglich die Oberschrammachscharte zu erreichen und so beschlossen wir, den Grat etwas weiter nördlich zu erklimmen, an einer Stelle, an der die Eisflanke möglichst weit auf den Grat hinaufreicht. Diese fanden wir trotz Nebels auch rasch und setzten den mittlerweile steil gewordenen Aufstieg über das Eis dorthin fort.
Am höchsten Punkt angekommen stellten wir zur Zufriedenheit fest, daß es zwar keinen ausgeprägten Bergschrund, dafür aber eine unangenehm und bedrohliche Abbruchstelle galt, im Übergang von Eis auf Fels zu betreten. Rings herum ragen dort steile und wenig stabil aussehende Felswände auf, weshalb man sie möglichst schnell über ein schmales Band auf die Grathöhe verlassen möchte. Just dort muß die Eisausrüstung abgelegt und verstaut werden.
Daß wir richtig mit der Wahl der Stelle waren erkannten wir gleich daran, daß Teile eines Steigeisens sowie eine Schildkappe am unteren Ende der Felsflanke verstreut lagen und weiters erkannten wir im Übergang auf dem Felsband eine Reepschnurschlinge zum Abseilen. Der Übergang auf die Grathöhe am schmalen Felsband erschien leicht und eine gewisse Erleichterung erfuhren wir am Grat angekommen, der unangenehmen Flanke entkommen zu sein.
Im Rückblick zur Oberschrammachscharte erkannten wir, daß dieselbe nicht der geeignete Punkt ist, um auf den Felsgrat über zu wechseln. Nach ihr, am Grat in Richtung Norden zum Gipfel muß nämlich ein schwierig aussehender Turm überklettert werden, dem eine sehr scharfe Schneide folgt. Nach unserer Einschätzung im Rückblick (in etwa 150 m Entfernung) dürften die Verhältnisse dort mäßige Schwierigkeiten übertreffen.
Am Grat trafen wir zunächst auf einen breiten plattigen Übergang zu einer recht schmalen Stelle, die den oberen Teil des Abbruchs darstellt, der von unten so bedrohlich locker aussieht. Diese Stelle ist die schmalste im Aufstieg, danach bleibt die Grathöhe bis oben hin breiter.
Die leichte Kletterei durch das weitgehend feste, blockig Gelände hätte uns noch mehr Spaß bereitet, hätte uns nicht der unsagbar unnötige Nebel die Sicht geraubt. Meist geht es zwischen Blöcken ohne echten Einsatz der Hände dahin, seltener bestehen Gratstufen mit echtem Klettereinsatz.
Ab und zu wechselt die leichteste Route ein paar Meter in der Westflanke, denn direkt am Grat. Über die gesamte Strecke wollte uns kein tiefer Blick in die Flanken gelingen, so dicht präsentierte sich der Nebel.
An einer Stelle bei einem steilen Absatz, der erklettert werden muß, findet sich rechts der etwa 2,50 m hohen Steilstufe eine Seilschlinge zur Hilfe auf einen mittleren Absatz in der Stufe. Sie ist markant, dort steht nach Osten ein horizontal liegender flacher Felssporn in die sehr steile ostseitige Flanke hinaus.
Die direkte Erkletterung der Stufe ist relativ griff- und trittarm, weshalb wir auch beschlossen, das aufgescheuerte Seil zu Hilfe zu nehmen und die Stufe ostseitig zu ersteigen. Man könnte diese Stelle als die Schlüsselstelle des Grates bezeichnen.
Unterhalb dieser Stufe kann man bereits das kleine Gipfelkreuz des Schrammachers sehen, zu dem noch etwa 50 Hm zu rückzulegen sind.
Über den restlichen Aufstieg begleitete uns dichter Nebel und am Gipfel des Schrammachers bot sich uns Fernsicht über ganze 30 m, gemischt mit leichtem, kaltem Wind durch die Thermik vom Kees herauf.
Nach dem Eintrag ins mitgenommene Gipfelbuch kauerten wir uns am Kreuzungspunkt der Grate unterhalb der Gipfelfelsen in einer etwas windgeschützten Ausbuchtung zur Gipfelrast. Kurz fiel sie aus und aufgrund des sich nicht auflösen wollenden Nebels mußte auch der zweite Teil der Tour ins Wasser fallen. Es wäre geplant gewesen die Überschreitung vom Schrammacher zur Sagwandspitze und zur Hohen Wand, mit Abstieg auf das Stampflkees zu unternehmen.
Bezüglich dem Gipfelbuch am Schrammacher kam der Autor durch Zufall zur einmaligen Gelegenheit das historische Gipfelbuch des Schrammachers aus den Jahren 1929 bis 1970 in die Finger zu bekommen, wovon hier am Blog ein Bericht entstand.
So rüsteten wir nach dem kurzen Verweilen einer halben Stunde angesichts der Erhabenheit des Gipfels viel zu eilig zum Abstieg. Trotz des generell akzeptablen Wetters spielte die lokale Situation mit dem Nebel dem notwendigen Verbund zwischen Geist und Natur einen Streich und beendete ein weiteres Mal Aktivitäten, die von der Sicht abhängig sind.
