In der Gratkette, die die Hohe Villerspitze nach Norden entsendet und das Fotscher- vom Lüsenstal scheidet, befindet sich der Gallwieser Mittergrat als eines der weniger begangenen Schitouren-Gipfelziele, jedoch mit einem wesentlich interessanteren Aufstieg als auf den Nachbargipfel des Roten Kogels.
Die Route folgt zunächst vom Parkplatz im Lüsenstal dem Weg zur Gallwies- und Aflingeralm. Hierzu kann im Frühjahr die steile ausgeschlägerte Schneise im Wald aufgestiegen werden, im Hochwinter bzw. bei noch genügend Schnee durch den Wald auf der Schitourenroute nördlich der Schneise. Der Einstieg in den Wald erfolgt leicht nördlich (talauswärts) des Parkplatzes, nach einem Hüttchen.
An der Gallwiesalm vorbei, die im Hochwinter vorher abgekürzt wird, um die Bachquerung zu sparen, erreicht man kurz darauf die Aflingeralm, die, je nach Schneelage, gleich vom Fahrweg angepeilt wird, oder der Fahrweg ausgegangen und etwas länger bis zu den Almgebäuden angestiegen wird.
Nördlich der Aflingeralm führt eine erkennbare Schneise durch den Wald Richtung Osten gegen den lichter werdenden Wald auf eine flachere Passage auf etwa 1.950 m Höhe. Dort zweigt der Weg zum Gallwieser-Hochleger nach Süden ab, der Abzweig ist aber von der Flachstelle aus schlecht erkennbar (es gibt ein rundes weiß/grünes Schild, das man suchen muß).
Man darf sich hier nicht beirren lassen, daß die kleinen orangen Wegweiser für die Schitour auf den Roten Kogel in die zum Anstieg auf den Gallwieser Mittergrat falsche Richtung zeigen.
In dichtem Wald wird nun zuerst steil angestiegen, um nach einigen Minuten entlang einer mittels gespannter Schnur zum Ruhegebiet für das Wild hinab eher flachen Route zu folgen, die über etwa 450 m Streckenlänge zum freien Gelände des Hochlegers führt und auf dieser Strecke etwa 90 Hm überwindet. Die Route entspricht dem Sommersteig zum Gallwieser-Hochleger und trägt im Kartenwerk den Namen Zirmsteig.
So plötzlich sich der dichte Wald öffnet, so frei wird das Gelände am nordwestlichsten Punkt des Hochlegers. Die Sonne drang kurz vor dem Waldsaum durch die dicht gewachsenen Bäume und zeigte uns bestes Aufstiegsgelände an.
Die verfallenen Hütten des Gallwieser-Hochlegers bleiben im Aufstieg weit rechts liegen und bevor man sie richtig zu Gesicht kommt, muß eine Geländerippe überstiegen werden. Auf ihrer Anhöhe wird ein bestechender Blick auf das Gelände und das Ziel, den Gallwieser Mittergrat frei sowie auch auf den mächtigen Lüsener Fernerkogel.
Nun folgt die Route dem langgezogenen Rücken der Geländerippe bis hinauf zum Steilhang in das Obere Gamsgrübl. Zwei Wassergräben ziehen sich den langen Hang der Westflanke des Roten Kogels herunter, beide werden nach Südosten überquert und der südlichere dürfte im schneereichen Hochwinter im unteren Teil lediglich als seichte Mulde wahrgenommen werden.
Letzteren Wassergraben zur Linken steigt man nun den steilen Anstieg zum Oberen Gamsgrübl an. Lange vor unserer Begehung ereigneten sich in den Schrofenmulden der Westflanke des Roten Kogels zwei Schneerutschungen, die sich unten in den Gräben zu mittelbreiten Lawinen verbreiterten. Die erste umgingen wir unterhalb, die zweite mußte im Aufstieg zum Steilhang etwa im untersten Viertel durchquert werden.
Von der Stirnseite der Lawinenkegel bis zum Flachpunkt des Oberen Gamsgrübls fallen Hm zur Bewältigung an. Es erübrigt sich zu erwähnen, daß man bei den gewöhnlich im Frühjahr anzutreffenden Verhältnisse ohne Harscheisen kaum eine Chance hätte, den Hang zu besteigen. Sie sollten allerdings nie im Rucksack fehlen, den gesamten Winter über nicht.
Nach dem untersten Stück, das mit über 35° das steilste auf diesem Abschnitt darstellt, bleibt der Hang nicht mehr geneigt als 35° und verflacht sich bis zum Hochpunkt, den man nicht zu früh anpeilen sollte.
Vom richtigen Hochpunkt in das Obere Gamsgrübel verliert man ein paar Höhenmeter, östlich davon kann der Hügel zwischen Felsbrocken umgangen werden. Erwischt man die günstigste Passage nicht, indem man sie zu früh aufsteigt und nicht unterhalb der Felsen östlich umgeht, hat man mit kaum 10 m anschließenden Höhenverlust auch keine erwähnenswerte Mehrarbeit geleistet.
Leicht steigt das Obere Gamsgrübel gegen den Gipfelaufbau des Gallwieser Mittergrates an, etwa 70 Hm fallen vom Rand des Grübls über 400 m Strecke bis zur steil werdenden Nordflanke und mit 28° Hangneigung bis auf 2.700 m.
