Über die Schrofen hinter dem Schloss Tratzberg findet sich im AV-Kartenwerk ein interessanter alter Steig von Tratzberg über das Weihnachtsegg auf das Stanser Joch, der das Interesse erregte über ihn aufzusteigen. Genauer gesagt bindet der alte Steig nicht direkt am Weihnachtsegg in den Weg zum Stanser Joch ein, sondern etwas weiter westlich, einige Höhenmeter oberhalb.
Im oberen Teil ist der Steig nicht immer leicht zu finden. Nach der Jagdhütte quert der Steig in den Wald, in dem das Gelände steinig wird und die Steigführung nicht immer sichtbar ist.
Den Start wähle man günstig, nicht an dem hier im Bericht gezeigten Standort, der nur deshalb zustande gekommen ist, weil die Parkplätze am Schloss nicht zugänglich waren. Alternativ findet sich im Ortsteil Kreith eine Parkmöglichkeit. Dann erfolgt der Aufstieg auf den Heubergweg und dort zweigt man bei der äußerst östlichen Kehre auf den Weg nach Tratzberg ab. Die Flurbezeichnung dort nennt sich „Wirtsboden“.
Dieser Weg ist zunächst ein breiter Schotterweg der zusehends schmaler wird und unterhalb der Felsen der Hauswand endet. Dort ist der in der AV-Karte eingezeichnete Steig zum Schotterweg westlich oberhalb des Schlosses verfallen, zumindest tief unter altem Laub des dichten Waldes verborgen. Die Richtung ist aber klar und endet oben am Weg auf die Hauswand. Ein wenig Abenteuer zu Beginn der Tour.
Der ebenfalls aufgelassene Schotterweg – so zumindest der Eindruck aufgrund seines Zustandes – führt auf flacheres Gelände, endet aber vorher und wandelt sich zum Steig. Der Wald wird bald lichter und eine freie Fläche tut sich unterhalb der vom Inntal aus beeindruckenden Schrofen auf der „Schustermahd“ auf.
Dort führt der Steig auf knapp über 1.000 m Höhe an einem kleinen Jagdhüttl vorbei in Richtung östliche Begrenzung der Schrofen in den Wald.
Im recht lichten Wald leitet der Steig über steile Serpentinen den steinigen Boden hinauf. Die Schroffheit des Geländes tritt nun erstmals augenfällig in den Vordergrund.
Geröllsturz und entwurzelte Baumleichen säumen den Weg über die steile Partie, genannt „Hauswandtret“. Teilweise finden sich dort alte Seilversicherungen, deren der Versierte nicht bedarf.
Unter einem hohen Felsabsatz quert der Steig in freiem Gelände östlich in den nächsten Waldabschnitt, der oberhalb des Felsabsatzes beginnt und in leichteres Gelände mit der Flurbezeichnung „Tredl“ führt. Unterhalb befindet sich das Hauswandköpfl.
Kurz durch ein flacheres Waldstück wird die offene freie Fläche des Tredls erreicht. Sie ist mit einer Futterstelle für das Wild ausgestattet. Das Tredl wird nach oben durchschritten. Ein paar Minuten später erreicht man eine Verzweigung des Steigs, rechts geht ein gleich breiter Steig ab.
Laut Kartenwerk bindet dieser Steig etwa 40 Hm darüber wieder in den Steig ein und jener, der sich hier beschrieben findet, stellt nur den Umweg zur Jagdhütte dar.
An der Jagdhütte vorbei, über ein paar steile Gräben hindurch, lohnt es sich zum Waldrand auf den gewaltigen Schrofenstrich hinaus zu wandern und einen Blick vom Jägerstand über das 300 m hohe Felsgelände hinab zu werfen.
Hinter der Hütte leitet eine schon recht zugewachsene Latschengasse durch die ebenfalls verwachsene alte Schuttrinne und weiter in den nächsten Waldabschnitt. Dort muß man aufpassen, daß man nicht zu weit östlich gelangt.
Der Steig führt zu einer alten Materialseilbahn und weiter zu einem verfallenen Hochstand an der westlichen Flanke des Schlossgrabens.
Bereits die Bergstation der Seilbahn befindet sich zu weit östlich, der Steig führt gemäß der AV-Karte kurz vorher westlich bergauf – wie beim Abstieg festgestellt wurde – und zwar in der Nähe eines Grabens, auf dessen Ostflanke.
Nichtsahnend dem Steig nach der Seilbahn weiter folgend wurde 10 min später der Schlossgraben mit dem verfallenen Hochstand erreicht. Dieser Punkt war das Signal zur Umkehr.
Kurz entschlossen wurde als Richtungsänderung nicht der Rückweg, sondern der direkte Aufstieg nach Westen gewählt. Dieser führte nach etwa 20 min wieder auf die unten verlorenen Steigspuren.
