Schitour Glanderspitze, 2.512 m

Eine kurzweilige und wirklich nette Schitour kann von Grist aus auf der relativ schneesicheren Nordseite des Venet auf die Glanderspitze unternommen werden. Zum Höhenunterschied vom Parkplatz bis zum Gipfel von 1.305 m sind sich TIRIS und Outdooractive mit guter Übereinstimmung ausnahmsweise einmal einig.

Glanderspitze in knapper Entfernung mit abgeblasenem Gipfelbereich

Die Schitour führt über großflächige Weide- und Almflächen zur Meranzalm, steigt anschließend im lichten Lärchenwald über eine Steilstufe, bevor sie den weiten und mäßig ansteigenden Rücken zum kleinen Jöchl beschreibt, von dem sie links (östlich) südseitig der Kammhöhe zum Gipfel führt. Der Nordhang verspricht für die Abfahrt in gewissem Maß Schneesicherheit gegenüber dem Südanstieg von Piller.

Start in Grist am Zammerberg

Beim zunehmend ariden Klima, das die Heimat befällt, im ersten Teil des Winters 2024/25, in dem von vor Weihnachten bis zum Tag der Schitour im mittleren Inntal nicht ein einziges Mal nennenswerter Niederschlag zu verzeichnen war, keimte die Idee auf, nach einer Schitour im Westen des Landes zu suchen.  So richtig fündig wurde man beim Studium der Schneehöhen auf der Wetterstationskarte am Blog des lawinen.report nicht. Schneehöhen, signifikant über 100 cm fanden sich lediglich direkt am Arlberg, schon nicht mehr in der Landecker Gegend.

über Weideflächen zu Beginn hinauf

Gegenüber Stubaiern, Tuxern und Zillertalern, deren Schneehöhen wir schon die Wochen zuvor abgeklappert hatten, zeigten die Stationen rund um den Landecker Westen zumindest zwischen 60 und 80 cm Schneehöhen an. Auf der Suche nach Schitouren in diesem Gebiet fiel die Glanderspitze ins Auge. Auf sie führen zwei schöne Anstiege, der südliche, von Piller über die Gogles Alm, kam wegen zu erwartender aperer Flächen aufgrund der Sonneneinstrahlung, aus der Ferne betrachtet, nicht in Frage.

der Anstieg führt vorbei an malerischen Pillen

Die Schitour mit dem Nordanstieg, von Grist aus, zu begehen stellt für den durchschnittlichen Tiroler aus dem mittleren Inntal auch eine kleine Bildungsreise dar, denn den Ort „Grist“ hat er noch nie zuvor gehört und hätte trotz hundertmaliger Befahrung der Inntalautobahn nie vermutet, daß es oberhalb der imposant gebauten Kronburg, die von beiden Seiten im Tal schon von weitem zu sehen ist, noch eine Ortschaft geben könnte. Im bereits schönen untersten Teil des Aufstiegs zählte der Autor in Grist 16 einzelne und zusammenstehende Wohnhäuser und ein nettes Kirchlein.

an den Waldsaum heran, jedoch gleich wieder auf Freiflächen

Das Kirchlein ist die Sankt Gallus Kapelle, einem in Tirol selten verehrten Heiligen, geweiht. Die vielleicht bekannteste der vier Tiroler Gedenkstätten des St. Gallus ist die Pfarrkirche in Weer. Bei der kurzen Recherche über das Leben des wenig bekannten Heiligen stieß der Autor auf die Webseite des St.Gallus.net, die lehrt, daß Gallus ein irischer Mönch war, dessen Wirkungsschwerpunkt im Bodensee- bzw. im Schwäbisch-Alemannischen Raum mit Zentrum in Steinach am Bodensee hatte. Nicht von ungefähr kommt daher der Name der Kantonshauptstadt St. Gallen, und die Verbreitung seiner Verehrung reichte also bis auf 1.200 m ins Oberinntal nach Grist.

Rückblick auf die aperste Stelle der Tour bis zum Kammrücken

Um die feiertägliche Ruhe der einsamen Siedlung nicht durch Fahrzeugtürknallen und entfesselter Geschwätzigkeit von Schitourengehern zu stören, hat man unterhalb des Weilers etwas entfernt einen kleinen Parkplatz eingerichtet, auf dem schätzungsweise, je nach Schneeräumung , etwa 10 bis 15 Fahrzeuge Platz finden. Ein Schild am Abzweig zum Ort auf der Landesstraße weist auf diesen Parkplatz hin.

die nächste freie Fläche

Durch das Tauwetter der vorausgegangenen Tage präsentierte sich der Parkplatz am Tag unserer Tour als eine durchgehende Eisfläche, wodurch bei der Anfahrt und beim Rüsten zum Abmarsch Umsicht geboten war. Über diese kleine Hürde hinaus sollte man froh sein, daß es einen Parkplatz gibt und die in Mode gekommene Attitüde ablegen, nach Verantwortlichkeiten zu suchen. Ein Schitourengeher hat mit einem solchen Terrain zurecht zu kommen.

