Selten im Winter – und in so manchem Winter gar nicht – bestehen geeignete Schneeverhältnisse, um die Schitour vom Tal aus auf den Glungezer zu unternehmen. Schneeverhältnisse, die es dem Belag erlauben nicht bei jedem Schwung im unteren Teil am Kleinvolderberg mit Maulwurfhügeln Bekanntschaft zu machen.
Über lange Zeit wurde diese Schitour als die längste Tirols gehandelt – mittlerweile gibt es weit längere.
Der Start, wie könnte es schöner sein, befindet sich in geschichtsträchtiger Umgebung bei der Karlskirche und dem Servitenkloster zu Volders an der Bundesstraßenbrücke und Abzweigung der Landesstraße nach Tulfes. Der beeindruckende Barockbau¹ der Karlskirche (Grundsteinlegung 1620, geweiht 1654) fasziniert nicht nur vom Äußeren, der Kunstgenuss des Kuppelfreskos im Inneren kann bei einem andächtigen Besuch anlässlich der Danksagung von riskanten überstandenen Schitouren bewundert werden.
In der Tat hinterläßt dieser Schitour einen bleibenden Eindruck. Alleine der Start mitten im Inntal ohne vorherigen Höhengewinn per Fahrzeug ist schon ein nicht alltäglicher.
Der Parkplatz wurde für die Zwecke des Winters extrem erweitert. Östlich der kleinen Ausbuchtung des Hanges als Parkplatz läßt, vermutlich die Gemeinde Volders, eine große Wiesenfläche zu Parkzwecken räumen – wofür man in Zeiten wie diesen den Hut ziehen muß. Insgesamt finden am Ausgangspunkt der Tour schätzungsweise an die 80 Fahrzeuge Platz.
Im unteren Teil der Tour wird quasi über den gesamten Kleinvolderberg aufgestiegen. Die Wiesen der Bauernschaften dort bilden schöne Abfahrtshänge die durch die Zufahrtsstraßen zu Wohnhäusern unterbrochen werden an denen recht nahe aufgestiegen wird – der heute im Pulk allgemein recht laut gewordene Tourenfreund möge sich des frühen Morgens mit seinen Unterhaltungen entsprechend zurückhalten, passiert er die Gehöfte.
Nach den ersten zwanzig Meter Aufstieg und dem Durchschlupf am Wegkreuz breitet sich das dahinter gelegene Feld leicht ansteigend aus und – auch eine Besonderheit dieser Schitour – das Gipfelziel wird sofort in umwerfender, in herausfordernder Entfernung sichtbar.
Aber nicht nur das Gipfelziel an sich, auch die Aufstiegsroute ist erkennbar und, wer sie kennt, auch die Waldschneise vor der Straße bei Windegg und das Schigebiet des Glungezers am Rücken zum Gipfel hinauf.
Nach dem ersten Feld an der Straße (Lachhofweg) angelangt muß dieser etwa 500m in westlicher Richtung gefolgt werden, um den nächsten Aufstiegshang zu erreichen. Bei guter Schneelage kann dies unter Nutzung eines schmalen Streifens zwischen Straße und Zäunen der Anrainer, abschnittsweise leicht unbequem links oder rechts auf der erfolgen, ohne die Schi zu tragen.
Nach dem letzten Haus in Richtung Lachhof erreicht man den nächsten Hang wieder auf dem dann lange aufgestiegen werden kann, ohne abzuschnallen.
In Summe trifft es einen etwa drei bis fünfmal abzuschnallen, je nach Aufstiegsroute, Schneelage und Salzeinsatz bei der Straßenräumung. Aus eigener Erfahrung sei jedem geraten abzuschnallen, um nasse Felle zu vermeiden.
Rasch wird auf den weißgetünchten Hängen an Höhe gewonnen. Das Ziel von unten von der Straße gesehen ist ein großer Strommast einer 110kV-Freileitung. Die Aufstiegsroute dorthin kann frei gewählt werden, falls es noch keine angelegte Spur gibt. Die Spitzkehre der Kleinvolderbergstraße beim Ortsteil Edenhaus wird links liegen gelassen, das spart zweimal Abschnallen.
Beim Freileitungsmast (etwa 860m) wird das Gelände kurzzeitig etwas flacher, da die Aufstiegsrichtung hangparallel bis zum westlich gelegenen Freileitungsmast weiterführt. An dieser Stelle lohnt sich ein kurzer Rückblick über den schönen Kleinvolderberg.