Wie immer beim Abstieg trat dann Auflockerung ein und wir bekamen noch ein paar Eindrücke vom durchaus imposant großen Stampflkees mit seinen im steilen Teil doch beeindruckend ausgeprägten Spaltensystemen. Zum Abstieg über den steilen Teil wählten wir unsere noch sichtbaren Aufstiegsspuren und sparten damit Erkundung und Zeit ein.
Für die Begehung des flachen Teils des Gletschers entschieden wir die Ostseite (orografisch links) zu wählen. Diese Seite präsentierte sich – wenig überraschend – ebenfalls als recht spaltenarm bzw. spaltenfrei. Lediglich einige enge Gletschermühlen trafen wir als Sehenswürdigkeiten dieser Seite an.
Der Tiefblick in die Schächte hatte es in sich, gurgelnd verschwanden die Wasser in dunkler Tiefe, ohne einen scheinbaren Boden zu erreichen. Der Durchmesser mit etwas mehr als Mannesbreite tückisch, der bei einem Sturz hinab ohne Seil selbst mit Steigeisen wahrscheinlich keine Rettung mehr erlauben würde.
Überwältigt von den Dimensionen und der schöpferischen Kraft eines Gletschers waren wir, nachdem die Reise auf dem Eis nahe der Geländekante in den breiten Südhang hinab in den Zamsergrund ihr Ende fand, wir uns wieder auf den Felsmodus umrüsteten und das lange und weite Blockfeld zurück nach Westen zum markierten Aufstieg durchwanderten. Allein dieser Abschnitt, bei dem jeder einzelne Schritt am besten wohlüberlegt erfolgt, verdeutlicht die Naturgewalten, die in dieser so einzigartigen Region vorherrschen.
Auf halben Weg zurück trafen wir den gewaltigen Abfluß des Stampflkeeses an, dessen Aura man erleben muß. Aus dem Felsbecken des Sees unterhalb des Gletschertors strömt über die herrlich rund geschliffene Naturbarriere ein ungeahnt breiter Wasserstrom ruhig über die glatte Felsoberfläche, um ein Dutzend Meter später über steile Kanten und durch Brocken und Blöcke herum, an Geschwindigkeit gewinnend, beim Hinabtosen förmlich zu schäumen zu beginnen.
Mit zunehmender Tiefe spritzen seine Fontänen sodann unregelmäßig in alle Richtungen und hellen den schäumenden Strom dermaßen, daß ein weißes Band hinab zu ziehen scheint. Allein in die Akustik der Wasser muß man sich zu den Bildern in der Bildergalerie selbst versetzen.
Im Abstieg am Gletschervorfeld hat man eine spektakuläre Sicht auf die westlichen Riesen des Zillertaler Hauptkamms mit dem Hochferner, dem Großen Möseler und auf dessen Nordgrat die Furtschaglspitze, das Schönbichler Horn und dem in seiner Gestalt herausstechende Große Greiner.
Am Weg über den begrünten Zillerfleck hinab, vielmehr schon fast unten, konnten wir uns im Rückblick nochmals von den außerordentlichen Dimensionen des breiten Südhanges und den darin geometrisch fast perfekt angelegten Moränenbauwerke des ehemals weit herab reichenden Gletschers erfreuen.
Zum Abschluß suchten wir noch die östlich des geografischen Pfitscher Joches errichteten Gebäude auf, darunter, gegenüber dem Winterraum des Pfitscher Joch Hauses, ein obszön hässliches Gebäude, dessen Schöpfer das Pfitscher Joch wahrscheinlich niemals betreten haben dürfte, um in der Lage zu sein die wunderbare Natur dort mit einem solchen Verbrechen zu bestrafen. Selbst das Almvieh hat seine architektonische Meinung dort liegen gelassen.
Bei der Einkehr im Pfitscher Joch Haus erfuhren wir vom Wirt, daß eine andere Gruppe tags zuvor den Aufstieg auf den Schrammacher vor dem unangenehmen Übergang zum Grat beendete und die Tour abbrach. So extrem abweisend ist der Übergang zum Fels jedoch unserer Meinung nach keinesfalls.
Als Rückweg zum Parkplatz benutzen wir dann den allgemeinen Steig von Pfitsch über die Jochplatte. Rückblickend gesehen ist unser Aufstiegssteig diesem hinsichtlich des landschaftlichen Erlebnisses jedoch unbedingt vorzuziehen.
Gesamt haben wir für die Eis-/Felstour 11 Stunden benötigt. An Höhendifferenz fallen dabei 1.660 Hm an und die Strecke beträgt 14,6 km. Die Zeit versteht sich incl. allen Pausen und Rüstzeiten. Die Ausrüstung für den Gletscher besteht aus Steigeisen, Pickel und Seil. Eisschrauben zur Sicherung im Aufstieg sind nicht notwendig, ebenso keine Sicherungsmittel zum Felsklettern.
Mils, 16.09.2023