Blick nach Osten auf Falterschein

Über den ersten, mittelsteilen Wiesenhang führen die Aufstiegsspuren am sogenannten Grister Wieseberg zu den Pillen (Heustadeln im Oberland) Richtung Waldrand, erreichen diesen aber nur auf kurzen Passagen. Das Nichteintauchen in längere Waldpassagen ist bereits eine schöne Besonderheit im unteren Teil der Tour, sie bleibt stets auf größeren Weideflächen und die Umzäunungen dieser sind, anders als häufig mit Absicht entgegengehandelt, für den Schifahrer offengehalten.

auf die nächste Freifläche unterhalb der Venethütte

Die Kulisse des Aufstiegs im Rundblick war leicht traurig anzusehen, Falterschein im Osten und die Kalkberge im Norden zeigten sich bis in ihre Gipfelregionen weitestgehend schneefrei. Der Blick nach Westen, in die schneereichere Arlbergregion öffnet sich erst weiter oben am Zammerberg.

Venethütte und gegenüber die Scheißet Riepe, der Kalkalpen längste Schotterreise mit über 1.000 Hm Erstreckung

Einige Male quert der Aufstieg den Almweg, dazwischen schöne Freiflächen mit moderaten Steigungen. Der Bestand von Lärchen nimmt oberhalb der Venethütte, einer privaten Jagdhütte, zu, und sie bescheren als Lichtbäume immer bärige Aufstiegsszenen. Die Liftanlagen der Venet Bergbahn kommen auf der großen Freifläche nach der Venethütte ins Blickfeld. Der Höhenunterschied erscheint durch die seitliche Lage der Bergstation überraschend gering, beträgt jedoch gut 600 Hm.

eine weitere große Freifläche

Nach dem folgenden kurzen Waldgürtel, der auf dem Almweg durchschritten wird, gelangten wir zur größten Freifläche unterhalb der Meranzalm, Sölde genannt. Dort trafen wir auf eine weitere Jagdhütte, bevor der Anstieg auf einer kurzen Strecke ziemlich flach wurde.

auf der Sölde Richtung Süden zur Meranzalm

Am Ende der Freifläche überquert der Aufstieg wieder den Almweg mit anschließender Route durch die vereinzelten Lärchen hindurch und einer weiteren Wegquerung. Etwa nach 150 Hm im Lärchenbestand wird das grüne Dach der Meranzalm sichtbar.

eintauchen in lichten Lärchenwald

An der Meranzalm (1.915 m), die im Sommer einen spektakulären Sonnenuntergang verspricht, endet der Aufstieg am breiten Rücken. Das Gelände wird steil, und ein Riegel einer Geländestufe erstreckt sich oberhalb der Alm. Bis zur Alm beträgt die Aufstiegshöhe 715 m.

die Meranzalm wird sichtbar

Direkt hinter der Alm beginnt der Aufstieg im lichten Lärchenwald mit wenigen Serpentinen durch steileres Gelände. Die Geländestufe misst etwa 150 Hm von der Alm bis zur Waldgrenze.

Meranzalm, 1.915 m

Etwa nach 2/3 des Aufstiegs durch die Stufe wendet sich die Route auf eine Art Schneise westwärts hin zu einem weniger mit Bäumen bewachsenen Steiltrichter, der durch Linkswendung der Route rechts liegen gelassen wird.

Geländestufe oberhalb der Meranzalm

Wenige Minuten später traten wir durch die letzten Bäume, die den Wald bilden, in eine freie Mulde hinaus, vereinzelt mit kleinen Lärchen durchzogen, mit Zirben oberhalb der Mulde.

herrliche Ausblicke ins Stanzertal, hier links der Hohe Riffler (Verdeckt), rechts Dawinkopf, gerade noch sichtbar die Parseierspitze. markant der Rauhe Kopf sowie rechts die Silberspitze im Vordergrund

Dort wäre es möglich, einen alternativen Aufstieg zu nehmen, der an der Kante des Nordabbruchs des Venet entlangführt. Da es dort aber an Spuren mangelte, setzten wir den Normalaufstieg fort.

im Wald Oberhalb der Meranzalm, rechts hinaus gequert

Die Landschaft ändert sich ab der Mulde schlagartig in weites, baumarmes Gelände, das prinzipiell jegliche Aufstiegswahl zuläßt. Bei unserer Begehung legte allerdings der, bereits im unteren Teil des Aufstiegs schon angetroffene, Föhn noch an Intensität zu, sodaß ein Stopp zum Anziehen einer Jacke sowie der Wechsel auf die richtigen Winterhandschuhe erforderlich wurde. Wir ahnten schon, daß es eine weitere Steigerungsstufe des Föhns geben würde.