Das Gelände in diesem Bereich könnte archaischer nicht sein. Umgestürzte Baumriesen mit noch voll ausgeprägtem Astwerk, das in der trockenen Landschaft des Südhanges nicht so schnell verrotten mag, stellen sich einem nebst karstähnlichen Felspartien in den Weg.
Ursprünglicher Wald, im trockenen Mittelteil vorwiegend mit wärmeliebenden Kiefern bewachsen und wenigen Laubbäumen.
Weiter oben verliert das Gelände an Steilheit und Fichten- sowie Tannenbewuchs tritt wieder vermehrt in den Vordergrund. Der Steig, der immer wieder aufmerksam gesucht werden muß, wurde wieder erreicht. An Bretterresten vorbei ahnt man, daß die Route stimmen muß.
Im letzten Teil des abenteuerlichen Aufstiegs führt die Steigrichtung weit nach Osten und nach einer Kehre wieder weit nach Westen, bevor die Kammhöhe erreicht wird. Dies deckt sich mit dem AV-Kartenwerk.
Der Ausstieg aus dem Steig am Kamm befindet sich knapp oberhalb des Weihnachtseggs, zu dem man zwei Minuten absteigen muß. Hier könnte die Ursache der verschiedenen Benennung der AV-Karte liegen in der es die Bezeichnung Jochkrone und Weihnachtsegg gibt.
Möglicherweise bezeichnet Jochkrone das flache Plateau kurz oberhalb der Lichtung zur Jöchlalm hinab das sogenannte Weihnachtsegg.
Wie dem auch immer sei, der Steig über den schönen Kamm zum flachen Gipfel des Stanser – oder Staner – Jochs wurde nun in Angriff genommen und zur späten Stunde in Eile, denn die knapp 400 Hm ziehen sich in die Länge, dafür wird eine gute Stunde schnellen Schrittes benötigt und dabei stellt der Gupf der Heiterlahner Flecke die folgende Landmarke dar.
Diese erreicht, scheint die Entfernung zum Gipfelkreuz nicht wesentlich geschrumpft, und tatsächlich trennen den Gipfel vom Standpunkt immer noch mehr als 1,5 km, der von dort in etwa in einer halben Stunde erreicht werden kann. Der Aufstieg führt noch eine Weile durch Latschengassen, abwechselnd mit offenen Bergwiesen und –schrofen.
Wie immer bot sich am Staner Joch, als östlichste Bastion der 2.000er des grandiosen Karwendels, eine tolle Kulisse in alle Blickrichtungen. Die Kaisergebirge im Osten, Kitzbüheler und Zillertaler im Süden, die Tuxer im Südwesten, das angestammte Karwendel vom Westen bis in den Norden mit den ebenfalls 2.000ern Seeberg- und Seekarspitze und die schönen Berge im Rofan, Rofanspitze, Sonnwendjoch und die Hochiss im Nordosten bezaubern am Stanser Joch bei jeder Besteigung erneut.
Eile war geboten das Abenteuer zu beenden. Der Sonnenstand gegen Dreivierteldrei im Herbst mahnte zum raschen Abstieg. Die Abstiegslänge mit 8 km Länge muß ebenfalls bedacht werden, sie ist länger als man gemeinhin 1.550 m absteigt. Somit wurde eine kurze Gipfelpause mit ein paar herbstlich gestochen klaren Fernbildern vor dem Rückzug gehalten.
Der Fortschritt im Abstieg war aufgrund der Geländekenntnis nun groß, lediglich an dem durch die Verirrung nicht begangenen Steigabschnitt mußte inne gehalten werden, um die undeutlichen Steigspuren nicht zu verlieren.
Im Zuge des nun kartenmäßig richtigen Abstieges wurde auch die Einbindung in den Steig von der Jagdhütte vor der Seilbahnstation entdeckt – sie liegt nur unweit westlich derselben und hätte bei genügender Konzentration aufgefunden werden müssen, selbst wenn die Spuren dort weitgehend undeutlich ausfallen.
Auf dem weiteren Abstieg folgte die Erkundung der Abkürzung von unten herauf, die die Jagdhütte ausspart und kurz nach dem Tredl rechts abzweigt. Von dieser Abzweigung gibt es noch ein Bild in der Galerie, bevor die Technik aufgrund von Energiemangel versagte.
Die Grafiken in der Bildergalerie zeigen mehrere Kartenwerke. Alle enthalten unterschiedliche Details. Am wahrscheinlichsten dürfte die AV-Karte sein. Die Outdooractive Karte enthält Abweichungen, die TIRIS Karten enthalten die Erinnerung über Auf- und Abstieg des Autors.
Gesamt rechne man für das kleine Abenteuer 7:45 Stunden, wenn man keinerlei Navigationshilfe in Anspruch nimmt und nur mit der Karte sein Glück versucht. Die Aufstiegsarbeit vollzieht sich über knapp 1.600 Hm und die Strecke bis zum Gipfel über 8 km.
Mils, 25.10.2020