Als seltenste begangene Spitze in den Kalkkögeln ist die Riepenwand auf der von mir gewählten Route ein interessantes Ziel für den Bergsteiger, der den alpinistischen Zugang sucht und weniger für den, der das reine Klettern im Sinne hat. Die wenigen Kletterer kennen ihre Routen ohnehin und begehen sie heute teilweise ohne Eintrag im Gipfelbuch.
Als vorletzte hohe Felserhebung in den sich von Norden nach Süden krümmend ziehenden Kalkkögeln und mit einem nicht leichten Zugang von allen Seiten ist es tatsächlich so, daß die Riepenwand ein wenig besuchter Gipfel ist. Die Eintragungen von 2015 sind im endenden Juli lediglich auf zwei Seiten, ohne umzublättern abzulesen. Mehr dazu später und in der Fotogalerie.
Möglicherweise ist die Zuwegung zu den Ausgangspunkten schon alleine mit ein Grund warum der schöne Gipfel gar nicht in Erwägung gezogen wird, ist es doch so, daß auf beide Scharten, die die Riepenwand geografisch einschließen, die Riepenscharte im Norden und die Seespitzscharte im Süden, kein Steig hinauf führt. Beide Anstiege im Reisenschutt sind mühsam und steinschlaggefährdet. Allerdings sind sie, speziell für den Bergsteiger der die langen Reisen im Karwendel kennt, nur recht kurz mit ihren ca. 150 – 200Hm.
Weiters sind die Aufstiege ab den Scharten nicht einfach; im Norden ab der Riepenscharte bildet eine abschreckende schuttbefüllte Reise den Normalanstieg und im Süden ist der Abstieg von der Seespitzscharte und der Aufstieg über das schmale, zur Schlicker Alm hin teils sehr abschüssige Schuttband ein Abenteuer, das der Bergsteiger erst einmal mental verkraften muß, obwohl es klettertechnisch nicht einmal als schwierig (II) zu werten ist.
Mehr zu diesem Schuttband unten bzw. in der Fotogalerie. Nun, soweit die Hintergründe warum die Riepenwand ein wenig begangener Gipfel in den Kalkkögeln sein mag.
Empfehlenswert ist die Tour im Team, weniger im Alleingang.
Der Aufstieg zum Beginn der Kletterei, den ich genommen habe ist die nördliche Einschartung, die Riepenscharte. Das Ziel war die im Führer beschriebene Route (ich benutze den Alpenvereinsführer Rabensteiner/Klier 4. Auflage 1958, jedoch sagt die neueste Ausgabe beim googeln im Internet auch nichts anderes) des Nordgrates. Er führt direkt von der Riepenscharte etwas westlich in die ersten Felstürme empor, hat dort auch seine beiden einzigen III- Stellen und wird dann unendlich zahm über die restliche Route bis zum Gipfel. Ich würde die klettertechnische Schwierigkeit ab der Rechtskurve als I bezeichnen, der Führer ist der Meinung, es sei II.
Orientierungshilfen sind sowohl verblichene rote Punkt(Strich)markierungen wie auch Steinmänner. Man hat öfters die Wahl, denn sie decken nicht dieselbe Route ab. Ich bin hauptsächlich den Punktmarkierungen gefolgt, war aber unten bei den III- Stellen froh um die Steinmänner.
Bei den beiden Rissen, oder auch – nach der Diktion des Führers – Kamin muß man wirklich überlegen, sich Zeit nehmen und, vor allem beim oberen den Rucksack richtig platzieren, da es sehr eng ist.
Bemerken möchte ich hier besonders auch, daß jemand, der eine Stelle III- im Freiklettern im steilen Gelände nicht beherrscht, gleich gar nicht daran denken soll, die Riepenwand zu begehen.
Es gibt beim unteren Kamin auch einen Steinmann, der auf ein schmales Band führt, das ich nicht genommen habe.
Der im Führer genannte „Nordgrat“ ist eigentlich auch kein ausgeprägter Grat mit gleichmäßig abfallenden Seiten, sondern eher eine Kante horizontal/vertikal im Geländeschnitt gesehen.
Hat man diese ersten ca. 100Hm überwunden liegen keinerlei schwierige Passagen mehr vor einem. Im Rückblick von der Scharte aus muß ich sagen, daß der Aufstieg über den im Führer genannten „Normalweg“ rein bergsteigerisch gesehen sicher wesentlich prekärer sein sollte und ich würde diese Rinne nie wählen (Foto siehe Galerie).
Natürlich ist die freie Kletterei über den Zustieg zum Nordgrat ob der fast senkrechten Felsstufe eine Nervensache, jedoch ist dort der sonst so brüchige Hauptdolomit bemerkenswert fest und die Kletterei ist m. E. wesentlich sicherer, als die Schuttrinne des Normalaufstieges.
Man findet im Zustieg zum Nordgrat der Riepenwand auch Opferschlingen oberhalb den beiden II- Passagen die eine wertvolle Hilfe beim Rückzug sein können; geprüft habe ich sie nicht, das bleibt jenem vorbehalten, der ihrer bedarf.
Nach dem leichten Aufstieg über den Nordgrat findet man – neben dem Gasflaschenhäuschen der Schlicker Bergbahnen ein leider umgefallenes Gipfelkreuz mit noch befestigtem Gipfelbuchhalter und – gottseidank – unversehrtem Gipfelbuch. Ein wenig feucht ist es wegen der Schräglage und den heftigen Wetterkapriolen der letzten Tage schon, aber doch wunderbar intakt und mit dem Inhalt von Generationen von Motivationen der Besteigung.
Ein Eintrag beschreibt, daß man das Gipfelkreuz heuer aus den Schrofen heraufholen mußte, also kann man sich gut vorstellen welche Stürme es auf der Riepenwand geben muß, daß das stählerne Kreuz in die Flanken fällt.
Da es aus 1979 stammt – und dank der Bergwacht Götzens gespendet und bis heute gewartet wird – kann man die letzten 30 Jahre Revue passieren lassen aus welchen Gründen dieser Gipfel bestiegen wird. Das Foto zeigt die Anzahl der Blätter der 3 Dezennien zwischen meinen Fingern.
In der Periode 1980 bis 1990 waren die Kletterer hier, die noch alpinistisch orientiert waren. Eine Skizze von A. Orgler ziert das Büchlein und sie ist fast so perfekt wie die Zeichnungen des großen Erschließers der Kalkkögel, Carl Gsaller. Bergsteiger und Künstler, Homo Faber der Berge! Ich war damals selber in Wattens beim AV und weiß um diese Zeit; es war eine Sturm und Drang Zeit des Kletterns mit möglichst schwierigen Routen und eingeschworenen Seilschaften. Seilschaftskommandos konnte man fast über die Jöcher hören und es gab kaum Lager in den Hütten. Wöchentlichen Sektions-Abende hat es gegeben, eine Hochblüte des Allgemeinbergsteigens.
Die Periode 1990 bis 2000 ist schon wesentlich dünner und hier sind fast nur mehr gut ausgebildete Freaks mit neuen sportlichen Gedanken und Ausrüstungen unterwegs gewesen.
Die Periode 2000 bis 2010 ist, dem Trend folgend, eine Periode des Niederganges des Allgemeinalpinismus und stellt die dünnste Blätterfraktion dar.
Von 2010 bis zum heutigen Tag wollte ich keinen weiteren Finger mehr investieren, leider sind es nur mehr 7 gezählte Blätter, die mit Eintragungen versehen sind und davon 2x jährlich der Hubschrauber für die Gaskanonen der Bergbahnen …
Aufgrund meiner Touren habe aber auch ich die feste Überzeugung und Hoffnung, daß sich die Jugend hinkünftig wieder mehr auf diese Ziele orientieren wird, als an elektronischem Totschlag von Zeit.
Die Ausblicke von der Riepenwand sind natürlich sensationell. Hier ein paar Rundumblicke.
Kein Gipfel ohne Abstieg. Der Abstieg von der Riepenwand ist kein leichter, auch wenn man den Führer wieder in Anspruch nimmt und dieser den Abstieg über die Südostflanke und das sogenannte breite, gelbe Geröllband als leichtesten Aufstieg (also auch umgekehrt) beschreibt.
Zum einen gibt es – anders als beim Aufstieg – keine Punktmarkierungen oder Steinmänner, zum anderen keine Höhenangaben in Führer oder Karte (zumindest die AV-Karte die ich habe Nr. 31/5 aus 1996). Allerdings habe ich tags zuvor im Internet einen Bericht gefunden, der die Abstiegsroute zur Seespitzscharte auf einem kleinen Foto zumindest halbwegs nachvollziehbar markiert hat.
Nun, ein Foto von der Schlicker Seespitze aus mit rotem Strich ist eine Sache, den Einstieg zu dem besagten Band zu finden ist eine andere.
Also probierte ich vom Gipfel aus einen direkten Zugang nach Süden zu finden und wurde aber nicht fündig. Nun nahm ich die geografische Richtung „Ostflanke“ widerwillig zur Kenntnis und stieg direkt vom Gipfelkreuz in die grausige schuttbedeckte Ostflanke ein, ca. 40m rechts (talwärts gesehen) vom Gaskanonenrohr.
Man kennt das von einigen Touren; es gibt Routen die man – ob ihres Erscheinungsbildes – innerlich auf das äußerste bekämpft und als letzte Möglichkeit wählt. Ich finde das aber auch gut so.
Nachdem ich keinerlei Höhenangaben über den Einstieg zu besagtem breiten, gelben Geröllband hatte mußte ich jeden Felskopf im Abstieg auf dessen Spitze begehen, um Orientierung zu erlangen und, um nicht zu tief zu steigen. Allerdings konnte ich mir auch grob ausrechnen wo die Rinne, oder das Band zu finden sein mußte, denn die Aufstiegsbeschreibung lautete: von der Seespitzscharte 50m hinab und dann über das Geröllband aufwärts – so der Führer – konnte nicht viel tiefer als ca. 2.600m sein, Luftdruckschwankungen am heutigen gewitterträchtigen Tag +/- 50Hm.
Mit dieser Hilfe erreichte ich auch die Stelle, die es sein mußte. Zur Sicherheit stieg ich noch ca. 50Hm tiefer, um sicher zu sein und die dortigen Felstürme genügten mir, um die Rinne als die richtige zu identifizieren (man muß sich vorstellen, daß man dort unterwegs ist wie einst Carl Gsaller, keine Wegspuren, keine Markierungen, keine Steinmänner, dafür Geröll und Geröll und Geröll).
Nun sieht das Band von dieser Seite so ganz anders aus, als auf dem Foto, daß von ca. ½ km Entfernung aufgenommen wurde und ich wunderte mich, daß es eher flach war und im zu überblickenden Teil so gar nicht steil, sondern mit Ausläufern versehen, wo man im Abstieg sogar kurz aufwärts gehen muß.
Den schon beim Einstieg sichtbaren spitzen Felsturm mit der Zipfelmütze am Ende des Geröllbandes, in der Schlucht, die von der Seespitzscharte hinab Richtung Schlick zieht, habe ich gar nicht bemerkt. Sie beschreibt der Führer nicht, jedoch fand ich diesen Hinweis im Internet.
Entschlossen stieg ich ein und entdeckte nach dem dritten Ausläufer, daß der letzte Graben zwischen zwei Ausläufern grausig steil ist, mit kleinstückigem Schutt bedeckt und mit ungeheurer Steilheit abfällt. Dies ließ mich zuerst erschaudern, da es ungangbar aussah. Bei näherer Betrachtung stellte ich jedoch ein festes Felsband fest, das sich zum Übersetzen eignen sollte und es war auch so. Allerdings möchte ich keine Hand ins Feuer legen, daß diese Situation immer so erhalten bleibt, denn oberhalb dieses Geröllbandes türmen sich 100m hohe Felsen auf, die die Landschaft darunter prägen, vor allem der brüchige Hauptdolomit.
Im Notfall müßte man einige Meter absteigen und sein Glück in der Vertiefung darunter suchen. Diese scheint jedoch nichts anderes zu sein als eine Verklausung der Rinne und kaum fester Fels, das empfand ich zumindest so.
Nach dieser Passage ist dann der Abstieg in das Tiefste des Geröllbandes bzw. der Schlucht angesagt. Es ist aber auch die leichteste Passage, ca. 25Hm lang und sie endet unter dem markanten Felsturm mit der Zipfelmütze. Dort ist man dann in einer Umgebung die einen erschaudern läßt, Ihresgleichen sucht und die man so schnell nicht wieder zu Gesicht bekommt.
Zur Seespitzscharte hinauf zieht ein Graben, der zu Gänze mit Blockwerk, löchrigen Kalken mit gerundeten Formen, Lehm und Schutt gefüllt ist – Raiblerschichten – eine extreme Steilheit besitzt und man spürt, daß man hier auf schnellstem Weg hinaus möchte. Bei Regen, oder einem Gewitter möchte ich diese Passage nie erleben und bin überzeugt, daß sie dann so steinschlagträchtig ist, daß man sie nicht begehen kann ohne getroffen zu werden. Die Schutzmöglichkeiten in den Flanken sind zu gering, als daß man es wagen könnte.
Nach dem schnellen Aufstieg findet man sich keuchend in der Seespitzscharte wieder. Es gibt nun die Möglichkeit diese westwärts über die Reise hinunterzulaufen, jedoch ist diese wenig einladend (keine schöne Reise mit kleinstückigem Schotter, viel verfestigte Sandpartien und großblockige Felsstücke), oder über einen Riß im der südlich gelegenen Trenngrat zu überschreiten und auf den Normalweg zur Schlicker Seespitze zu gelangen. Diesen Überstieg empfehle ich auch.
Er wird höhenmäßig vorgenommen ca. in der Hälfte der Gratkette bei einem tiefen Riß der wegen jungen Ausbrüchen recht hell gefärbt ist. Man ersteigt ihn über einen engen Kamin der sicher ist und nicht sonderlich schwierig. Am oberen Ende liegen drei Felsblöcke, die man einfach übersteigt und sich auf einem Schärtchen wiederfindet.
Auf der Südseite des Schärtchens sieht man schon einen bequemen Zustieg zum Steig auf die Seespitze, dort steigt man auch bequem ab und hat somit nun alle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Riepenwand gemeistert.
Zu Dokumentationszwecken bin ich weiter auf die Seespitze und habe das Geröllband nochmals festgehalten.
Eine Dokumentation über die Schlicker Seespitze findet man hier.
Am Gipfel traf ich einen netten Kollegen aus Telfes mit dem ich abgestiegen bin, da über dem Lüsener Ferner bereits dunkelgraue Wolkentürme sichtbar waren. Er ist dann in bemerkenswerter Geschwindigkeit über, wegen Unwetter an Vortagen, teils weggerissenen Steigpassagen zum Hoadlhaus und weiter zum Halsl gelaufen. Hoffe, trockenen Fußes.
In der Adolf Pichlerhütte habe ich dann noch kurz eine Jause eingenommen und das Log des Tages von der Uhr genommen.
Mit dem Aufstieg ab der Adolf Pichler Hütte waren es total 1.500Hm im Aufstieg (incl. Schlicker Seespitze) und knapp über 6 Stunden. Von der Adolf Pichler Hütte zur Kemater Alm braucht man 20min und dort habe ich, dem Gewitter gerade entkommen, noch einen romantischen Almaufenthalt bei Kerzenlicht gehabt.
Ein schöner Tag in den Kalkkögeln und vielfältige Eindrücke, die lange hängen bleiben.
Leider Fotos nur in Handyqualität wegen des Verlustes meiner Kamera auf dem Grat zur Brantlspitze. Werde mich bessern.
Mils, 24.07.2015
Hallo
super feinen Blog habt ihr da. Die Riepenwand wollte ich vor vielen Jahren schon mal gehen aber war mir damals zu gefährlich. Aber dank eures Berichts wird es wohl zu schaffen sein. Werde nun öfter reinschauen, da finde ich sicher einiges das mich inspiriert.
Danke und liebe Grüße
Günter der Halltaler
Servus Günter,
es freut mich sehr, daß dir unser Blog gefällt, danke für das Lob.
Da ich deinen interessanten und gut gefüllten Blog regelmäßig besuche bin ich mir sicher, daß die Riepenwand, Nordgrat kein wirkliches Hindernis für dich, oder euch, ist und Wünsche dir alles Gute dabei und nimm dir Zeit zum Überlegen der Griffe.
Berg Heil und Grüße
Rainer