Muttekopfüberschreitung – vom Südostgrat bis zum Hinteren Alpjoch

Von besonderem Eindruck sind die Ausprägungen der vielfältigen Gosaugesteine, die das Gebiet des Muttekopfs oberhalb von Imst bilden. Die Schönheit der Formen und Farben dieses turbulenten Abschnittes der Erdgeschichte wirken magisch auf den Naturinteressierten und schüren den Willen sie erkunden zu wollen. Einen guten Gesamteindruck dieser geologischen Besonderheit inmitten der Nördlichen Kalkalpen bietet die Überschreitung des gesamten Kessels, der um die Muttekopfhütte gebildet wird. Abschnittsweise Kletterei in mäßig schwierigem Gratgelände wertet die Runde zum unvergesslichen Abenteuer aus.

herrlich festes Gelände am Grat

Zwei Möglichkeiten bestehen für den Aufstieg zur Muttekopfhütte – bei den Einheimischen kurz die Muttehütte.
Vom Parkplatz der Imster Bergbahnen in Hochimst benötigt man etwa 90 min für den gut 500 Hm betragenden Anstieg bis zur Obermarkter Alm. Dieser Anstieg eignet sich für die lange Runde nur für den Konditionsstarken, der das Gelände kennt. Sie kann aber durch die Anreise mit dem Fahrzeug bis zum Parkplatz der Obermarkter Alm vermieden werden. Hierzu nimmt man die Abzweigung auf die Almstraße von der Landesstraße zum Hahntennjoch, nähere Details dazu hier.

aufwändige und haltbare Konstruktion des schönen Gipfelkreuzes am Muttekopf

Ausgehend vom Parkplatz unterhalb der Obermarkter Alm wird zunächst die bereits von unten sichtbare und schön gelegene Muttehütte erstiegen. Bereits im Anstieg können die verschiedenst ausgeprägten Gesteine am Weg und vor allem in den Bachläufen bewundert werden. Die Hütte bleibt vorerst rechts liegen und dem Steig nach Westen auf die sogenannte Schaflanne gefolgt.

Muttekopf im Morgenlicht

Dabei passierten wir eine schöne landschaftliche Szenerie oberhalb der Hütte, genau bei ihrer Wasserfassung, wo Gosauschichten den Malchbach zu einem kleinen Wasserfall mit Unterhöhlung ausgebildet haben. Nach wenigen Minuten des Aufstiegs wird flacheres Terrain erreicht, das mit einer Weggabelung aufwartet. Rechts steigen wir noch ein paar Minuten an, der Steig links führt auf das Hintere Alpjoch, unserem Rückweg.

Wasserfassung oberhalb der Muttehütte

Den Steig rechts verlassen wir bei der Flurbezeichnung „Schaflanne“ zwischen zwei felsigen Rippen, die sich durch das wiesenbewachsene Gelände herunterziehen. Weglos stiegen wir zunächst den steilen Hang hinauf, bevor wir oben nordöstlich umbogen und dem Südostgrat zuwanderten. Dabei durchschritten wir ein schönes Feld von Sandsteinblöcken, ein Zeitabschnitt der Gosau.

unterster Teil des Südostgrates mit langem, steilem Aufstieg

Weiter oben, nahe der Grathöhe, fanden wir dann auch den alten Steig, der im Alpenvereinsführer1 beschrieben ist. Teilweise sind die Steigabschnitte noch gut zu erkennen, teilweise fehlen sie durch seltene Begehung. In jedem Fall stimmt die Aussage des Führers „ungleich schöner ist der Aufstieg über den Südostgrat“. Alleine die Aussicht im unteren Teil besticht und der obere Teil im Fels bietet vielfältiges Gelände.

Rückblick auf den Normalanstieg im Seabrigkar

Die beträchtliche Steilheit des Südostgrates ließ uns einige Verschnaufpausen einlegen, bzw. nahm der Autor sich diese heraus, auch um die Fotodokumentation zu pflegen. Im Osten begleitet den Bergsteiger der phänomenal schöne Grat von der Vorderen zur Hinteren Platteinspitze, die eine mäßig schwierige bis schwierige Bergfahrt darstellt, je nach Wahl der Nähe zum Grat.

schier endlos über grüne Wiesen

Im Westen breitet sich der schöne Kessel rund um die Muttehütte bzw. um das „Seabrig“, den begrünten Talkessel in der Tiefe aus. Die Begehung der Umrahmung des Seabrigkars lag vor uns und damit eine unbekannte und verheißungsvolle hochalpine Strecke die es zu erkunden galt.

