Schitour Hintere Karlesspitze, 2.641 m

In der Umrahmung des Wörgetals bilden die Karlesspitzen die östliche Begrenzung und die Hintere Karlesspitze eignet sich sehr gut für eine kurze, schön gelegene Schitour. Die Gegenseite im Westen wartet mit einer sonnigen Frühjahrstour auf den Wetterkreuzkogel auf, die mit der Überschreitung zum Großen Windeck einen Hauch von Wintergratbegehung erleben läßt.

Hintere Karlesspitze unter Föhnböen

Nach unergiebigen Schneefällen von Donnerstag auf Freitag wurde die Schitour auf die Hintere Karlesspitze rein willkürlich anhand des meisten Niederschlags ausgesucht, der auf lawinen.report im Großraum Innsbruck zu finden war.

Start am Parkplatz Marail

Seit Weihnachten konnte man die Tage mit Niederschlag an der Hand eines pensionsreifen Tischlers abzählen, weshalb in diesem mauen Winter zu modernen Hilfsmitteln der Wetteraufzeichnung gegriffen werden musste. Und die Vorbereitung machte sich bezahlt, die Schneelage sowie die Szenerie ließen dem in seiner Erwartung bereits zurückgestutzten Tourenfreund wenig Wünsche offen.

über ein aufsteilendes Waldstück zur verfallenen Oberen Issalm

Auf der anderen Seite muß auch eingeräumt werden, daß zwar hinsichtlich der Schneelage das zunehmend aride Klima in den Ostalpen düstere Aussichten erwarten läßt, im Gegenzug dafür aber heuer eigentlich jede Schitour von schönstem Sonnenschein geprägt war. In unserem Fall war, wie so oft in der derzeitigen Saison, der Föhn Garant für die Fernhaltung der Störung von Norden und großteils Sonne, obwohl zunehmende und weitgehende Bewölkung der Gipfel im Tagesverlauf prognostiziert wurde.

nach dem Issalmboden durch einen lichten Wald

Um 8 Uhr erwischten wir am kleinen Parkplatz in Marail noch ausreichend Platz, bei unserer Rückkehr gegen Mittag war entlang der Straße nach Kühtai alles, was entfernt nach einem solchen aussieht, belegt.

am Osthang des Wörgetals auf die Oberen Böden

Der Aufstieg durch den Wald ist ein geschichtsträchtiger, im Wörgetal wurde Bergbau betrieben, woran das Knappenhaus oberhalb des Puchersees erinnert. Auf der oben verlinkten Schitour auf den Wetterkreuzkogel befindet sich mehr Information über die Geschichte des Bergbaus, der genau im Gebiet der Hinteren Karlesspitze betrieben wurde, zu der unsere hier beschriebene Schitour führt:

An der Wörgetalscharte, in einer Höhe von 2450 m am Wörgetal-Schartl befinden sich teilweise verbrochene Stollen und 100 Meter tiefer ein Scheideplatz mit Resten verfallener Knappenhütten1.

Aufstieg über eine seichte Talmulde auf die Moränenrippe rechts

Und auch der bodenständige ehemalige Landesgeologe Dr. Peter Gstrein, von Freunden Stollen-Peter genannt, der durch seine legendären, informativen Führungen durch die Höttinger Bergbaue bestens bekannt war und der Bevölkerung die Bergbaugeschichte Innsbrucks (Höttings) anschaulich näherbrachte, widmet sich in Kurzform dem Bergbau im Wörgetal 2.
Wer die Mineralien vor Augen haben möchte, der besuche den Knappenweg-Folder.

Aufstieg auf die Rippe

Über knorrige, alte Zirben und Granitgneis führt die Route vorbei an einer Privathütte, entlang des Sommerwegs auf eine erste Geländestufe, die Obere Issalm. Ihre Grundmauern sind nur mehr im Sommer sichtbar, ihr Schwestergebäude befindet sich unweit im Tal am Weg nach Kühtai.

auf der Rippe zu den Oberen Böden, rechts Wetterkreuzkogel und Großes Windeck

Die nächste Stufe ist etwas flacher ausgebildet und führt über Bergsturzmassen daher die großen Brocken, die zum Teil im Winter noch erkannt werden, auf das obere Plateau, obere Böden genannt.

letzte Abschnitt vor einer Kuppe

Zuerst endet der Wald und die Route führt durch eine kleine talartige Mulde, die nach rechts oben auf den Rücken verlassen wird. Dieser Rücken besteht aus den in der Folge weiter begangenen Ablagerungen von Blockgletschern, die im Tal drin auf der linken Seite für eine hügelig anmutende Geländeoberfläche sorgen.

