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Venter Skirunde

Eine schier unglaubliche Strecke verbirgt sich hinter dem harmlos klingenden Titel der „Venter Skirunde“. Die originale Venter Skirunde misst 72 km an Strecke und erstreckt sich über knapp 6.000 Hm Aufstieg, fünf Tage Dauer und vier Hüttenübernachtungen.
Glücklich, wer die Zeit dafür aufbringen kann, um die phantastische Gletscherwelt so lange ununterbrochen bereisen zu können.

Start am Parkplatz beim Sessellift in Vent

Unsere Ausgabe der Venter Skirunde umfasste nicht die Originalstrecke, sie war verkürzt für vier Tage geplant. Leider musste wegen Schneemangel und gesundheitlicher Beeinträchtigung der vierte Tag ins Wasser fallen, sodaß drei der vier geplanten von fünf originalen Hauptgipfeln des Originals bestiegen werden konnten.

Die Tourengruppe: Florian, Rainer Mathias, Christian, Herwig

Der von uns bereiste Teil der Venter Skirunde umfaßte 54,7 km und 3.510 Hm Aufstieg (ohne Liftfahrt auf das Teufelsegg, die wegen Vereisung auf der nordseitigen Abfahrt auf den Hintereisferner auf der Normalroute unternommen wurde).

entlang am präparierten Weg zur Martin Busch Hütte

Zwei Hüttenübernachtungen bildeten die Stützpunkte zu den Aufstiegen. Am ersten Tag wartete ein langer Aufstieg über gut 12 km von Vent, vorbei an der Martin Busch Hütte auf die Similaunhütte, die einen Steinwurf hinter der Grenze in Südtirol liegt.
Am zweiten Tag trifft man auf der Schönen Aussicht Hütte ein, die hinter dem Hochjochsattel ebenfalls in Südtirol liegt.
Den Abschluss unserer Hüttenaufenthalte sollte das Hochjoch Hospiz bilden, jedoch mußte die Tour unterhalb der Hütte abgebrochen werden und der Abstieg ins Tal nach Vent erfolgen.

Erster Tag – Aufstieg von Vent

Berufsbedingt konnte die Abfahrt in Innsbruck kurz nach acht Uhr beginnen. Während der Anfahrt über die Bundesstraße machte uns vor Ötz eine Felsräumung zeitlich zu schaffen, sodaß der Parkplatz (20.- für vier Tage) am Sessellift in Vent auf genau 1.885 m erst gegen halb elf verlassen werden konnte.

Das schöne Wetter in diesem so ungewöhnlich sonnigen März trieb uns unter der Last der schweren Rucksäcke gleich beim Aufstieg unterhalb des Schleppliftes ins Niedertal den Schweiß aus den Poren.

Rast bei der Jagdhütte

Nach den ersten 100 m Aufstieg zieht sich der zum Fußgängerweg präparierte Weg über einige Kilometer mit einem ständigen leichten Auf und Ab taleinwärts. Diese Strecke ist ein schöner Auftakt, um sich auf die enorme Weite der hintersten Riesen der Ötztaler einzustimmen. Zu schnellen Schrittes erledigten wir diesen ersten Abschnitt, wodurch sich im anschließenden, etwas unangenehmen schrägen Teil der Talwanderung erste Verschleißerscheinungen bemerkbar machten.

Etwa dreieinhalb Kilometer talein oder nach etwa einer guten Stunde wird eine Jagdhütte erreicht, bei der wir eine Trinkpause einlegten. Von dort aus kann der Similaungipfel bereits eindrucksvoll in Augenschein genommen werden.

Mathias bei einer Trinkpause, im Hintergrund Florian

Bald danach endet der schön präparierte Weg, die Schiroute beginnt unter ständiger Hangneigung. Vorbei an einem ausgeklügelt lawinengeschützt errichteten Hirtengebäude (fünf Kilometer nach dem Start) wechselte die abschüssige Spur in steileres Gelände mit ungünstiger Belastung auf das rechte Bein.

beeindruckende Schäferhütte

Mit dem 60 m Seil am Rucksack dauerte es nicht lange, bis sich beim Verfasser die rechte Ferse zu Wort meldete und beklagte, wesentlich mehr Last übernehmen zu müssen als deren linke Schwester. Daraufhin wurde natürlich alles Mögliche versucht, um einen Ausgleich zu schaffen – jedoch vergeblich, die Schmerzen verstärkten sich und nagten so lange am Willen, bis der Besitzer der Ferse Erleichterung schaffte und das Seil zum weiteren Transport abgab. Mit diesem rein psychologischen Trick verbesserte sich die Situation noch nicht besonders, sie verschlechterte sie aber auch nicht.