die Blicke zu den Seiten wirken bereits im Anstieg phantastisch; Sandsteinblockfeld im Vordergrund

Der obere Teil des Südostgrates kann von den grünen Wiesen im unteren Teil nicht eingesehen werden, welches einiges über die Steilheit des Grates aussagt. So empfanden wir den oberen Teil erst als erreicht, als wir an einer Art Einstieg in die Felsstrecke ankamen. Das Wiesengelände endet dort plötzlich und eine seichte, schuttbeladene Rinne mit mannigfachem Gestein breitet sich unvermindert steil vor den Augen aus.

am oberen, felsigen Teil des Muttekopf Südostgrats angelangt

Eine Geländemarke, die auf den Wechsel des Terrains hinweist, besteht aus einem markanten Turm am Grat, der von ganz unten nicht wahrgenommen, vielleicht auch gar nicht sichtbar ist. Jedenfalls möge dieser dem Erstbegeher zur Einschätzung im Aufstieg dienen.

Rückblick mit Evi, die sich freut in die Felsmulde einzusteigen

Ab dem Einstieg bleibt die Felsstrecke nichts an Interessantheit schuldig. Die prächtigen Gosaubreccien zeigen mannigfaltige Gesteinsarten. Von rotem porphyrischem Kornanteil über die massenanteilsmäßig überwiegenden Sedimentgesteine aus Dolomit und Kalk bis hin zu wieder rot gefärbtem Verrucano mit Quarzeinschlüssen werden vorgefunden, siehe Bildergalerie.

Andi voran über sagenhaftes Gelände

Am Ende der seichten Mulde, die sich nach oben hin verflacht, ändert sich der schuttbedeckte Fels hin zu abgewitterter, fester Oberfläche, die sich hervorragend per Reibungskletterei begehen läßt. Ab und zu fanden wir dann auch Steinmandln, die den ohnehin logischen Weg vorgaben.

Aufstieg über grandioses Gelände, manchmal locker, manchmal fest

Anschließend wird mit der Verflachung des Grates der Gipfelbereich sichtbar. Ein Absatz einer vom Grat sich abhebenden schrägen Rippe muß bewältigt werden. Diesen kann man, wie Andi, rückwärts abklettern und springt etwa eineinhalb Meter herunter, oder umgeht in rechts (ostseitig) in erdigem Gelände.

feste Reibungsbreccie gestaltet den Aufstieg abwechslungsreich

Weiters folgt eine kurze Strecke auf Plattengelände, deren gelblicher Teil von Sandstein und der darüberliegende dunkelgrauer Teil von Konglomeraten gebildet werden.

Gipfelbereich des Muttekopfs in Sicht

Drei schöne, durch Begrünung auffallende Risse ziehen über die dunkelgraue Plattenfront hinauf, wobei die mittlere oben durch ein Steinmännchen als den Normalaufstieg gekennzeichnet ist. Der obere Riss kann jedoch auch begangen werden.

herrlicher Gesteinswechsel mit Aufstieg über den mittleren Riss

Hinter dem nachfolgenden kurzen Abstieg folgt ein breiterer Gratabschnitt mit leichter Begehung bis hin zu einem Flachstück. Diesem folgt eine schöne kurze Begehung der Gratschneide, die so wie das bisherige Gelände das Herz erfreut und durchaus länger sein könnte. Am Ende dieses Abschnittes krönt ein Plattenkopf die Aufstiegsstrecke, die anschließend nur mehr auf ebenflächigem Schuttterrain zum Gipfelkreuz führt.

Rückblick auf den bisher bestiegenen Südostgrat

Am Weg zum Gipfelkreuz am Muttekopf werden am Südostgrat noch bärig anzusehende Formationen zur Rechten (nordöstlich) angetroffen, die das Wesen der Gosau richtig zur Geltung bringen.

über Schuttgelände zum Gipfel

Harte Schichten stehen der Geländeoberfläche vor, weichere werden durch Erosion schneller niedergearbeitet, wodurch sich ein Bild eines Fächers ausprägt, mehrfache Schneiden parallel hintereinander, getrennt durch tiefe Abstände dazwischen. Eine per Ende Juli noch mächtige Schneewechte im Gipfelbereich des Muttekopfs zeugt von genügend Niederschlag im vergangenen Winter.

die Fächer-Flanke und das noch immer mächtige Firnfeld am Muttekopf

Das massive Holzgipfelkreuz am Muttekopf der Imster Jungbauern aus dem Jahr 1961 ist das älteste, das dem Autor bisher untergekommen ist. Jenes am Grünstein, das ebenfalls bestens erhalten ist, wurde erst sechs Jahre später errichtet. Durch seine kunstvolle Einfassung der Balkenkanten bildet sich ein zusätzlicher faradayscher Schutz zum umfassenden Blitzableitsystem.