Anschließend wird ein Steilabschnitt mit 38° Hangneigung überwunden, der in der untersten engen Passage auftritt und über dem sich der Hang wieder mit geringerer Hangneigung fortsetzt. In diesem mittleren Abschnitt werden die Spitzkehren am besten mit einer leicht rechts haltenden Abfolge gewählt, um die steilen Passagen im oberen Mittelteil zu umgehen.
In Gratnähe wird im Aufstieg unterhalb der Schrofen wieder nach Osten gequert und hierbei ließen sich bei unserer Tour die Steilstellen zwischen den Steinen nicht umgehen, sodaß unser Aufstieg dort (auf etwa 2.770 m) kurzzeitig in Gelände mit leicht über 40° stattfand.
Oberhalb der steilsten Stelle flacht der Hang zum Grat hin ab und es bildet sich vor den Gipfelschrofen ein flaches Schidepot auf 2.810 m. Von dort führt ein leichter Grat auf den Verschneidungspunkt mit dem Hauptgrat, der über etwa 3 m eine Steilstelle beinhaltet, die aber einfach durchstapft wird.
Vom Verschneidungspunkt der Grate gelangt man über eine kleine Mulde zum Hochpunkt am Gallwieser Mittergrat, der mit einer halbhohen Steinschlichtung als Gipfelpunkt ausgestattet ist. Als eher unbedeutender Gipfel in der Kette trug es nicht mehr, als diese Zierde.
Der Rote Kogel befindet sich in knapp 700 m Entfernung im Norden des Hautgrates und während unseren kurzen Gipfelfotos zog der Nebel dermaßen rasch die Flanken herauf, sodaß Eile mit der Ablichtung geboten war.
Die Sicht auf eine sehr bärige, noch ausstehende und schwierige Schitour, die Lüsener Villerspitze, die der Autor im Sommer auf der Überschreitung von der Hohen Villerspitze her erreicht hat, fiel leider mäßig aus, sie war bereits weitgehend eingetrübt.
Wir erreichten den Gipfel um 12 Uhr und der Wetterbericht hätte diesmal exakter nicht sein können mit der Aussage „Eintrübung noch vor mittags und Niederschläge ab mittags“. Just als wir gerade am Gipfel standen und uns zur Abfahrt rüsteten, löste sich schlagartig alle Landschaft in Wohlgefallen auf und die Sicht schränkte sich drastisch ein sowie bei sie sich bei der Ankunft am Schidepot auf etwa 50 m verringerte.
Die Abfahrt über den herrlichen Gipfelhang wurde zur Spurensuche aufgrund der sich rapide verschlechternden Sicht. Leider waren deshalb nur Aufnahmen im unteren Teil des Hangs möglich, schon fast wieder im Grübl, wo die Sicht wieder einigermaßen besser wurde, dafür der Graupelschauer zunahm.
Unterhalb der Schrofen des Roten Kogels hielten wir uns möglichst rechts bei der Abfahrt, um dem leichten Gegenanstieg zu entgehen, den wir beim Aufstieg genommen hatten.
Zwischen den großen Felsblöcken hindurch und bei wechselnden Sichtverhältnissen erreichten wir den Hang zum steilen Hang zum Karboden hinab.
Mit einem einigermaßen zufriedenstellenden Schierlebnis ließen sich dieser und die restliche Abfahrt im freien Gelände befahren. Die starke Firnschicht taute dort nur wenig auf, sodaß der typische Frühjahrsmix zwischen Tragfähigkeit und dünner, weicher Firndecke entstand – das Beste auf der heutigen Schitour und bei bestem Wetter gut für tolle Abfahrten und Aufnahmen in phantastischem Gelände.
Durch vereinzelte Bäumchen hinab erreichten wir den dichten Wald mit der Querung oberhalb des Wildruhegebietes wieder. In der Querung mußten einmal für einige Meter die Schi abgeschnallt werden, aufgrund der schon dürftigen Schneedecke.
Auf der Abfahrt über die Almenhänge setzten sich die aperen Stellen mehrfach fort, wodurch die Schitour für die heurige Saison nicht mehr empfohlen werden kann.
Den fehlenden Spuren nach zu schließen dürfte die Schitour schon längere Zeit nicht mehr begangen worden sein und wahrscheinlich ist sie auch den Winter über weit weniger die Wahl als es der Rote Kogel ist. Wer also etwas weniger Frequenz auf einer Schitour bevorzugt, dem sei sie auch wegen des landschaftlichen Reizes in dem weiten prächtigen Kar des Gallwieser Hochlegers empfohlen. Zur Einkehr lohnt sich die kurze Fahrt ins Gasthaus Lüsens in dem wir stets gut bewirtet wurden.
Etwas mehr Zeit als zum Roten Kogel muß man für die Schitour zum Gallwieser Mittergrat einrechnen, wir haben für den Aufstieg 4 Stunden benötigt und gesamt 5:30 Stunden. Die Streckenlänge beträgt knapp 5 km wobei 1.275 Hm Aufstieg zur Bewältigung anstehen. Der steile Teil der Waldpassage ist kurz, erfordert aber bei schlechten Schneeverhältnissen etwas Können. Der beiden steileren Hänge wegen, die unterschiedliche Ausrichtungen haben, sollte die Lawinengefahr nicht unterschätzt werden.
Mils, 23.03.2024