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Die Bettelwurfrunde, Kleiner Bettelwurf und Großer Bettelwurf

Die Runde um die Bettelwürfe empfiehlt sich normalerweise mit dem Anstieg auf den Kleiner Bettelwurf und dann den Übergang, teilweise als Klettersteig ausgeführt, zum Großer Bettelwurf.
Ich habe die Runde heute umgekehrt gemacht, weil der Abstieg zum Bier in der Bettelwurfhütte vom kleinen Bettelwurf schneller und etwas bequemer ist, als vom großen Bettelwurf. Dafür muß man die senkrechten Partien des Klettersteiges im Abstieg machen. allerdings sind diese nur kurz, jedoch muß man die Oberarme strapazieren.

Wenn man den Übergang geht, egal in welche Richtung, dann ergreift einen von selbst Respekt vor dem Erstbegeher des Überganges, Carl Gsaller. Er hat das damals ohne Wegbeschreibung oder Aufstieghilfen geschafft, ja nicht einmal genau gesehen haben kann er den Übergang in seiner gesamten Länge . Er hatte, im Versuch den großen Bettelwurf zu ersteigen, irrtümlich den kleinen Bettelwurf erwischt und seine kämpferische Bergsteigernatur ließ es nicht zu, daß er „unverrichteter“ Dinge wieder ins Tal abstieg, nein er hat am Gipfel des Kleinen beschlossen, den Übergang zum Großen sofort anzugehen.

Wenn man sich das Foto von heute ansieht, dann muß man schon Respekt haben, denn der nächste Zufluchtsort oder Hilfe ist nämlich nur gute 1.100Hm tiefer zu finden und niemand würde ihn am 18. Juni 1878 auf diesem Gebirgszug vermissen:

Blick vom kleinen Bettelwurf zum Übergang auf den großen Bettelwurf

Der Übergang vom Großen Bettelwurf zum Kleinen vom Großen aus gesehen

Die wortgewaltige Beschreibung Carl Gsallers, den Übergang betreffend, hier als Zitat seiner Schriften in kursiv (Start des Originaltextes ist die Beschreibung der letzten Meter des Aufstieges des Kleinen Bettelwurfes):

…Gipfel herabziehende Felsrippe, jetzt von Ost nach  West, querend, sah ich plötzlich eine weite, schneeerfülltc, mässig geneigte Rinne vor mir, die gerade zum Scheitel emporwies. Rasch wurde durch sie hinangestiegen, noch eine kurze, harmlose Kletterei und ich betrat um 12 h mittags in athemloser Spannung den Gipfel. Ein Blick nach Osten und da gab’s eine wahre Ueberraschung. Dort ragte ja pyramidenförmig ein weit höherer Felsscheitel empor, ja dort stand sie, die Grosse Bettelwurfspitze, während ich im blinden Eifer die bisher unerstiegene Kleine Bettelwurfspitze erobert hatte! Statt Freude über die unvermuthete Errungenschaft, bemächtigte sich meiner ein lebhafter Unmuth, der mich auf Alles vergessen und nur nach der grossen Spitze starren liess.
Was nun thun? Diese zweifelhaften, beim Aufstieg überwundenen Felsen gefielen mir für den Rückweg gar nicht, doch im nahen Osten senkten sich von der Scharte zwischen beiden Gipfeln zum Abfahren so recht einladende Schneefelder gegen das Speckkar hinab. Also vorerst dort hinüber, das Weitere wird sich finden! So fing ich denn an, den Quergang zu der gedachten Scharte unter dem etwas niedrigeren Ostkopf der Kleinen Bettelwurfspitze durch zu bewerkstelligen. Angenehm war dieses Kreuzen steiler, mit tiefem Schnee bedeckter Platten keineswegs. Weil ohne Stock, musste ich stets die linke Hand tief in den Schnee vergraben, eine nicht ganz überflüssige Art des Festhaltens, denn mehrmals rutschte die ganze weiche Masse unter meinen Füssen ab. Zudem äusserte sich an den Fingern ein starker Schmerz, der mir erst später klar werden sollte. Ueber trümmerbedeckte Felsen ging’s schliesslich hinab zur angestrebten Scharte zwischen der Grossen und Kleinen Bettelwurfspitze, nach einer von mir vom höheren Zunderkopf bei Hall vorgenommenen halbtrigonometrischen Messung 2564 Meter hoch. Ihre mässig geneigte Schneefläche erschien im Norden von einem fast senkrechten Absturz begrenzt, aus dem ein spitzer Fels, ganz überzogen von Moos und Flechten grüner und gelbgrüner Farbe aufragte und vom Weiss der Umgebung seltsam sich abhob.
Nun hätte ich, wie gewollt, über die lange tiefverschneite Plattenrinne zum Speckkar absteigen können, die Bahn war ja frei. Doch haIt! Da stand der Westabfal1 der Grossen Bettelwurfspitze zu verlockend vor mir, eine prächtige Pyramide, von zahlreichen Querstufen weiss und grau gezeichnet. Ich blickte verlangend hinauf und beschloss, dieselbe sofort anzugreifen. Ein Trümmerband führte auf den Nordabfall des Gipfels, woselbst eine sehr steile Rinne ohne Schwierigkeit erklettert wurde, da ihr Boden mit förmlichen Spitzhöckern sich überzogen erwies. Sodann fortsteigend, wie es eben ging, gelangte ich etwas später durch eine enge Schlucht von Süden her auf eine grössere Felsstufe. Während einer kurzen Rast wurde mit Eislimonade der brennende Durst gelöscht und die im Rücken stehende glatte Wand nach einer Ersteigungsmög1ichkeit studirt. Da sich wenigstens an dieser Stelle keine solche erkennen liess, drang ich auf dem Trümmerbande am Fusse der Wand gegen Süden vor. Bald trat ein Kamin entgegen, freilich mit überhängendem Fels in der Mitte, was mich aber nicht abschreckte, den Aufstieg durch ihn erzwingen zu wollen. Doch der Erfolg blieb aus, die überhängende Stelle war trotz hartnäckiger Versuche weder gerade hinauf, noch seitlich zu bewältigen , ich glitt einfach wieder herab. Zornig ging ich auf das Trümmerband am Fusse der Wand zurück, um weiter südlich einen Anstieg zu suchen. Und wirklich öffnete sich der Fels schon nach wenigen Tritten zu einem ersteigbaren Kamin, oben von einem Felsloch geschlossen. An letzterem wurde nun der Unmuth über den früheren Misserfolg ausgelassen, indem ich mich trotz seiner Enge sammt dem Rucksack hindurchzwang. Hinter dem Loch führte eine mit weichem Schnee erfüllte Schlucht gegen Norden auf eine zweite, der unteren ganz ähnliche Felsstufe. Von hier aus auf schwindligen Trümmerbändern der Nord-(Vomperloch-) Seite vorgehend und zuletzt gerade emporkletternd, wurde der westliche Eckpunkt der Grossen Bettelwurfspitze erreicht. Nun galt es noch den Gratübergang zum höchsten Punkt zu bewerkstelligen. Ein spitzer Kammeinschnitt bot zwar keine Schwierigkeit, unangenehmer waren aber die über den 10001100 Meter hohen nördlichen Steilabsturz ins Vomperloch vortretenden Schneewächten, die Vorsicht erforderten und mangels eines Stockes zu häufigem Kriechen zwangen. Endlich tauchte das Steinmännchen des höchsten Punktes auf gleichzeitig hüllte mich aber Nebel ein. Schnee begann zu fallen und Wie durch einen Schleier  winkte das nahe Ziel.
Um 5h 20m abends war die Grosse Bettelwurfspitze erstiegen. Von Schneeflocken umwallt, kauerte ich mich müde neben dem Steinmännchen nieder, um vor Allem den heftig knurrenden Magen zu befriedigen. Und während dieser Thätigkeit flogen die Blicke im Kreise umher, die Fernsicht zu mustern. Ich war von ihr wahrhaft überrascht und fand sie ebenso grossartig als prächtig. In der Tiefe das grüne, schöne ThaI des Inn, besäet mit Städten und Dörfern, darüber die üppigen Terassen des liebreizenden Mittelgebirges, fernerhin der dunkle Wald, umsäumt von der helleren Region der Alpenmatten, und das Ganze schliesslich gekrönt von der mächtigen, weissblinkenden Gletscherkette, die im fernen Osten auftaucht und quer durch Tirol ziehend, im Westen verschwindet, ein Bild von gewaltiger Wirkung.

 

Natürlich ist der heutige Klettersteig anders angelegt als Gsaller seine Erstbegehung beschreibt (sie dürfte auch etwas weiter südlich des heutigen Klettersteiges gelegen haben, denn er erwähnt, daß erst oben die Abstürze ins Vomperloch bedrohlich waren). Das Ziel war jedoch das gleiche und wer den Übergang heutzutage geht, der muß unweigerlich die hohe Leistung eines Alleingehers mit mittelmäßiger Ausrüstung erkennen.

wenig oft fotografierter hinterer Gipfel des Kleinen Bettelwurf

In einem weiteren Artikel werde ich mich mit Gsallers Anstieg von den Herrenhäusern auf den Kleinen Bettelwurf befassen. Soviel sei vorweggenommen, er hatte mit den selben Problemen wie H. v. Barth mit der Erstersteigung des Großen Bettelwurfes zu kämpfen und die Schwierigkeiten sind geleitet von der Sicht im spitzen Winkel auf die beiden Gipfel.

Mils, 13.07.2013