Muttekopf, 2.774 m

Zu Recht spricht der AV-Führer vom Muttekopf von einem Aussichtsgipfel ersten Ranges. Der Peak Finder verheißt 2.097 sichtbare Gipfel mit einer Maximalentfernung von 279 km und wenn man diese rein mathematische Ermittlung auf das menschliche Auge reduziert, dann bleiben immer noch Hunderte Gipfel über.

Blick gen Norden auf das Bschlabertal

Die am weitest entfernten und allgemein bekannten Berge im Süden stellen der Ortler und die Cevedale dar. Bei unserer Begehung waren die beiden nicht sichtbar.

Pitztal und Fortsetzung der Ötztaler Alpen

In der näheren Umgebung heimischer Berge finden sich alle hohen Lechtaler Gipfel im Norden, sowie die Fernpassumrahmung mit dem Loreakopf und der Gartnerwand im äußersten Osten, dann die Gipfel der Mieminger Kette mit den Marienbergspitzen, die Ehrwalder Sonnenspitze, der Grünstein, und die schöne Überschreitung am Hochplattig.

Muttekopf Hauptkamm mit Heiterwand dahinter

In den Stubaier Alpen wären als bärige Gipfel der wenig weit entfernte Acherkogel, die Hohe Villerspitze, der Lüsener Fernerkogel sowie die Ruderhofspitze zu nennen.

Ötztaler Alpen im Süden

Direkt im Süden, in den Ötztaler Alpen befindet sich mit dem Wildgrat der höchste Gipfel der in direkt aufsteigender Linie vom Inntal erreicht wird. Im Herz der Ötztaler befindet sich eine wunderbare Hochtourenrunde, die sog. Venter Schirunde.

Lechtaler Alpen mit dem markanten Bergwerkskopf und der Parseierspitze als höchstem Berg der Nördlichen Kalkalpen

Gegen Südwesten hin warten mit der Parseierspitze und dem Hohen Riffler bereits lang geplante Gipfel, die aufgrund der vielen Arbeit vorerst noch warten müssen. Ein sehr schönes Unternehmen stellt die Begehung des Starkenberg- und Larsenntales über die Steinseehütte und die verborgene Scharte dar, die vom Westpunkt unserer Runde am Rotkopf schön eingesehen werden kann.

Große Schlenkerspitze und die zentralen Lechtaler Alpen

Schlussendlich muß der schönste Gipfel in der Umgebung, die grandiose Große Schlenkerspitze genannt werden. Sie stellt nicht nur eine herausragende Gestalt in den Lechtaler Alpen dar, sie ist auch alpinistisch ein herausfordernder Gipfel, der begangen werden muß.

nördliche Lechtaler Alpen

Eine halbe Stunde des Verweilens nahmen wir uns auf dem schönen Muttekopf heraus, auch zum Studium der folgenden Strecke zum Rotkopf im Südwesten. Plattenschichten, nach Süden einfallend gerichtet, kann man gut erkennen, jedoch nicht ihre Aufstiege, die aus der Perspektive vom Muttekopf nicht logischerweise an ihrem höchsten Punkt stattfinden könnten. Mit dieser Einstellung verließ der Verfasser den Muttekopf.

unsere Überschreitung vom Muttekopf zur Rotspitze

Kübelspitze, so hieß der erste Felszacken, den es auf der Überschreitung zu erklimmen galt. Sie erhebt sich südwestlich der Muttekopfscharte und sie ist namensgebend für die steilen Nordwestabstürze in das Fundeistal, die sogenannten Kübelwände.