Kuppe am Rand der Oberen Böden

Die Hänge der Ostumrahmung des Wörgetals von den Schafzöllen über die Vordere bis zur Hinteren Karlesspitze werden im Aufstieg angeschnitten. Die Hangneigung oberhalb der Spur mußte bei unserem Aufstieg aufgrund der herrschenden Lawinengefahr nicht in Betracht gezogen werden.

hier zweigt die Schitour zum Wetterkreuzkogel und auf das Große Windeck ab und quert die Oberen Böden

Das Gelände oberhalb ist für einen risikoarmen Anstieg jedoch stets richtig einzuschätzen, oder im Zweifelsfall die Anstiegsspur in den Talboden zu verlegen. Dennoch muß im Hang zum Wörgetalsattel unausweichlich eine kurze Passage einer Hangstufe mit >35°Hangneigung durchschritten werden, die zu beachten ist.

Aufstiegshang zur Hinteren Karlesspitze im Überblick

Lange verlief die mäßig bis nicht ansteigende Aufstiegsspur bis zum Hang, der in moderat steilem Gelände gegen den Wörgetalsattel zieht. Auch ohne technisch vorgegebenen Routenverlauf findet ein jeder die richtige Wahl am Hang zu einer Querrippe aufzusteigen, die den unteren vom oberen Aufstieg trennt.

von rechts: Wetterkreuzkogel, Kleines Windeck, Großes Windeck und Grat zur Wörgegratspitze

Die Motive der westseitigen Umrahmung des Wörgetals traten bei unserer Begehung schön ins Blickfeld. Den Wetterkreuzkogel und die nette Gratbegehung auf das Äußere Windeck hatten wir knapp neun Monate vorher, im Frühjahr begangen und dadurch das nette Wörgetal und seine Winterziele schätzen gelernt.

moderat steil beginnt der untere Hangteil

Als westlichstes der drei ausgeprägten Täler nach der Passhöhe im Kühtai ist es gleichzeitig auch das kürzeste und lieblichste aller.

mittelsteil auf die oben sichtbare Rippe zu, vor der das Gelände steiler wird

Die runden Hangformen und leichten seitlichen Aufstiege lassen es zwar nicht für Unternehmungen in Sturm und Drang zu, jedoch für jene, die eine kurze Auseinandersetzung mit der Natur anstreben, als Vormittagsziel bei drohendem Wetterumschwung beispielsweise oder für untrainiert genusssüchtige Tourenfreunde wie wir, die dem mauen Angebot der bisherigen Saison zumindest scheinbar Parole bieten wollen.

in der Querung der Steilstelle vor der Rippe

Im unteren Teil des Aufstiegs zum Sattel erkannten wir sofort den Verlauf. Eine deutliche Rippe trennt denselben vom oberhalb zum Sattel führenden Gelände. Die Rippe ist zwar wenig felsig gestaltet, jedoch von beachtenswerter Hangneigung im Übergang geprägt, die gequert werden muß.

Rückblick von der Flachstelle hinter der Rippe auf den oberen Teil des unteren Hangs

Die Überwindung der kurzen Geländerippe kann auch als Standardsituation von Schitouren beschrieben werden, bei der man sich auf fast neigungsloser Route auf einer Hangquerung in recht steilem Gelände über wenige Meter in sehr harmloses Gelände bewegt.

Querung auf die Rippe

Die Überwindung der kurzen Passage bedeutet auch bei optimalen Verhältnissen nach ihrer Absolvierung stets einen Spontansprung der Stimmung, den der Tourenfreund gut kennt, und der einen der vielfachen Reize der Auseinandersetzung mit dem Gelände (also der Natur) verkörpert.

oberer Hang zum Wörgetalsattel

Am Weg auf die Hintere Karlesspitze möge er als die eindrücklichste Passage nach dem kurzen Gipfelanstieg in felsig steilem Gelände erwähnt werden, falls man dieser leichten Schitour überhaupt Ernsthaftigkeit des Aufstiegs zumisst.

steilere Partien

Bei zauberhaftem Anblick des Tags vorher verschneiten Kessel des Wörgetals eroberten wir die Geländerippe, um vom kleinen, flachen Platz danach, wie unterhalb auch eine gleich steile Fortsetzung zum Wörgetalsattel vorzufinden.

flach auf den Sattel zu

Vor dort beträgt der die restliche Aufstiegshöhe zum Sattel gut 100 Hm und der Übergang zum wenig ausgeprägten Gipfel der Hinteren Karlesspitze tritt einschätzbar ins Blickfeld.