Autor mit dem Seil und beginnender Überlastung der rechten Ferse

Florian kämpfte mit seinen Tourenschuhen schon wesentlich stärker und mußte auf der Martin Busch Hütte an beiden Innenseiten unterhalb der Knöchel die größten Blasenpflaster auflegen, die Herwig mitgebracht hatte. Schöne Aussichten für eine Mehrtagestour kündigten sich also bereits in den ersten Stunden des Aufstiegs an.

das abschüssige Terrain ist nicht zu unterschätzen – die Martin Busch Hütte bald erreicht

Mittlerweile, bereits vor der Martin Busch Hütte, war uns allen klar, daß der Aufstieg auf den Similaun am heutigen Tag nichts mehr werden würde. Die unbarmherzige Temperatur um die Mittagszeit im Anstieg hatte uns nebenbei auch ganz schön mürbe gemacht. Somit war nach 7,5 km und 600 Hm Aufstieg gegen 14 Uhr auf der Hütte klar, daß keine 1.100 m auf den Gipfel des Similaun mehr drin waren, sondern dieser anderntags in der Früh erstiegen werden wird.

an der Martin Busch Hütte

Unter verarzteten Füßen stieg Florian tapfer weiter, nun über eine lange Strecke durch das zunächst flache und auffällig breit werdende Niedertal, deutliche Spuren der langen Vergletscherung und der Talausformung durch die Eismassen vom mächtigen Niederjochferner des Similaun. 4,3 km misst die Strecke von der Martin Busch Hütte bis zur Similaunhütte, und 530 Hm Aufstieg mit kleinsten Höhenverlusten.

herrlich zeitloses Aufstiegsgelände durch das innere Niedertal

Gleichzeitig mußten wir uns auch nicht mehr beeilen und legten zwei Pausen in der schwächer werdenden Sonne ein, die zuversichtliche Gesichter zeigten.
Am späten Nachmittag, gegen halb fünf trafen wir auf der Similaunhütte ein. Den gesamten Anstieg von Vent zeichnete die Suunto Vector des Verfassers mit 5:53 Stunden und 1.165 m Anstieg auf und exakt dieselbe Anstiegshöhe, sowie 12,17 km Strecke die Sportuhr von Herwig.

Rast im hinteren Niedertal am Weg zur Similaunhütte

Beim Anblick des abendlichen Similaungipfels wurde rasch deutlich, daß sich eine 1.700 Hm Tour, jenseits der 3.000er Grenze, mit einem Abmarsch um halb elf Uhr nicht verträgt. Zumindest konnte der mächtige Gipfel und sein Anstieg von der Terrasse aus studiert und genossen werden.

etwas ansteilende Partie auf das Niederjoch zur Similaunhütte

Mathias und Florian erreichten die Hütte wenig später und zur Feier des Tages gab es einen Südtiroler Zirberler zum Forst auf der Terrasse, auf der sich die Temperaturen mit dem Sonnenuntergang empfindlich senkten und wir die warme Hütte aufsuchten.

Similaun in Spätnachmittagsstimmung

Mit Franzosen in der Mehrzahl der Berggäste und Oberösterreichern in der Minderzahl teilten wir die Gaststube zum Abendessen, mit Ersteren auch das Bettenlager. Die Hüttenwirtsleute bereiteten ein g’schmackiges, empfehlenswertes Abendessen aus „Scheps“ aus eigener Landwirtschaft (so Hüttenwirt Markus aus dem Schnalstal), nordtirolerisch kennt man den Schafsbraten mit leichter Nuance unter „Schöpsernes“, das tatsächlich nicht danach roch und den Verfasser an die Mahlzeiten in der Türkei anno 1982 erinnerte, wo niemals ein muffig riechendes Schaf serviert wurde, weil es dort kein Grünfutter erwischt. Tatsächlich beherrschen die Hüttenwirtsleute die Kunst Schaffleisch zu bereiten das nicht riecht, und zwar ließ man uns wissen, daß es ein paar Monate vor der Schlachtung nur mehr mit Heu gefüttert wird. Welch Erkenntnis nach so vielen Jahren auf solch ungewöhnlichem Ort und so vielen abgelehnten Schafsbraten seither.

Ankunft auf der Similaunhütte

Mit fortschreitendem Abend – und einer Flasche besten Lagrein Rotweins – entdeckten wir im Gespräch mit der netten Hüttenwirtin sogar noch die Gemeinsamkeit der Bekanntschaft der Familien durch Herwigs und des Verfassers Tante Martha, einst Lehrerin zu Vent, die beide Töchter der Hüttenwirtin in Handarbeit unterrichtete. Ein gelungener Hüttenabend mit netten Gastgebern der Similaunhütte.