Ansicht von Osten auf die Kübelspitze

Sie erhebt sich gerade 31 m über die Muttekopfscharte und liegt mit dieser Schartenhöhe an der Grenze, um als Gipfel benannt zu werden. In TIRIS und im neuen Kartenwerk ist wird nicht mehr als Gipfel geführt, ebenso die folgenden beiden Seabrigköpfe mit etwa gleicher Höhe.

herrliche Passage auf der Reibungsplatte

Bei Annäherung des schroff aufragenden ersten Turms am Fuß der Kübelspitze wird rasch klar, daß der Aufstieg über seine Nordwestseite erfolgen muß, die Südostseite bricht jäh in äußerst steiles Plattengelände ab. Ein breites begrüntes Band zieht nördlich auf einen griffarmen jedoch sehr rauen Felsabsatz zu, der bequem auf Reibung erklommen werden kann, bevor sich Schuttgelände nach links (ostwärts) wendet.

ein stattlicher Steinbock in Ruhestellung oberhalb des ersten Aufschwungs zur Kübelspitze

Ein paar Meter auf dem Schutt genügen, um den Aufstieg in recht festem und leicht kletterbaren Gelände zum Gipfel zu erreichen. Am Weg dorthin machten wir die seltene Bekanntschaft mit einem stattlichen Steinbock, der unsere Nähe kaum eine Minute aushielt und – es ist eigentlich nicht zu glauben, jedoch haben wir es erlebt – auf der Vorderseite des ersten Turms hinabsprang und kurz auf der Muttekopfscharte verweilte, bevor er sich in die Nordwände zurückzog.

der atemberaubende Abstieg des Königs der Berge – eine Steilflanke ersten Ranges innerhalb weniger Sekunden hinabgestiegen

Über recht festem Fels von der typischen Gosaubreccie stiegen wir zum Gipfelsteinmann auf, womit das kurze Abenteuer auf die Kübelspitze schon bewältigt wurde.

schöne Form der Kübelspitze – ihre Erklimmung ein kurzer schöner Aufstieg zum Gipfelsteinmann

Der weitere Grat enthält einen schönen Abstieg in einer Verschneidung, die gar nicht so leicht zu begehen ist, jedoch kann sie auch gerade noch nicht als schwierig eingestuft werden. Andi mit seiner enormen Reichweite hatte hier wieder einmal einen Vorteil, im Abstieg die besten Tritte bei hohen Griffen zu finden.

steiler Abstieg als erster Abschnitt des Übergangs

Hier sitzt der dünnste Teil einer vertikalen Gratplatte teilweise nicht mehr auf Felsuntergrund auf, wodurch sich durch den Spalt zwischen Untergrund und Platte ein bizarres Bild bietet, das hoffen läßt, die Platte möge während der Unterquerung stehen bleiben.

seine Reichweite ist unschlagbar…

Mit der Unterquerung der Platte gelangt man auf leichtes, begrüntes Gelände auf dem weitere Steinböcke, diesmal Jungtiere und Geißen, unsere Ankunft missbilligten und der älteste im Rudel den Fluchtpfiff ausstieß.

ein Rudel von Steinböcken tut sich an den Wiesenflecken zwischen den Felsrippen gütlich als wir durch unsere Anwesenheit die Idylle stören

Im Nu waren alle auf der Nordseite des Grates verschwunden, um kurz darauf neugierig von oben auf uns herabzuschauen. Eine bewegende Situation, die uns zum mehrfachen Festhalten anregte.

Geißen und Jungtiere posieren vor Andis Linse

Ganz dem Zauber der Erlebnisse erlegen achtete der Verfasser nicht mehr konzentriert auf den weiteren Weg am Grat, sondern ließen uns von einem Steinmandl auf der nächsten Rippe etwas tiefer in der Südflanke leiten, das etwa 15 Hm Abstieg erforderte.

Rückblick vom Steinmandl im unteren Teil der Rippe

Nach diesem sichteten wir kein weiteres Steinmandl auf der unweit liegenden nächsten Rippe und wählten den optisch besten Ein- und Aufstieg zurück auf die Grathöhe. Dies war sehr wahrscheinlich ein Fehler, denn so manövrierten wir unbewußt uns in schwieriges Gelände.

der Rudelführer bereits an strategisch wichtiger Stelle; links im Bild die Grathöhe, die möglicherweise fruchtbringender gewesen wäre, als die schuttbedeckte Flanke hinab zu steigen

Die Grathöhe als Variante und eigentlich angestrebtem Weg zog der Verfasser beim Anblick etwas tiefer in der Südflanke nicht in Betracht und querte das schuttbeladene Plattengelände.

Ansicht der abenteuerlichen Fazies der nächsten Felsrippe; am Auskeilen der untersten Platte beschloss der Verfasser einzusteigen

An der leichtest erscheinenden Stelle stiegen wir in die aufragende Rippe ein. Dort wo der unterste Rippenkeil auf den Platten aufsitzt erschien der Einstieg günstig. Der folgende Aufstieg führte entweder über eine recht griff- und trittarme Felsfläche, oder über ein Bändersystem an der Rippenkante hinauf.