Nach Erreichen des nächsten Freileitungsmastes zieht der Aufstieg kurz über einen steilen Hang bis zum Gehöft Platten an. Hier wird der Plattenweg überschritten, um jenseits den nächsten steileren Hang zum Tulferberg aufzusteigen. Am oberen Teil dieses Hanges verengt sich die Wiesenfläche zu einem schmalen Schlauch zwischen Waldflächen, etwa auf 1.080m. Hier lohnt ein weiterer Rückblick, die ersten 500 des gesamten 2.050m Aufstiegs liegen nun zurück.
Ein weiterer Durchschlupf durch Besitzgrenzen am Ende der Wiesenschneise führt hinauf zur Tulferbergstraße bei Windegg. Ab hier befindet man sich schon im Schigebiet des Glungezer, auch wenn dort nicht immer eine technisch gezogene Piste besteht – worin auch einer der Reize des Schigebietes Glungezer besteht.
Nach der Tulferbergstraße bei Tulfein ist noch eine Hofzufahrt zu queren, die fallweise Abschnallen erfordert, sodann ist man dieser Unterbrechung bis zum Gipfel ledig.
Von einer Beschreibung des nun folgenden langen Aufstieges auf den Pistenflächen des Schigebietes soll hier abgesehen werden, da für den Tourenfreund damit kein Gewinn entsteht. Der Aufstieg erfolgt durchgehend am linken Rand der Pisten in Aufstiegsrichtung. Bei der Austragung von Schirennen ersetzt die Absperrung den Waldrand und der Aufstieg erfolgt mittig auf der Piste.
Erwähnenswert sind vielmehr die gastronomischen Angebote von Tulferhütte über das Gasthaus Halsmarter und die Tulfeinalm, die nicht nur im Aufstieg, bei den am Glungezer bekannten teilweise extremen Windbedingungen, wiewohl auch bei der Abfahrt für Labsal und bei Bedarf für warme Finger sorgen können.
Ist die Bergstation des neuen Glungezerliftes „Halsmarter“ auf 1.550m erreicht kann man sich rühmen etwa die Hälfte des Anstieges zum Glungezer erreicht zu haben.
Dort trifft man mit viel mehr Schifahrern zusammen, als im unteren Teil am flachen Halsmarterlift.
Der beliebte Sessellift von Tulfes auf die Halsmarter wurde trotz keiner leichten Phase der Erneuerung als wichtiges Signal in der Region im Herbst 2018 neu erbaut und erfreut sich in den ersten Betriebswochen großer Beliebtheit. Für so manchen in der Region Ansässigen nebst dem Autor besitzt er „Kulturgutstatus“ und muß in jedem Fall erhalten bleiben, wenn auch Verständnis dafür aufgebracht werden muß, daß die technische Modernisierung von Anlagen in der Notwendigkeit für einen Wirtschaftsbetrieb einher zu gehen hat. Nach gut 50 Jahren Dienst und dem Bekenntnis für die Zukunft hat der Glungezerlift in der Meinung des Verfassers heute Unsterblichkeit erreicht – er wurde Teil des Kulturgutes der örtlichen Bevölkerung.
Im oberen Teil des Schleppliftes, nahe der Baumgrenze bei Tulfein auf 2.000m, wich die Wolken- und Nebeleintrübung, die kurz nach dem Start für Zweifel sorgte, ob die gesamte lange Tour an diesem Tag wohl absolviert werden könnte. Der Gipfel jedoch blieb vorerst in Nebelpaketen eingepackt und Wind kam auf, der die Temperaturen von etwa acht Grad kälter anfühlen ließ.
Um die Ecke bei Tulfein gebogen keimte die Hoffnung auf, daß der Gipfelanstieg nach der Schaferhütte ein nebelfreier werden würde. Der Wind aus Nordwest fegte die hartnäckige Nebelbank mehr und mehr ins Voldertal weiter, es sollte aber noch mehr als eine Stunde dauern, und zwar bis zum Erreichen der Glungezerhütte, bis die Sicht ungetrübt wurde.
Etwa auf halbem Weg von Tulfein bis zum Ende des ehemaligen Schleppliftes „Kalte Kuchl“ sind zwei Drittel des Aufstieges erreicht. Und dort steht man vor der noch immer fern scheinenden Pyramide des Glungezers. Wer will aber hier schon aufgeben?
Als leichte Strecke zum Regenerieren durch den steilen Aufstieg neben der Piste dünkt das weitere Gelände Richtung Schartenkogel. Der Weg Richtung Schartenkogel führt in einer angenehmen Kehre hinauf und quert unterhalb der letzten Meter des Schartenkogelliftes Richtung Tufleinjöchl bis vor die Schaferhütte, 2.260m.
Dort wird das Gelände des Glungezer Schigebietes wieder verlassen und Richtung Gipfel angestiegen. Bei der Begehung des Verfassers erzwang der mittlerweile recht unangenehm gewordene Nordwestwind die Überjacke und die Kapuze war willkommen.
Der Aufstieg ist fast durchgehend mit Schneestangen in dichtem Abstand markiert. Am ersten Hang markieren die Schneestangen jedoch die Abfahrtsroute und der Aufstieg erfolgt links (südöstlich) davon in geringem Abstand und ohne Stangen. Nach der ersten Kuppe (etwa nach 50Hm) führt der Aufstieg wieder an die Schneestangen heran, die gleichzeitig die Abfahrtsroute markieren.
In der Folge wird die vorletzte Stütze der Materialseilbahn des Bundesheers erreicht und der Seiltrasse etwa 5min gefolgt, bevor die Schneestangen in westliche Richtung ableiten.
Die Wendung führt auf einen fast ebenen Quergang mit einem Aufschwung am Ende, der einem, bei viel Wind, unangenehm dichte Schneeverwehungen ins Gesicht bläst, bis der Aufschwung überwunden ist.
Zum Abschluß des Winterweges – es gibt auch einen Sommerweg südlich des Tulfeinjöchls, der im Winter als Schitour auch begehbar ist – liegt der Hang von der Sonnenspitze herab nun bis zum Gipfel einsehbar als letzte kurze Prüfung vor dem Bezwinger.
Die Entscheidung zwischen der Sonnenspitze, 2.639m oder dem Glungezer, 2.677m, der nur der Glungezerhütte 2.610m kann nun getroffen werden und aufgrund der bekannten Hausstrecke und der unwirtlichen Verhältnisse entschied sich der Verfasser für die Gerstensuppe und das Bier in der Hütte, diesmal ohne Gipfel des Glungezers.
Hierzu muß noch die Querung etwa 50Hm unterhalb der Sonnenspitze erfolgen. Links (östlich) des Anstiegs zur Sonnenspitze befindet sich ein weitgehend eingeschneiter Wegweiser und eine Seilabgrenzung weist den Weg auf den Zugang zur Glungezerhütte am Sattel zwischen Sonnenspitze und Glungezer.
Der Übergang führt, eher flach querend, durch steiles Gelände; oberhalb die Felsschrofen der Rippe zur Sonnenspitze, unterhalb ein steiler Abhang. Die Seilsicherungen bieten im Extremfall bei Sturmwind sicheren Halt, im Normalfall bedarf man ihrer nicht.
Beim Anblick der Hütte und der Einrichtungen der Materialseilbahn waren die letzten Zweifel beseitigt, daß der Gipfel nach 4:30 Stunden Aufstieg vielleicht doch mitgemacht werden sollte. Die 67m Aufstieg von der Hütte bedeuten nicht die Welt für jemand, der schon mehrere Dutzend Male dort gestanden ist.
Die Glungezerhütte, in der Grundform und die Gaststube ein Bau des bekannten Innsbrucker Architekten Theodor Prachensky, über die Treppe hinuntergestiegen und eingetreten ist eine Hütte in der man sich unweigerlich wohlfühlt. Mag es an der Holzvertäfelung oder an der Einrichtung liegen, oder einfach an einem warmen Ort ohne Windgetöse.
Ein dreiviertel Stündchen für Suppe und Bier neben anderen drei verbliebenen Tourengehern war schon das Maximum, das so spät am Nachmittag drin war, um bei der Abfahrt weiter unten nicht in Dunkelheit zu geraten. Also hieß es um 16:30 mit gewaltigem Panorama ins Unterland und mittlerweile kristallklarer Sicht Abschied nehmen vom zeitlosen Ort.
Die Abfahrt erfolgt wieder über die verseilte Gasse westlich unter die Sonnenspitze und dann der Aufstiegsspur folgend bis zum Akja, dann links von der Aufstiegsspur abzweigend, den Felskopf umfahrend bis hinab zur Abfahrt vom Schartenkogellift.
Am Weg nach Tulfein bezauberte noch der abendliche Blick des Inntales mit dem Abendrot über den Sellrainer Bergen.
Der lange Aufstieg wird einem erst ab der Tulferhütte bewußt, wenn die Oberschenkel in schneller Abfahrt zu brennen beginnen und erst noch der Kleinvolderberg mit Tiefschnee wartet.
Die Bilder über die Naturabfahrt über den Kleinvolderberg bleiben grandios in Erinnerung. Selten gibt es eine solche Möglichkeit über breite Wiesen einfach querfeldein hinabzufahren, Häuser und Stadel hinter sich zu lassen.
Der neuerlichen parallelen Fahrt oder Tragestrecke am Lachhofweg kann bei guter Schneelage auch ausgewichen werden. Oberhalb des Hauses am Lachhofweg kann auch rechts (östlich) auf schmalem Pfad in den Wald hineingefahren werden (rechtzeitig am Hang rechts weg bevor das Gefälle nicht mehr ausreicht).
Dort folgt eine kurze Schiebestrecke von etwa 50m bevor eine Kurve der Kleinvolderbergstraße erreicht wird der man talseitig der Leitschienen, gegen den Wald, etwa 200m folgt. Nachdem der Wald endet und leicht links (westlich) ein Haus zu sehen ist wird zu diesem abgefahren, die Straße überquert und somit die gesamte Strecke auf dem Lachhofweg umfahren.
Weiter links haltend über das breite Feld führt die Abfahrtsroute zum Ausgangspunkt hinab.
Eine Gesamtübersicht und ein paar Kartenausschnitte der Tour und ein Höhenprofil befinden sich in der Bildergalerie, siehe weiter unten.
Für die 10,5km lange und 2.050Hm Aufstieg messende Tourenstrecke wurden inclusive Hüttenaufenthalt 6:02 Stunden benötigt, für den reinen Aufstieg mit Fotopausen 4:33 Stunden.
Die Planung beschreibt den Aufstieg mit 5:30 Stunden, siehe Höhenprofil in der Bildergalerie.
Die Mähr von 15 oder 16km Tourenlänge ist durch eine Kartenmessung übrigens rasch widerlegt.
Die horizontale Strecke von der Karlskirche bis zum Glungezer beträgt rund 8.500m und der geodätische Aufstieg beträgt rund 2.100m. Mit Hilfe der Winkelfunktionen errechnet sich somit ein durchschnittlicher Winkel von 13,9° und bei diesem kleinen Winkel ergibt sich halt keine Hypotenuse die länger als 8.760m wäre. Wenn man nun die Kehren im Gelände und die S-Kurve nach Tulfein berücksichtigt, dann mag sich vielleicht je nach Route eine Länge von 10.500m ergeben, niemals aber von signifikant mehr – so wie es AV-Karte und Outdooractive auch ergeben.
Mils, 12.01.2019
¹Hierzu eine Erläuterung des geschichtsbewanderten Freundes des Autors, Christian Neumann, Absam:
Die Karlskirche ist eigentlich eine Barockkirche (1620 von Guarininoni gestiftet, 1654 geweiht) und keine Rokokokirche. Die Karlskirche war „der erste barocke Zentralbau Tirols“ und „die ursprüngliche Raumfassung wurde 1766/67 durch eine Rokokogliederung mit Stuckmarmorpilastern und Recaillekapitellen von Johann Georg Gigl ersetzt“ (zitiert aus Tavernier/Schubert, Tiroler Ausstellungsstrassen, Barock und Rokoko, 1995: ISBN 978-3-7022-2260-4). In Wikipedia und auch sonst überall wird vom Rokoko der Karlskirche gesprochen, das gilt aber eigentlich nur für die Umgestaltung, denn die Zeit des Rokoko war in etwa von 1725 bis 1785, aber die Kirche wurde 100 Jahre davor in der Frühzeit des Tiroler Barocks erbaut.
Die Bilder sind den weit entfernt Lebenden Traum und Trost. Herrlich. Danke.
Das freut mich Andrea, danke dir!
Viele Grüße aus Mils
Rainer