Gratrücke auf die Hintere Karlesspitze

Nach oben hin zum Sattel auslaufend, wird der Hang flacher. Die mittlere Steigung beträgt etwa 25°, Stellen überschreiten 35°, je nach Routenwahl.

Wörgetalsattel gegen Hintere Karlesspitze

Am Wörgetalsattel genossen wir zunächst einen bärigen Ausblick auf die Südlichen Kühtaier Gipfel, von denen einige Erhebungen an 3.000 m heranreichen und der naheste Riese, der Acherkogel, mit 3.007 m knapp darüber.

Maning- und Acherkogel im Südwesten gegenüber, rechts die Wörgegratspitze

Der Blick reicht bis tief ins Herz der Stubaier Alpen und wer richtig steht und ganz genau schaut, der erkennt exakt im Zwickel der Wechnerscharte das Gipfelspitzl des Hochreichkopfs, einer schweren, aber herrlichen Schitour von Kühtai, die momentan durch die Bauarbeiten im Längental nicht begehbar sein dürfte.

rechts der Bildmitte Wechnerscharte (verborgen) und Wechnerkogel, links Roter Kogel

Der restliche Aufstieg vom Sattel auf den Gipfel der Hinteren Karlesspitze beträgt knapp 70 Hm und findet am recht breiten Gratrücken statt. Eine letzte kleine Graterhebung vor dem Gipfelaufbau wird westseitig umgangen. Auf dem flachen Platz vor dem Gipfelaufbau richteten wir das Schidepot ein.

Gratstrecke zur Hinteren Karlesspitze

Über den kurzen Aufstieg auf den Gipfel führen knapp 15 Hm über fast vollständig schneebedeckten Fels. Erst im Abstieg gewinnt die kurze Strecke etwas an Ernsthaftigkeit, da die Stapfen gefunden werden müssen.

am Schidepot unterhalb des Gipfels der Hinteren Karlesspitze

Am Gipfel erwartet den Bezwinger ein kleines, schief geneigtes Alu-Gipfelkreuz, das sich mit den omnipräsenten tibetanischen Fahnenstricken umwickelt findet.

fußläufiger Aufstieg zur Hinteren Karlesspitze

Der Standplatz um das Gipfelkreuz bietet genügend Platz, jedoch reichten die Föhnböen, um uns einen längeren Aufenthalt zu vermiesen.

Gipfelkreuz auf der Hinteren Karlesspitze

Der Ausblick von der Hinteren Karlesspitze bietet gegen Süden das schönste Szenario. Vom Sulzkogel über den Lüsener Fernerkogel, die Vordere Sonnenwand, den Gleirscher Fernerkogel, den Hohen Seeblaskogel bis hin zum Schrankogel reicht der Blick über 20 km Tiefe.

Sulzkogel und zentrale Stubaier Gipfel

Im Westen, zwischen Wörgegratspitze und dem Großen Windeck dringt die Glanderspitze im Venet durch, auf die eine nette Schitour führt, mit der es noch eine Rechnung zu erledigen gibt.

Wörgegratspitze, Großes Windeck und Wetterkreuzkogel im Westteil des Wörgetals

Über die bärigen Erhebungen der Lechtaler Alpen mit Parseierspitze, Imster Muttekopf, Loreakopf und über die grandiosen Mieminger Berge wie Grünstein, Mitterspitze, Hochplattig und Hochwand, schließen die Wettersteingipfel mit dem Hochwanner ab.

Aussicht auf die Lechtaler Alpen

Den Abschluß der Sicht zu den fernen Wettersteingipfeln bildet der Pirchkogel im Kühtai im Tal gegenüber. Er ist ein viel besuchtes Schitourenziel und Ausgangspunkt für ein besonderes Schmankerl an Schitourenrunde über die Nordhänge der Sellrainer Berge bis knapp oberhalb der Stamser Alm mit Anstieg auf den Mitterzaigerkopf.