Blick auf die Grathöhe; unvorstellbar, daß die direkte Gratstrecke einen mäßig schwierigen Aufstieg auf die oberste Rippenkante bieten könne

Andi, etwas hinter uns zurück wegen der Steinböcke, wählte die Felsfläche, wir wählten das Bändersystem, das recht schnell auslief und in schwieriges Gelände überging. Als wir fast schon feststeckten lugte Andi – den Steinböcken gleich – von oben herab, mit einer Distanz von gerade einmal fünf Meter. Er hatte die bessere Wahl getroffen und trotz der nicht einfachen Felsfläche das raschere Fortkommen gefunden.

Rückkehr auf die Oberseite der Rippe nach einem Versteiger auf der Stirnseite der Rippe

Zumindest wußten wir mit Andis Position oberhalb den besten Ausstieg aus der zunehmend schwieriger werdenden Wand und kletterten diese hinauf. Evi über einen Riss, der Verfasser mit höherem Standpunkt durch eine abgespaltene Platte mit schmalem Durchgang. Nach wenigen Höhenmetern hatten wir den Grat wieder erreicht und hielten Rückschau über den vermutlich falschen Weg auf den Rippenkopf.

Rückblick nach dem vermurksten Aufstieg auf die Oberkante der Rippe; in der Tiefe der wieder beruhigt liegende Steinbock

Leider konnten wir von oben den Aufstieg direkt am Grat nicht ausmachen, jedoch könnte es sein, daß er auf der Westseite verläuft. Näher erkundet haben wir die Möglichkeit zugunsten der noch verbleibenden Strecke nicht näher.

wir rätseln, ob es nordseitig einfacher gewesen wäre, gehen damit jedoch nicht in tiefere Untersuchungen

Möglich aber wäre, daß diese Rippe die Schlüsselstelle darstellt, die im Führer mit wenig aufschlussreich „…schwierig hingegen ist der Übergang vom Seebrigkopf zur unmittelbar über der Muttekopfscharte aufragenden Kübelspitze…“ beschrieben ist. Jedenfalls kann hier schon bekanntgegeben werden, daß dieser Passage bin zum Rotkopf hin keine weitere mit derselben Schwierigkeitsstufe nachfolgt.

leichter Anstieg auf den Nördliche Seabrigkopf gem. AV-Karte 2.656 m- ein Gipfel ohne Zier

Über ein paar weniger ausgeprägte und leicht zu begehende Rippen hinweg erreicht man den nördlichen der beiden im Führer beschriebenen Seabrigköpfe (Anm. d. Verf.: in der Literatur finden sich unterschiedl. Bezeichnungen – neben dem eher zutreffenden Imster Dialektwort „Saebrig“ findet sich die eher Hochdeutsch interpretierte Variante „Seebrig“. Der Ursprungsbezeichnung eher gerecht wird n. A. d. Verf. die erstere, die in diesem Bericht Verwendung findet).

Abstieg in die Einsattelung zwischen den Seabrigköpfen; unten an der nächsten Rippe die sonderbare Schöpfung mit der Glocke

Der Nördliche Seabrigkopf besitzt in der AV-Karte die Höhe 2.656 m und ist als solcher bezeichnet. Er wird in der Überschreitung kaum wahrgenommen, weswegen wir ein Bild vom südlichen und die Blicke in die Täler auf seinem Hochpunkt anfertigten, nicht jedoch vom Nördlichen Seabrigkopf selbst. Der südliche wird mit 2.661 m (gleich hoch wie die Kübelspitze) bezeichnet und zwischen beiden liegen etwa 275 m Distanz mit einem leichten Sattel mit 50 Hm Tiefe.

Abstieg vom Nördlichen Seabrigkopf im Rückblick

Bei der Überschreitung zum südlichen der beiden begegneten wir einer sonderbaren Stangenmarkierung mit Geweih und einer Glocke, deren Zweck uns sich nicht erschloss, jedoch ob deren grotesken Standortes Heiterkeit auslöste. Es gibt an dieser Stelle keinerlei Übergang, östlich Schrofen und steile Platten hinab ins Seabrigkar, westlich die wenig gangbaren Kübelwände. Der Schafhaltung im Seabrigkar kann sie auch nicht dienen, also offenbar als eine Scherzaktion der örtlichen Bergsteiger einzustufen.

Aufstieg zum Südlichen Seabrigkopf; die roten Schichten markieren den Wechsel der Gosau (2. Megazyklus -> 3.Megazyklus)

Eine mächtige Breccienrippe muß im Übergang auf- und abgestiegen werden, welche Passage eine der wenigen darstellt, bei der der Einsatz der Hände vonnöten ist. Die Rippe ist süd/nordgerichtet und ragt nur wenig dem Gratverlauf vor, sodaß der Aufstieg kurz und steil bewältigt wird und der Abstieg flacher und länger ausfällt. Eine der wenigen schönen Passagen.

auf dem Südlichen Seabrigkopf, gem. AV-Karte 2.660 m – auch hier kein Steinmann

Im Aufstieg zum Südlichen Seabrigkopf trafen wir eine breite Schicht brüchiges rötliches Gestein an, durchzogen mit härteren Schichten Sedimentgesteins. Dieser Gesteinsmarker zeigt auch den Übergang vom 2. Megazyklus des Entstehens der Gosau zum 3. Megazyklus, von H. Ortner2 beschrieben als Rotkopfdiskordanz. Die selbe Rotfärbung findet sich im Süden am Rotkopf wieder. Die Gesteine des 3. Megazyklus liegen wie in einer Wanne jenen des 2. Megazyklus auf.

schönes aber leider nur kurzes Stück schärferen Grates im Abstieg vom Südlichen Seabrigkopf – leichte Begehung über festen Fels

Der Gesteinswechsel ist auch durch Form und Eigenschaften ersichtlich. Der Südliche Seabrigkopf besteht aus härteren Breccien an der tiefer erodierte Sattel zwischen den Seabrigköpfen.
Der Aufstieg zum Südlichen Seabrigkopf erfolgt in leichter Kletterei auf großen Blöcken in recht festem Grundgestein. Der Gipfel weißt ebenso wie am nördlichen keinen erkennbaren Gipfelsteinmann auf, somit haben die beiden Seabrigköpfe kaum eine Bedeutung in der Kette.

am Ende der Gratplatte steil hinab zu einer Einschartung

Interessant und leider nur sehr kurz in seiner Länge liegt hinter der Gipfelhöhe am Abstieg auf die Einsattelung zum Rotkopf ein schöner scharfer Gratabschnitt der nochmals Freude bereitet.

Abstieg zum Schuttfeld unterhalb der Scharte und Querung auf den begrünten Gegenhang

Zu Beginn gibt es auch wieder einmal ein nicht notwendiges Steinmandl, bevor die kurze Passage zusehends steiler nach unten leitet, auf die eine Einschartung mit einem nicht begangenen niedrigeren Gratkopf folgt. Der Gratkopf wird ostseitig auf Wiesenbänder umgangen.

die letzte Rippe von der Einsattelung zum Rotkopf in Sicht

Dahinter folgt eine breite Einschartung mit weichem, schiefrigen Sedimentgestein (Mergel- Schluffstein?), die auf einen Aufschwung aus einer harten Sedimentgesteinslage mit einer Mächtigkeit von etwa acht Metern führt. Sie wird westseitig über einen schmalen Riss in leichter Kletterei erstiegen und bietet auf der Hinterseite wieder einen begrünten Abstieg im Gehgelände.

Rückblick von der letzten Rippe

Von diesem Hochpunkt aus kann das gesamte restliche Gelände auf den Rotkopf eingesehen werden. Dabei bilden zwei kleine härtere Rippen die einzigen Abwechslungen auf dem ansonsten recht eintönigem Sattel sowie der ebensolchen Gipfelflanke.

alle Kletterpassagen zum Rotkopf liegen bereits hinter uns

Im Abstieg zum Tiefpunkt trafen wir noch einmal einen herrlichen Gesteinswechsel zwischen einer schönen Kalk- oder Dolomitbreccie und dem schiefrigen Mergelstein an. Die östlich Gipfelflanke des Rotkopfs bedarf keiner Beschreibung, teilweise führen Steigspuren zu ihr hinauf.

eintöniger Aufstieg auf den Rotkopf

Der Rotkopf bildet den Richtungswechsel im Hauptkamm der Muttekopfgruppe indem kurz vor dem Gipfel der Kamm von seiner West/Ost-Richtung nach Norden abbiegt. Dafür entsendet er den mächtigen, langen Larsenngratkamm, der direkt nach Imst und Mils abfällt und sich ab dem Latschengelände dem Tal zu in einen steilen Rücken wandelt. Auf den Larsenngrat zu erfolgt der Abstieg zum Pleiskopf.

Rotkopf, 2.692 m

Die Aussicht auf dem Rotkopf erscheint ähnlich bärig wie vom Muttekopf, jedoch büßt man durch weniger Dominanz und fehlender 82 m Höhe bereits einige Gipfel ein. Die dominante Große Schlenkerspitze kann jedoch noch schöner betrachtet und die Aufstiege studiert werden, als vom 1,56 km entfernten Muttekopf.

Rückblick auf die zurückgelegte Strecke vom Muttekopf

Ebenfalls begeistert der Tiefblick in das sehr abgelegene Larsennkar, von dem es einige interessante Aufstiege gibt. Für die bärige Überschreitung dieser Luftlinienentfernung haben wir eindreiviertel Stunden benötigt.

Stirnseite der Gesteinsschichten im Abstieg vom Rotkopf

Der Abstieg vom Rotkopf erfolgt auf dem beginnenden Larsenngrat hinab zur Einsenkung, die am Imster Höhenweg zum Pleiskopf liegt (2.552 m). Der Abstieg dorthin beträgt 140 Hm und somit wird das bisherige Höhenband verlassen und der nun stetige Abstieg in Angriff genommen.

und Längsschnitt der Gesteinsschichten im Abstieg

Über den schönen Grat folgt man dem durch häufige Begehung gut erkennbaren Steig, der sporadisch kaum mehr sichtbare alte Markierungen trägt. Im Abstieg auf die Westflanke des Rotkopfs geblickt erkennen wir die selben Gesteine, die am Aufstieg zum Südlichen Seabrigkopf vorgefunden wurden, allein das markant rotgefärbte Material fehlt, es tritt erst weiter unten zutage. Somit kann man sich die o. g. Aussage der „Wanne“ gut vorstellen.

hinab auf eine vorgelagerte Rippe mit ein paar Meter Aufstieg

Der wirklich schöne Abstieg durchquert wieder der Gosau eigene toll anzusehende Gesteinswechsel. Oben die Breccie, mittig das Mergelsteinlaminat, unten der plattige Sandstein. Ein paar kaum nennenswerte Aufstiege auf die Grathöhen sind zu bewältigen, jedoch allesamt leicht und mit Wanderstöcken zu begehen.

steilerer Abstieg auf den Imster Höhenweg voraus

Etwa 25 min benötigten wir für den Abstieg bis zum Wegweiser in der Einsenkung. Im unteren Teil des Abstiegs wird das Gelände recht steil und die Stöcke sollten auf den Rucksack, um beide Hände frei zu haben. Mit gerade am Beginn mäßiger Schwierigkeit werden die letzten etwa 25 Hm im Abstieg zurückgelegt, bevor sich die Einsenkung recht flach vor uns ausbreitete.

Abstieg von unten gesehen

In der Einsenkung erfolgt der neuerliche Gesteinswechsel, man tritt wieder in den 2. Megazyklus des Entstehens der Gosau über und erkennt ihn sofort am gänzlich anderen Gestein. Sandstein dominiert am Steigverlauf zum Pleiskopf hin.

 

Rückblick zum Nördlichen Seabrig- und zum Muttekopf

Nahezu eben, mit 10 Hm Aufstieg von der Einsenkung erreichten wir den üppig begrünten Pleiskopf, den lediglich ein Vermessungszeichen mit der Höhenangabe ziert. Als Gipfel ist er nicht anzusehen, keine seiner Schartenhöhen erreicht die 30 m Marke.

Rückblick auf den Abstieg vom Rotkopf (GK li. d. Bildmitte)

Ab dem Pleiskopf, vielmehr nach dem Abstieg in die Einsenkung mit dem Imster Höhenweg enden die alpinistischen Begehungen auf unmarkiertem Terrain. Die folgende Beschreibung kann sich daher auf Höhepunkte von Natur und Topographie beschränken, weil leicht und einfach.

Pleiskopf, 2.560 m, gegen Rotkopf

Den Abstieg auf dem schönen Grat zum Hinteren Alpjoch hätte man noch am Grat unternehmen können, jedoch wollten wir dies nicht im Abstieg tun. Ein anderes Mal kann man die schöne Gratschneide schöner im Aufstieg erkunden, vielleicht mit der Überschreitung in Richtung Schlenkerspitzen.

die herrliche Gratbegehung in Seitenansicht

Wiesengelände leitet hinab in die Südflanke des Kars „Hinterer Galtberg“, das alleine der Bezeichnung wegen eine Alm sein könnte. Der Weg bleibt in brüchigem Fels und führt durch tief beeindruckende Gesteinsschichten des 2. Magazyklusses der Gosau. Die Schichtungen sind dort dermaßen schön parallel, daß ihnen fast technisch Erstellung angedichtet werden könnte. Sandstein wechselt mit Mergelstein in zeitlich kürzerer und längerer Abfolge, wobei allein dünne Schichten von tausenden Jahren Entstehung sprechen.

Kamm zum Hinteren Alpjoch; Abzweigung ins Seabrig noch nicht sichtbar in der Tiefe

Großartige Formen lassen Dächer und Gufeln entstehen und es gelingt nicht diese Naturschönheiten unabgelichtet liegen zu lassen. Der Steig wurde hier entlang der schönsten Fazies vorbeigeführt. Gegenüber bietet sich die sehenswerte Frontalansicht der sogenannten „Blauen Köpfe“ im Südhang des Muttekopfs.

herrliche Formen am Steig

Die Blauen Köpfe stellen bis zu 200.000 m³ große Blöcke aus der Trias, genauer der Zeitstufe des Oberrhäts (201 bis 208 mya) und sind damit um etwa 110 mya älter, als die Gosaubildung einsetzte. Kleinere Exemplare davon sind im Bereich Malchbach bis hinab unter die Untermarkter Alm zu finden.

harte Sandsteinschichten und die Breccienbänke darüber zimmern durch Verwitterung förmlich ein Dach über dem Steig

Bald ist das Hintere Alpjoch erreicht. Vorher noch steigt der Weg noch etwas an und überwindet einen Abbruch mit einem doppelten Stahlleitergangs auf der Südseite. Die Rückschau nach dem Wiederaufstieg auf die Grathöhe ergab, daß es den Leitergang nicht benötigt, die vorstehende Sandsteinplatte, die hinten in Konglomerat endet hätten wir höchstwahrscheinlich auch direkt überschreiten bzw. nordseitig umgehen können.

die „Blauen Köpfe“ gegenüber; sie wurden durch eiszeitliche Vorgänge an ihren Platz befördert

Vom Hinteren Alpjoch aus – eine kaum als solche erkennbare Graterhebung – führt der Steig zwischen zwei Schrofenrippen noch knapp 300 m bergab, bis die mittels Beschilderung erkennbare Abzweigung zum Abstieg zur Muttehütte angetroffen wird. Von dort fallen noch gut 400 Hm Abstieg zur Hütte an.

eine sperrende Schicht von Sandstein und Breccie auf der Hinterseite erfordert am Steig einen Abstieg über zwei Leitern

Am Abstieg trafen wir noch auf schöne Formationen, beispielsweise hohen fast senkrechte Sandsteinwände und große Blöcke, hinter denen wir uns eine Pause von der gewaltigen Sonneneinstrahlung an diesem perfekten Bergtag gönnen konnten.

Hinteres Alpjoch gegen Muttekopf

Der Malchbach diente uns dann noch zur Erfrischung, bevor der Steig um die Schaflanne wieder erreicht wurde, die am Beginn der Runde unseren Ausgangspunkt zum Südostgrat bildete.
In die Muttehütte kehrten wir als einen Fixpunkt bei Touren in Hochimst wieder ein und entkamen dadurch einem kurzen, dafür ordentlichen Regenguss.

Abzweigung vom Kamm zur Muttehütte

Der Abstieg zum Parkplatz erfolgt am Anstiegsweg. Für die gesamte Runde benötigten wir gesamt 10 Stunden incl. aller Pausen. Die Streckenlänge hat Outdooractive mit 13 km errechnet. An Aufstieg wurden mittels Bergsteigeruhr 1.560 Hm aufgezeichnet.

auf der Muttehütte dem Regen entkommen

Der Freund geologischer Besonderheiten und der versierte Felsgeher, der seilfrei mögliche Gratbegehungen schätzt, wird an dieser Strecke seine Freude haben. Die Kletterstellen sind nicht übermäßig ausgesetzt, jedoch bedarf jede zu kletternde Passage einer sturzfreien Begehung.

Mils, 27.07.2024

1 Heinz Groth: Alpenvereinsführer Lechtaler Alpen, 2. Auflage 1975
2 Hugo Ortner, Sedimentary Geology 196 (2007) 99–118: Styles of soft-sediment deformation on top of a growing fold system in the Gosau Group at Muttekopf, Northern Calcareous Alps, Austria: Slumping versus tectonic deformation

 

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