Vom Hahntennjoch aus stellen diese beiden Ziele eine leichte Gratwanderung dar, deren besonderer Reiz im kurzen Anstieg, in den wenigen und kurzen, etwas pfiffigeren Passagen am Grat und in der grandiosen Herbstlandschaft der Lechtaler Alpen liegt. Ideal für eine etwas ausgedehntere Halbtagestour, für eine Tour ohne langen Anstieg und für solche, die sich von ihrer Verkühlung noch nicht vollends erholt haben, also ideal für des Autors Voraussetzungen dieser Tage.
Die beiden Ziele liegen im Gebirgszug der Heiterwand, einer gewaltige Wettersteinkalkkette mit über 7km Länge inmitten dem Hauptgebirgsbildner der Lechtaler Alpen, dem Hauptdolomit. Anm.: Die Heiterwand wäre laut AV-Führer die längste geschlossene Wand in den Nördlichen Kalkalpen, die eine Mindesthöhe von 2400 m an keiner Stelle unterschreitet. Man muß mit solchen Aussagen vorsichtig sein, denn vom AV-Führer gibt es eine ähnliche Aussage über die Laliderer Wände im Karwendel. Bei der Heiterwand dürfte wohl die „Wand“ im klassischen Sinn über Teile der Gesamtlänge zur „Flanke“ werden, dann scheint der Sinn wieder hergestellt zu sein.
Den Ausgangspunkt, das Hahntennjoch (1.894m), verließen wir gegen 8:15 bei mäßiger, aber für die Jahreszeit angenehmer Temperatur. Ein wärmender Nebeneffekt der Tour ist die sofortige Sonnenbestrahlung durch den Aufstieg am reinen Südhang und die hohe Ausgangslage.
Etwa 10min nach Verlassen des Parkplatzes tauchten wir in Sonnenlicht ein und nach einigen Minuten konnten wir uns der Windjacken entledigen. Mit etwas Thermik nahmen Simon und der Autor den Latschenhang und die bräunlich gelben Bergwiesen darüber, hinauf zum Steinjöchle, dem Übergang zur Anhalterhütte und in das Namlosertal.
Ein toller Blick in das Herz der Lechtaler Alpen gen Norden begeistert am Steinjöchle für die kurze Etappe in der Flanke bis zum sich zaghaft ausbildenden Maldongrat.
Ist man einmal am Maldongrat angelangt erfreut man sich stetiger Zunahme der Gratausbildung und der beginnenden leichten Kletterpassagen.
Bald wird auch durch die steile Nordflanke der Gipfel sichtbar. Der Grat wartet mit zwei recht angenehmen leichten Kletterstellen auf. Die erste ist eine steile Wand, bei der man der senkrechten Passage durch eine bandartige Rampe mit einem kleinen Köpfchen rechts hinausquert und somit einige Meter weg vom Grat, das Gehgelände oberhalb wieder erreicht.
Die zweite Stelle liegt vor der letzten Einschartung vor dem Gipfel und besteht aus einer etwas luftigen, glatten aber wenig scharfen Schneide über etwa vier bis fünf Meter Länge. Nach Belieben wird das Gratstück nordseitig, südseitig, oder im Reiterstil bezwungen.
Jenseits davon befindet sich eine ideale Stelle für den Spreizschritt zum gegenüberliegenden Teil der Scharte, dem ein etwa drei Meter hoher senkrechter Teil folgt, mit wieder Gehgelände oberhalb derselben.
Der restliche Aufstieg zum Maldongrat, oder der Maldonspitze (wie er auch genannt wird), besteht vorwiegend aus Gehgelände mit wenigen leichten Kletterstellen – gerade so, daß die Arme ab und zu verwendet werden.
Gleich am Gipfel erspäht das stets abenteuerlustige Gratkletterauge ein nächstes Ziel – jenes der Gabelspitze. Rein optisch von dort aus etwa auf gleicher Höhe wie die Maldonspitze mit einladend aufgerichtetem Gipfelkreuz.
Nicht den Hauch von Zweifel aufkommend lassen, konnten wir nicht widerstehen an diesem so perfekten Bergtag das nächste Ziel im Nordosten mitzunehmen und nach einer nur kurzen Pause die Überschreitung anzutreten.
Vom etwas verwahrlosten Gipfelkreuz des Maldongrates brachen wir über großzügiges Gehgelände am Grat auf in die tiefe Einschartung zwischen den beiden Gipfeln abzusteigen. Als „tief“ empfand der Autor den Abstieg im Bewußtsein der gesundheitlich noch nicht wiedererlangten Leistungsfähigkeit, da dieser auch im jenseitigen Aufstieg sowie ein weiteres Mal am Rückweg seine Wirkung tun würde. In Wirklichkeit dürfte der Abstieg max. etwa 80Hm betragen. Der Abstieg leitet im oberen Teil knapp neben dem Grat leicht in die Nordflanke, auch weil in der Einschartung unten sich der Grat nach weiter nach Nordosten wendet.
Die tiefste Einschartung ist durch ein auffällig üppiges Wiesenband, das auch beide Seiten der Scharte bedeckt. Von dort geht es wieder die restliche Gratstrecke hinauf, großteils im Gehgelände ohne nennenswerte Kletternotwendigkeit.
Gegen den Gipfelaufbau hin wird noch einmal ein nettes Köpfchen mit einigen Zacken in der Folge erreicht, die leicht zu begehen sind, sich aber vom bisherigen Gratgelände optisch eindrucksvoller abheben.
Der Gipfelaufbau wartet mit einer kurzen Schotterrinne im oberen Teil auf. Bergseitig, im festen Fels, steigt es sich komfortabler darüber hinweg und ab der Scharte oben wartet bis zum Gipfel durchgehend ein etwas anspruchsvolleres Gelände.
Von der Scharte aus kann der Gipfel gut eingesehen werden. Um dorthin zu gelangen muß ein gestreckter schmaler Gratteil überwunden werden, der nicht direkt erklettert werden kann (zumindest haben wir allein aufgrund seiner Gestalt nicht versucht).
Im Aufstieg erschien uns die gut einsehbare Nordflanke als der Normalweg um den Gratteil herum. Also stiegen wir über die plattige Flanke zur Scharte hinab und fanden sofort ein breites Band das mit wenig Höhensprung bis knapp ans Ende des zu umgehenden Gratteiles führte.
Dort, kurz vor dem Ende der Umgehung mußten wir nach der schönen Querung nun widerwillig einige Meter absteigen, um auf eine steile Schotterflanke zu gelangen, die wieder zur Schartenhöhe und zum Gipfelaufbau führt. Von der breiten Scharte aus führt großteils leichte Kletterei, weniger Gehgelände, zum Gipfel empor.
Der Ausblick auf der Gabelspitze, vor allem in Richtung Heiterwand, ist nochmals schöner und intensiver als von der Maldonspitze aus, da nun auf einer einzigen Flucht gelegen.
Natürlich wäre das Herz nun gerne noch einen Sprung weitergehüpft und zwar auf den Ostgipfel der Steinmannlwand oder auf den Heiterwandkopf – aber das wird eine andere Geschichte mit besserer Verfassung nächsten Sommer.
Der Süden wartet hinter der unmittelbar mit einem grandiosen Blick auf den großen Gletscher der 56km entfernten Weißkugel auf und rechts (westlich) daneben mit dem weniger weit entfernten Glockturm.
Südsüdost lugt zwischen Rofelewand und Verpeilspitze die Wildspitze durch und weiter im Südosten tat sich ein verblüffend offener Blick auf das Herz der Stubaier mit Wildem Pfaff und Zuckerhütl auf sowie links davon eine dichte Packung von Schrankogel und Ruderhofspitze.
Weiters konnte an diesem so klaren Tag – über die Kalkkögel hinweg – auf etwa Ostsüdost der 79km entfernte Olperer deutlich eingesehen werden.
Im unmittelbaren Süden beeindruckt der wild gezackte Grat von Platteinspitze zum Maldonkopf und im Südwesten der mit Resten von Gosauschichten (Anm.: geolog. junge Formation) bedeckte Muttekopf sowie der Große Schlenker.
Gen Westen sticht der einzige Dreitausender der Lechtaler Alpen, die Parseierspitze (3.036m) ins Auge. Ihre Höhe verdankt sie den harten und witterungsresistenten Schichten des Aptychenkalks (Anm.: Reste von Ammonitenskeletten, zu besonders hartem Kalk versteinert) in der Gipfelregion.
Von Norden bis Nordwesten bestechen die unmittelbar gegenüber gelegene Namloser Wetterspitze, sowie in weiterer Ferne der markante Gipfel des Hochvogels (bereits Allgäuer Alpen) und in der Kette weiter westwärts den ebenfalls markanten Turm der Urbeleskarspitze bis hin zum Großen Krottenkopf und der Mädelegabel. Der Rundumblick – eine Pracht!
Simon widmete sich mit dem Glas dem Studium des interessanten und schärfer werdenden Grates in Richtung Heiterwandkopf. Von Osten her hat er die Heiterwand schon zum Teil überschritten und deren Vollendung wird ein gemeinsames Vorhaben der nächsten Saison sein.
Am Abstieg probierten wir die Querung in der Südseite des scharfen Gratteiles, da ein ortskundiger Kollege, den wir am Gipfel getroffen haben, bei seinem Abstieg in derselben verschwunden ist. Knapp hinter der Felskante in der Scharte fanden dort drei Steinmandln vor, die uns die Südseite als die Normalbegehung der steilen Flanken des scharfen Gratteiles auswies.
Die Kletterei ist dort etwas ausgesetzter als in der Nordseite, der Übergang jedoch schöner zum Klettern und mit etwas weniger Höhenverlust meist auf einem Band durchzuführen. Das letzte Steinmandl zur Scharte hin haben wir beim Aufstieg nicht erkannt und somit beim Aufstieg die Nordseite benutzt.
Dieser Teil stellt den eigentlich einzigen Teil mit vorwiegend Kletterei dar und man kann diesen letzten Bereich des Gipfelaufbaues der Gabelspitze mit II- einstufen. Der Rückweg ist mit Ausnahme der beiden oben beschriebenen Stellen am Maldongrat leichter.
Die Tour kann für Neulinge mit Interesse am Gratklettererlebnis wärmstens empfohlen werden. Sicherungsmittel sollten für den schwindelfreien klettergeübten Felsgeher nicht vonnöten sein.
Für unsere gesamte Grattour benötigten wir 5:20 Stunden (bei gemäßigtem Schritt, nicht unsere Normalgeschwindigkeit) bei etwa 950Hm gesamtem Aufstieg.
Mils, 27.10.2019