Lechtaler Alpen und Mieminger Kette

Hoch ober der Passhöhe im Kühtai mit den blaugrünen leuchtenden Speicherseen erheben sich die Nördlichen Sellrainer Berge mit dem beliebten Rietzer Grieskogel und einem Ostgrat, der Metzen, Seejoch und Peiderspitze enthält. Im Sellraintal gegenüber finden sich Gaiskogel, Pockkogel und Neunerkogel sowie das nette Schitourenziel der Steintalspitze von Haggen aus, womit sich der Kreis der Aussicht schließt.

Mieminger Kette und Wettersteingebirge in der Ferne, ganz rechts der Pirchkogel

Am Schidepot zurückgekehrt, wechselten wir uns mit der nachfolgenden größeren Gruppe ab, mit denen ein geräumiges Auskommen am Gipfelplateau wahrscheinlich nicht mehr gegeben gewesen wäre.

Kühtai in der Tiefe und die Nördlichen Sellrainer Berge

Der Föhn verstärkte sich während des Rüstens zur Abfahrt zusehends und die beherzten Mädels mit ihren beiden Führern hatten wahrscheinlich einen noch unangenehmeren Aufenthalt am Gipfel, während wir den Gratrücken hinab fuhren.

Abstieg von der Hinteren Karlesspitze

Wie meist auf Graten zeigte sich die Schneedecke auch auf der Hinteren Karlesspitze gepresst, ruppig zu befahren und teilweise abgeblasen. Erst im steileren Teil des Nordhangs hinab zu den oberen Böden im Wörgetal trafen wir auf weichen tiefen Schnee, der sich passabel befahren ließ.

über die Rippe auf den unteren Hang

Da uns die östliche Abfahrt von der Schitour auf das Große Windeck aus dem Vorjahr bekannt war, probierten wir die Geländestufe in die Unteren Böden über die Flachstrecke auf den Oberen Böden zu erreichen, was mit Schwung recht gut gelang.

steile Passagen im oberen Teil

Die Geländestufe bildet ein nicht zu steiler Hang von etwa 80 Hm Abfahrt mit einer Neigung von durchschnittlich 30° mit kleinen Abschnitten um 35°. Sie endet in einem Flachstück das auf die Westseite des Wörgetals zwingt und hinab zum Puchersee führt.

an der Flachstelle bei der Rippe mit Blick auf den oberen Hang

Alternativ dazu könnte entlang der Schitourenroute der Hang der Gletscherablagerungen befahren werden, um oberhalb des Knappenhauses früher in den Wald zur verfallenen Oberen Issalm zu gelangen.

Flachstrecke zur Geländestufe von den Oberen zu den Unteren Böden

Wir fuhren aber durch den schönen Tiefschnee direkt auf den See ab und mußten einige Meter auf der Seeoberfläche in den herrlich anzusehenden Zirbenwald tretteln. Als Ausgleich für die Flachstrecke führt die Aufstiegsspur durch malerisches Blockgelände mit viel Kontrast für das Auge im Sonnenschein.

Abfahrt über die Geländestufe zu den Unteren Böden

Die Aufstiegsspur, die wir vom See aus befuhren, mündet mit nordöstlicher Richtung wieder in den leichten Wald oberhalb des Issalmbodens ein.

am Puchersee mit Rückblick auf die Unteren Böden

Die Abfahrt durch das steilere Waldstück gestaltete sich in den Wannen und Serpentinen meist entlang der Aufstiegsspur zum Abschluß noch einigermaßen schweißtreibend.

phantastischer Blick mit Kontrasten und dem Schafzöllen sowie der Vorderen Karlesspitze im Hintergrund

Die nette kurze Schitour führt über 960 Hm vom Parkplatz zum Gipfel der Hinteren Karlesspitze. Die Streckenlänge beträgt 8,2 km und unsere Gesamtzeit mit einem knapp viertelsündigen Gipfelaufenthalt betrug knapp 3:40 Stunden.

Mils, 16.02.2025

1 Franz Vavtar, 1980: Die Erzanreicherungen im Nordtiroler Stubai-, Ötztal- und Silvrettakristallin – Archiv für Lagerstättenforschung der Geologischen Bundesanstalt, S. 116

2 Peter Gstrein, 2009: Der Tiroler Bergbau im 16. JahrhundertMitt(h)eilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. S. 126, 128

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert