Mit der Auffahrt auf die sogenannte „Grüne Bank“ bietet sich ein abwechslungsreicher Aufstieg auf den mächtigen Rietzer Grieskogel von Norden an. Vom Rietzer Grieskogel würde man nicht vermuten, daß er fast im gesamten Inntal den höchsten Gipfel mit direktem Zugang vom Tal darstellt. Eine Ablöse dieses Rekordes erfährt er erst durch die weniger bekannte Feichtener Karlspitze, weit westlich im Oberen Gericht.
Der Brechkogel im Geigenkamm zwischen Ötztal und Pitztal ist zwar um 51 m höher, jedoch steht zwischen ihm und dem Inntal die Murmentenkarspitze, die mit 2.771 m niedriger ist als der Rietzer Grieskogel. In den Miemingern und Lechtalern entlang des Inntals reicht kein einziger Gipfel durch Erhebung an ihn heran und der höchste Gipfel der Lechtaler, die Parseierspitze mit 3.036 m, befindet sich nicht mehr im Inn- sondern im Stanzertal.
Erst nach der zweifachen Krümmung des Inns zwischen Ried und Tösens wird der Rietzer Grieskogel als vom Tal in einer stets aufsteigenden Linie zu ersteigender Gipfel von der Feichtener Karlspitze (2.916 m) im Süden und den Furglern (2.903 m und 3.004 m) im Norden, fast an der Grenze zum Engadin, abgelöst. In seinem Osten gibt es bis zum Abklingen der Berge gegen das Alpenvorland hin keinen höheren Gipfel mehr.
Von der Talmitte im jeweiligen Ausgangsort aus gemessen beträgt der Abstand zu den Gipfeln beim Rietzer Grieskogel etwa 5,4 km und der Höhenunterschied enorme 2.350 m, bei der Feichtener Karlspitze etwa 6,1 km und der Höhenunterschied hingegen nur 2.170 m, welche Werte über die Dominanz des Grieskogels über dem Tal Auskunft geben. Auch die Furgler erreichen mit 7,7 km Abstand und Höhenunterschied von 2.060 m respektive 7,8 km und 1.950 m das Steigungsverhältnis des Grieskogels bei weitem nicht.
In seinem Osten kommt seinem Steigungsverhältnis nur mehr jenes vom Großen Bettelwurf – einem in seinen topographischen Daten ebenfalls weitgehend unterschätzen Berg – mit einem Höhenunterschied vom Zentrum der Haller Altstadt bis zum Gipfelkreuz von gut 2.150 m und einer Entfernung von etwa 7 km nahe, jedoch mit einem Absoluthöhenunterschied von 158 m zugunsten des Grieskogels.
Vergleichende Zahlenspiele mögen vielleicht für jenen, der nur an der Routenbeschreibung interessiert ist, müßig zu lesen sein, sie verdeutlichen jedoch die Stellung des Berges in seiner Umgebung im Allgemeinen, wobei der Rietzer Grieskogel hierbei eben wegen seiner herausragenden Dominanz zum Tal im mittleren Inntal den Spitzenplatz einnimmt und deshalb verdient – selbst als leichte Bergtour – beschrieben zu werden, obwohl seiner Besteigung eine leichte ist. Die schöne Schitour auf seinen – talparallel gesehenen – schön geformten Gipfel mit dem neuen Stahlkreuz unternimmt man von Süden unter Bewältigung von weit weniger Aufstiegsmeter ab der Kühtaistraße, und sie kann hier nachgelesen werden.
Die Grüne Bank befindet sich auf 1.465 m am Forstweg zur Peter-Anich-Hütte und stellt eine größere Fläche mit einigen Parkplätzen dar, von der aus die Routenbeschreibung startet. Trotz dem guten Zustand, doch der Form des Forstweges wegen, nehme man zur Auffahrt ein Fahrzeug, das eine normale Bodenfreiheit besitzt, kein extra gestyltes Model mit tiefer Lage der Unterbodenwanne.
Der Antrag für die Berechtigung zur Auffahrt läßt sich, sehr modern, vorbildlich, bequem und ohne Kosten, auf der Homepage der Gemeinde Rietz ergoogeln – eine Anregung für so manche Gemeinde, die dagegen rigoros ganze Karwendeltäler, die der Erholung der Bevölkerung dienen, sperrt, um sich von juristischen Spitzfindigkeiten freizukaufen.
Für den Aufstieg zur Peter-Anich-Hütte kann nun der Forstweg weiter benützt werden, oder schöner, auf dem Steig durch den Wald in der Nähe des Baches im Einschnitt zwischen der Rippe, auf der die Hütte liegt und jener auf der sich die Pfaffenhofer Alm befindet. Bei letzterer Variante wird im Aufstieg auch gleich ein Teil des Geländes des Rückwegs erkundet, das man nach der Einkehr auf der Alm zurück zur Grünen Bank nimmt.
Einem staudenbewachsenen Einstieg auf den Steig, der im Sommer des Freischneidens überdrüssig ist, beginnt die Reise in den Waldpfad, der gleich auf eine längst bewaldete Bachschuttrippe führt und im Verlauf auch knapp an den kleinen Klausbach heran leitet. Dort ergeben sich tolle Blicke auf Bach und Abstürze, wenn man denn in der Anstrengung des Aufstiegs die Muße hat nach links zu blicken, um sie zu erleben.
Auf diese schöne Szene folgt ein freigeräumter Lawinenabschnitt mit gewaltigen Lärchen und Almrosen, der den Blick in schleifendem Blick nach oben zum Rauhen Kopf freigibt, ein Zwischenziel mit Holzkreuz nach der Peter-Anich-Hütte. Über die Zwergstauden führt der Steig weiter oben nach rechts in ein kleines bewaldetes Wegstück unterhalb der Hütte, die auch Alm ist, wie die Zäune und das Gatter verraten.
Viel zu früh des Tages und in Gipfelstürmerstimmung konnten wir nicht einmal die Muße aufbringen die Hütte zu besuchen und ließen sie für dieses Mal unbetreten rechts liegen, immerhin warteten von dort noch 970 Hm zum Tagesziel und wir wollten keinesfalls die „Pumpm“ der an Lebensjahren reichen Frau Lehrerin in unserer Tourengruppe herausfordern, bei dem nach einem Besuch der Hütte Eile geboten gewesen wäre. Also erklommen wir ohne Rast den Rauhen Kopf, der seine vorgeschobene Position auf der homogen steigenden Rippe möglicherweise einer besonderen Abfolge des kristallinen Schiefers dort verdankt.
In jedem Fall bot die natürliche Schanze des Rauhen Kopfs eine vorzügliche Aussicht auf die Kalkalpen im Norden gegenüber und bei dem im Sommer anno 2023 so herausragend herrlich klaren Tagen, mit einer selten zu beobachtenden Schärfe aufgrund des fehlenden Feuchtigkeitsgehaltes, allein mit dem gipfelumsäumten jungfräulichen Morgennebel als akzeptierte Regung der Natur. Ein herrlicher Anblick der sich uns bot, die hehren Mieminger Flanken im Tal gegenüber.
Vom Rauhen Kopf steigt man einige unbedeutende Meter in eine Senke ab, jenseits derer über anregendes Blocksturzgelände der nächste etwas eintönige Abschnitt der Rippe folgt. Mit der Eintönigkeit des Hangs ist aber bald Schluss, wenn der Angersee in der Tiefe hinter der Rippe auftaucht und mit seinen vormittäglich braungrünen Farben Abwechslung in die Pracht des Aufstiegs bringt. Rechts davon führt die Rippe westlich weiter nach oben, gleichsam eines Bogens um den Kessel des Sees herum und dieser folgten wir im sich bildenden Nebel.
Gegenüber dem Kessel mit dem Angersee kann der Abstieg im Osten eingesehen werden, bei dem es ich um den Nordgrat vom Hocheder auf den Narrenkopf handelt. Ein kurzes Flachstück danach leitet auf einen Nordwesthang zum Oberalpl über, der sich als steil und anstrengend, jedoch als sehr reizvoll herausstellte, besonders der Übergang der schmalen Ausrundung auf die wiesenbewachsene Flachstelle. Die gesamte Höhenstufe vom See bis dort oben muß wiederum einen tektonischen Hintergrund haben, den es zu erkunden gilt.
Am Oberalpl wird ein schöner Blick auf den Rietzer Grieskogel frei, der uns bei der Trinkpause zwischen den Nebelfetzen immer wieder das glitzernde Gipfelkreuz vorspangelte1. Allerdings befindet sich der Gipfel des Rietzer Grieskogels von dort noch in 270 Hm Entfernung, die zunächst über feine Almböden begangen werden, bis die nächste leicht felsige Rippe auftaucht, der Westgrat des Grieskogels.
Über die Bergwiesen bis zum etwas felsigen Aufstieg auf den Bachwandkopf verschwimmt der Steig bis zur Unsichtbarkeit, bevor er hinter einer breiten Furche wieder angetroffen wird. Der Bachwandkopf, stellt eine kaum merkbare Erhebung im Westgrat dar, die am Steig über den rostbraunen Glimmerschiefer begangen wird. Interessant am Aufstieg ist der Blick nach Südwesten auf den Kreuzjochkogel, der den Aufstieg vom Kreuzjoch her bildet.
Der Steig führt nach dem Kreuzjochkogel in eine Einsattelung – in den Karten unbenannt, in TIRIS Joch genannt -, die im Aufstieg vom Oberalpl eingesehen werden kann und interessant aussieht. Der Übergang von der Einsattelung zum Steig auf den Bachwandkopf ist flach. Mit ihrer Begehung über den Kreuzjochkogel kann der Rietzer Grieskogel vom Kühtai aus zur schönen Rundwanderung ausgebaut werden.
Die letzten gut 600 m Entfernung und 120 Hm Aufstieg zum Rietzer Grieskogel erfolgen auf dem stets breiten Westgrat, ausgeprägt als Rücken, teils über kleine Geländestufen, Blockwerk und größtenteils auf stufenarmer Steigung des Pfades.
Am Gipfelaufbau wechselt dann die Geologie wobei der eher helle Granodiorit in Erscheinung tritt, der steil aufgerichtete Zacken bildet und dessen Zähigkeit und Härte auch mit ein Grund sein mag, warum der Rietzer Grießkogel die höchste Erhebung im Kamm geblieben ist.
Auf seinen massiven Blöcken wurde zu Maria Himmelfahrt anno 2021 das neue Aluminium-Gipfelkreuz errichtet, das mächtig in die Höhe ragt und weit schon vom Inntal aus sichtbar ist, wenn es sich in der Sonne spiegelt.
Als höchste Erhebung in den nördlichen Kühtaier Bergen bietet der Rietzer Grieskogel eine grandiose Aussicht nicht nur auf die Stubaier Alpen, selbst die Ötztaler Wildspitze in knapp 43 km Entfernung kann zwischen Gamskögele links und Neunerkogel rechts davon erblickt werden.
Im Südwesten schließt der gewaltige Acherkogel – eine Felsklettertour in schwierigem Fels – den Kreis der Stubaier Alpen gegen Westen nach Ötz und der Pirchkogel gegen Nordwest hin ab.
Eine gute halbe Stunde verbrachten wir mit der Betrachtung der Berge gegenüber bei der Gipfelrast, bevor wir zur nächste Etappe, der Überschreitung zum Hocheder, aufbrachen. Der Steig beginnt in der kleinen Einschartung unterhalb des Gipfelaufbaues vom Grieskogel mit einem leichten Steig auf die Nordostrippe hinab.
Dieser ist durchgehend markiert sowie nicht besonders steil und läuft unten auf einer Wiese aus, die noch nicht den Tiefpunkt zwischen beiden Gipfeln darstellt. Jenseits der Wiese führt der Steig auf einen rundlichen Kopf hinter dem ein nochmaliger Abstieg wartet, der auf die tiefste Einschartung im Übergang leitet.
Dort wird es felsiger, der leichte Steig bleibt aber erhalten. Die beiden scharfen Gratzacken, die man bereits von der flachen Wiese aus sichtet, werden durch den Abstieg im Südosten an ihrem Fuß umgangen. Unterhalb des Übergangs breiten sich die Wiesen der Flaurlinger Alm aus.
Der Anstieg aus dem Tiefpunkt führt zunächst über einen felsigen Abschnitt mit Seilversicherung. Er ist leicht zu begehen, wenn auch mit etwas Anstrengung durch einen steilen Hang zur Scharte und später durch eine leichte, seilversicherte Verschneidung auf die Grathöhe hinauf. Überall bei steilen Stufen finden sich Seilversicherungen, die der Versierte jedoch nicht benötigt.
Am Ende der Gratstrecke wartet der breite Rücken zum Hochplateau im Nordwesten des Gipfelkreuzes des Hocheders. Man wandert einige Minuten von dieser Ecke zum Gipfelkreuz und auf die geodätisch höchste Stelle mit der Triangulationsmarke.
Zu erwähnen hinsichtlich der Aussicht vom Hocheder wären viele Berge der Stubaier Alpen im Süden, eine Sommertour unter den vielen Schitouren auf diesem Blog wäre die Freihut mit einem nicht sehr häufig begangenen Anstieg von Narötz im Lüsenstal.
Im Osten gibt es mehrere Anstiege auf die Peiderspitze, der wohl schönste führt über die Schloßköpfe und findet seinen Abstieg über den Grat zu den Koflerspitzen. Diese Tour bedarf bereits einiger Kletterfähigkeiten in mäßig schwierigem Fels Eine bärige Runde im gleichen Schwierigkeitsniveau stellt auch die Ersteigung des Mitterkogels dar, ein ebenfalls keineswegs überlaufenes Ziel, das zu einer schönen Runde über den Weißstein und den Rosskogel ausgebaut werden kann. Als leichte Bergtour von Haggen im Sellraintal aus empfiehlt sich das Seejoch, das mit mehreren Bezeichnungen aufwartet, je nachdem von welcher Seite man es besteigen möchte.
Am Hocheder bieten sich zwei Möglichkeiten des Abstieges. Die aufwändigere – weil Gegenanstieg – ist jene zum Schafmarebenkogel und stellt eine weitere Überschreitung dar, die weniger anstrengende führt über den Nordgrat hinab zum Narrenkopf, die wir wählten, um niemand zu überfordern.
Der Abstieg vom Hocheder zum Narrenkopf führt über recht felsiges Gelände über einen Grat, der jedoch nie schwierig, jedoch steil, zu begehen ist. Hin und wieder werden die Hände zur Abstützung oder zum Halt benötigt. Der Abstieg ist jedoch ein feines Stück Weges auf der Runde.
Am Narrenkopf bot sich noch eine Rast an, nachdem wir bereits sieben Stunden unterwegs waren und nicht alle entsprechend trainiert. Das vorgelagerte Holzkreuz besuchten wir nicht, Bilder davon befinden sich im Bericht vom Schafmarebenkogel, siehe Link oben.
Anschließend an die Rast setzten wir den Abstieg zur Pfaffenhofer Alm fort, indem vom Sattel in den Kessel zu den vereinzelten Schafen abgestiegen wurde, die wiederum schön lange vor unserer Ankunft das Weite in den blockigen Hängen unterhalb des Hocheders suchten. Almrosenpolster säumen den Steig später am steilen Hang hinab zum Almgelände der Pfaffenhofer Alm.
Auf der Pfaffenhofer Alm (auch Widdersberger Alm genannt) empfiehlt sich die Einkehr ausnahmslos immer, so auch diesmal.
Nach bester Bewirtung und eineinhalb Stunden Aufenthalt traten wir dann den Rückweg zur Grünen Bank an und folgten ein paar Minuten dem Weg zur Peter-Anich-Hütte, bevor die Abzweigung nach unten führt.
Der auf den Abzweig folgende Teil der Hangquerung im Wald ist sehr reizvoll, weil er durch archaischen Wald führt, der keinerlei Fortmaßnahmen hinter sich hat. Man findet dort unter anderem eine massive alte Lärche vor, deren Stamm durch Fäulnis und Alter wahrscheinlich in einem Windsturm versagt hat.
Weiters führt der interessante Steig über einen Zwickel eines Zulaufs zum Klausbach über ein nettes Brüggl gefertigt aus armdicken Ästen, das mit viel Muße zur Handarbeit errichtet wurde.
Jenseits des Brüggls oder Stegs leitet der Steig kurz bergauf, um oben in den Steig zur Peter-Anich-Hütte einzubinden, den wir im Aufstieg genommen hatten. Über diesen Steig erreicht man die Schotterstraße wieder, die sich im Gelände mit der Bezeichnung „Schindelries“ befindet und unter ein paar Minuten Wanderung am Parkplatz Grüne Bank eintrifft.
Mit allen Pausen und ohne Eile haben wir mit dieser bärigen Runde 1.630 Hm in 10:30 Stunden zurückgelegt. Die Streckenlänge betrug knapp 13 km.
Mils, 23.07.2023
1 Tiroler Dialektwort mit der Bedeutung von „scheinbar unerreichbar vorzeigen, vorspielen“
Ich würde vorschlagen die Route in die andere Richtung zu gehen – der Weg zwischen Narrenkopf und Hocheder ist sehr ausgesetzt und ohne Seilversicherung. Vom Hocheder zum Narrenkopf hinunter wäre das passagenweise schon ziemlich heftig.
Vom Rauhen Kopf zur Peter-Anichhütte sollte man davor links umgehen, der Weg runter ist auch unfein…
Servus Daniel,
danke für deine Empfehlungen. Natürlich kann man die Runde auch umgekehrt angehen und der nicht so starke Bergfreund wird – wie du sagst – den Grat vom Narrenkopf zum Hocheder eher im Aufstieg bewältigen wollen. die Passage vom Rauhen Kopf hinab zur Hütte habe ich nicht ausgesetzt oder schwierig im Kopf, aber danke auch für diesen Hinweis.
Wünsche dir eine schöne restliche Bergsaison.
Berg Hail!
Rainer