Log des ersten Tages – 12 km von Vent auf die Similaunhütte (1 – Martin Busch Hütte)

Zu den Gipfeln auf unserer Skirunde gibt es verlinkte Detailbereichte, siehe weiteren Text.

Zweiter Tag – Aufstieg auf den Similaun und auf die Fineilspitze

Einige Ausrüstung ließen wir auf der Hütte zurück, unter anderem das Seil. Mit nächtlicher Besserung der Blasen versuchte Florian den Aufstieg, mußte aber nach dem kurzen Abstieg durch die Felsen auf den Gletscher aufgeben.

Aufbruch zum Similaun

Zu viert unternahmen wir also den Anstieg quer über den stellenweise leicht sichtbaren Niederjochferner auf dessen Ostschulter und dann nach Süden zum Schidepot. Von dort mit Steigeisen über den leichten Grat zum Gipfel des Similaun und zurück zur Hütte.

Detailbericht Similaun

Herwig am Similaun

Auf der Similaunhütte zurück gönnten wir uns gegen mittags eine zünftige Nudelsuppe mit Rindfleisch oder Würstel, die kaum zu bewältigen war.
Mathias entschied sich mit uns drei den Aufstieg auf die Fineilspitze zu unternehmen und dann zur Similaunhütte zurückzukehren, um mit Florian die Ausfahrt aus dem Niedertal und die Heimreise ab Vent anzutreten. Es war mittlerweile bereits bewußt, daß Florian die Skirunde nicht weiter fortsetzen können werde und da beide mit Mathias‘ Fahrzeug angereist sind, wollten sie auch gemeinsam abbrechen. Florians Seil trat ebenfalls die Heimreise an, wir drei waren uns sicher, daß wir es nicht benötigen würden.

Bezüglich des Seils hatten wir uns bei der Vorbesprechung nicht glücklich entschieden, ein einziges mit einer zu großen Länge zu verwenden. Für fünf Mann wäre es zwar gut gewesen, jedoch nahm der Verfasser aus der entstandenen Situation die Erkenntnis mit nie mehr ein Seil für alle zu wählen, sondern mehrere kurze Seile, sodaß die Möglichkeiten vielfältiger werden und der Transport erträglicher (wir sprechen vom 9 mm Einfachseil). Selbst bei fünf Mann könnten zwei hinter einer Dreiergruppe gehen, wodurch das längere Seil mit max. 30 m leicht ausreichen würde.
Weiter sei hier erwähnt, daß zum Zeitpunkt unserer Begehung keine offenen Spalten gesichtet wurden und die Oberflächen am Similaun mit hartgefrorenen Windgangln überzogen.

Abfahrt zum Ausgangspunkt auf die Fineilspitze

Zur Fineilspitze muß von der Similaunhütte etwa 700 m und etwa 100 Hm Richtung Norden ins Niedertal abgefahren werden, um den Jochköfel zu umfahren und im Tal dahinter auf das Hauslabjoch aufsteigen zu können.

Aufstieg zum Hauslabjoch (Ötzi Fundstelle heute im Geröll links der Bildmitte)

Vom Hauslabjoch wird eine Grube umgangen, die zur Nordostflanke der Fineilspitze führt. Der Aufstieg in der Flanke erfolgte im unteren Teil im Schnee, weiter oben in Fels und wieder im Schnee bis zum Grat und von dort im Mix zwischen beiden bis zum schmalen Gipfel.

Mathias auf der Fineilspitze

Nach der Rückkehr auf dem Plateau nördlich des Hauslabjoches verabschiedeten wir uns von Mathias, der den Rückweg zur Similaunhütte antrat, um mit Florian die gut 12 km Ausfahrt nach Vent anzutreten. Wir drei setzten die Skirunde mit der Abfahrt zur Schönen Aussicht Hütte über den Hochjochferner fort und erreichten die Hütte um 17 Uhr nach 1.315 m Aufstieg, 13,9 km Strecke und 9:10 Marschzeit.

Detailbericht Fineilspitze

Abfahrt über den riesigen Hochjochferner zum Hochjoch

Mit dem Vorzug, ein Dreibettzimmer zu haben, bezogen wir unser Nachtlager. Auf der Schönen Aussicht Hütte leistet man sich den Luxus einer Sauna und eines beheizten Holzbeckens vor der Hütte, das von den meisten Gästen gestürmt wurde und sich der Duschbereich dafür herrlich unterbevölkert zeigte.

Auffellpunkt nach der Abfahrt vom Hochjochferner; in der Ferne Schöne Aussicht Hütte

Eine weitere köstliche Flasche Lagrein wählten wir zum perfekt gegarten Schweinsfilet und den vorher gereichten, mit Peperonciniöl verschärften Knoblauchnudeln, sie waren seit Langem die Erlesensten in des Verfassers Erinnerung.
Diesmal überwiegten die Oberösterreicher in der Zahl die Franzosen weit und trotz deutlich in der Minderzahl schafften es einheimische Südtiroler Burschen nach reichlichem Genuss von Forst und dem Verlust von Anstand, die gesamte Hütte bis weit nach Mitternacht munter zu halten.

Dritter Tag – Aufstieg auf die Weißkugel

Ein weiterer sonniger Tag führte uns zum Highlight unserer Skirunde, der Weißkugel.
Die originale Route von der Schönen Aussicht Hütte auf den Hochpunkt „Im Hinteren Eis“ mit der Abfahrt auf den Hintereisferner wird nach den Aussagen des Hüttenwirts kaum mehr begangen, weil die Nordseite hinab zum Ferner eisblank wurde und die Abfahrt dadurch nicht mehr möglich ist.

Aufstieg von der Bergstation Sessellift auf das Teufelsegg; im Hintergrund Fineilspitze

Die neue Route führe über das Teufelsegg und er empfahl die Abfahrt über etwa 200 hm auf der Piste des Gletscherschigebietes zur Talstation des Sesselliftes Teufelsegg und die Auffahrt damit. Wir folgten seinem Rat und investierten 7.- in die kurze Liftfahrt. Am Lift kann man die Schiroute von der Schönen Aussicht Hütte bis zur Bergstation sehen; das ist eine weitere Möglichkeit mit etwa 200 m Aufstieg zur Bergstation des Liftes.

Weißkugel mit Hintereisferner im Vordergrund

Der Rest zum Grat wird unter Schi aufgestiegen und jenseits auf den Hintereisferner abgefahren, bevor der lange Aufstieg zur Weißkugel beginnt.
Nach dem Hintereisjoch wird die steil werdenden Rampe aufgestiegen, bevor es flach zum Schidepot vor dem felsigen Gipfelgrat weitergeht und in leichter Kletterei auf den Gipfel der Weißkugel.

Herwig auf der Weißkugel

Detailbericht Weißkugel

Die lange Abfahrt über den Hintereisferner bleibt als eindrucksvolles Erlebnis haften.
Wir hatten den Vorzug über eine sonderbare Landschaft zum Hochjoch Hospitz auszufahren, die man in dieser Form nicht alle Tage antreffen kann, allerdings auch den Wermutstropfen feststellen zu müssen, daß für unsere weitere Tour das Tragen der Schi über eine signifikant hohe Geländestufe erforderlich gewesen wäre.

Ende des Hintereisferners mit Moränenmaterial der Lawinen des Winters

Gleichzeitig klagte Christian über sein Wohlbefinden, sodaß wir gegen Nachmittag bei der Stahlbrücke unter der Hütte schweren Herzens beschlossen das Lager abzusagen und nach Vent auszufahren.
Von „fahren“ konnte wenig Rede sein, denn auf der Höhe von 2.400 m erwies sich der Südhang im Rofental als weitgehend aper und so wurde unsere Ausfahrt ein Mix aus etwa zehnmal dem Wechsel zwischen Tragen und Fahren.

nach dem Hochjoch Hospiz

Um 18 Uhr erreichten wir den Parkplatz in Vent, leider einen Tag zu früh und etwas lädiert durch eine Verkühlung. Die beeindruckende Tagesstrecke betrug 28,6 km (vorwiegend in Abfahrt angefallen), dabei wurden 1.030 m aufgestiegen und die Skirunde mit 8:57 Stunden Marschzeit abgeschlossen.

Ausfahrt oder Marsch aus dem Rofental nach Vent

Die Venter Skirunde stellt ein besonderes Erlebnis dar, besonders bei den Wetterverhältnissen, die wir vorfinden durften. Die Weitläufigkeit und Schönheit der kühnen Schneiden aus Gneisen und Schiefergneisen der Ötztaler Alpen treten als bleibendes Erlebnis in den Vordergrund.

ein letzter Blick auf die Wildspitze

Die Hüttenaufenthalte waren durchwegs positiv. Leider konnte die Runde nicht auf dem sagenhaft riesigen Verbund von Kesselwand- und Gepatschferner beendet werden.

Übersichtskarte der geplanten Venter Skirunde mit strichliertem Aufstieg auf den nicht mehr absolvierten Fluchtkogel am 4. Tag

Diese Etappe muß unbedingt nachgeholt und mit dem fünften Tag der Skirunde, dem der Wildspitze, verbunden werden.

Mils, 26.03.2022