Austritt aus dem Wald in die wenig bewachsene Mulde zum Kammrücken

Man soll den Zeitbedarf ab den letzten Zirben zum Jöchl mit dem Wegweiser nicht unterschätzen. Etwa 20 Minuten werden dafür benötigt. Am Jöchl schlug uns der Föhn so richtig ins Gesicht.

in der Mulde

Mit ununterbrochener Intensität und geschätzten 60 km/h von der Seite drehten wir am Aufstieg nach Osten ab, in Richtung Glanderspitze. Der Gipfel der Glanderspitze ist vom Jöchl nicht einsehbar.

links (östlich) muß sich der alternative Anstieg befinden

Der abgeblasene Kammrücken ließ uns durch die Reste weißer Feldern zwischen den Quarzphyllitschuppen und der Bergheide hindurchzirkeln. Wenige Minuten dauerte der Aufstieg aus der Senke, bis wir den Verlauf des Gratbuckels zur Glanderspitze einsehen konnten und uns, zugegeben, enttäuscht anblickten.

freie Kammflächen breiten sich an der Baumgrenze aus

Die Glanderspitze zeigte sich weitgehend abgeblasen, vor allem im oberen Teil, durch den ein serpentinenartiger Weg hinaufzugehen scheint. Klar war dadurch, daß an eine Abfahrt vom Gipfel nicht zu denken ist.

am Venetkammrücken an unserem Umkehrpunkt

Möglicherweise wären Teile oder der gesamte Weg im Bereich der Mäander fahrbar gewesen, jedoch nicht ohne das Risiko, sich den Schi zu ruinieren. Vom Standort fehlten uns kaum 200 Hm auf den Gipfel, also noch etwa 30 bis 40 Minuten mit massivem Seitenwind und die Aussicht auf einen unangenehmen Gipfelaufenthalt.

Sagenhaft schöne Blicke auf den Kaunergrat, von Hohem Aifner über Verpeil- und Watzespitze bis zum Pfroslkopf

Diese beiden Faktoren ließen uns nicht lange zaudern, die Entscheidung fiel auf den Abbruch der schönen Schitour und nach drei eiligen Bildern suchten hinter der Rückenkuppe verzweifelt einen etwas windgeschützteren Bereich zur Umstellung auf die Abfahrt.

in Bildmitte der Glockturm, etwas rechts davon, fast genau im Süden der Gipfelbereich des Ortlers in 72 km Entfernung

Den – selbst auf dieser Position unter dem Gipfel – bemerkenswert freien Blick auf den Kaunergrat konnten wir aufgrund des unerbittlichen Windes nicht wirklich auskosten, jedoch musterten wir die Riesen im Südosten gegenüber und erkannten die sagenhaft schöne Schitour auf den Glockturm sowie im Westen die einige Monate zuvor als Sommerbergtour über den phantastischen Ostgrat auf die Parseierspitze.

im Südwesten das Urgtal mit dem Furgler im Hintergrund

Wie vermutet fand sich keine annähernd große Felsschuppe, hinter der wir hätten in Ruhe abfellen können, also mußte es bei ungebrochen starkem Föhn geschehen, der auch den Tee aus dem Becher der Thermoskanne blasen konnte.

bei der Abfahrt am Beginn der besseren Schneequalität

Die Abfahrt erwies sich im Kuppenbereich bei tiefen Windgangln so klapprig wie möglich mit kurzen Passagen Triebschnee in leichten Mulden und harschigem Deckel auf sonnenbegünstigten Kuppen – keine große Freude bis fast zur Waldgrenze hinab.

die Einnahme der Höhenmedizin sollte bei Wind spätestens auf der Alm nachgeholt werden

Über die Geländestufe hinab, bis zur Meranzalm, fanden wir großteils weichen Schnee vor, der angenehm zu fahren war und schöne Schwünge durch die Lärchen hindurch zuließ. Dieser Bereich der Abfahrt entbehrt im Hochwinter der Sonne und unterliegt nicht der Umwandlung durch die Einstrahlung.

oberhalb von Grist, links unten die Kronburg

Nach der Alm herrschten alle unangenehmen Arten der Schneeumwandlung bis ins Dorf hinab. In Schattenpartien etwas weicher, auf Freiflächen bockig hart gefroren mit Zähnegeklapper. Es braucht dringend ausgiebigen Schneefall.

Ausblick auf den oberen Teil des Aufstiegs zur Glanderspitze

Für die schöne Schitour benötigten wir bis auf etwa 2.250 m mit dem eiligen Rückzug und einer kurzen Pause auf der Meranzalm 3:45 Stunden. Dabei erledigten wir 1.125 Hm von insgesamt 1.305 Hm bis zum Gipfel der Glanderspitze (das Gipfelkreuz dürfte nicht ganz am höchsten Punkt errichtet worden sein, die Gipfelregion wird beim nächsten Mal erkundet).

Mils, 25.01.2025

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert