Neben dem leichteren Normalanstieg über die Valschwernalm kann die Kesselspitze als Schitour auch über die schwierigere Westseite, aus dem Loosloch, bestiegen werden. Schwierig dabei ist lediglich der letzte Teil durch die Felsen, der sehr steil, etwa 200 m östlich vom Grat, auf einem schmalen Schneeband – im Frühjahr gut zu erkennen -, schräg nach oben hinaufführt. Die Abfahrt kann auf beiden Seiten erfolgen, sodaß sich über den zweithöchsten Gipfel im Serleskamm eine schöne Runde unternehmen läßt, ungeachtet der Aufstiegsroute.
Der Aufstieg über das Loosloch ist kein vielbegangener, landschaftlich jedoch ein erlebenswerter, und er birgt ein weiteres – eher einsames – Ziel von Trins aus, den Roten Kopf, der über einen westwärts gerichteten Steilhang erstiegen und abschließend in kurzer harmloser Kletterei gemeistert wird.
Wem die Route durch die Felsen beim Studium im Aufstieg auf die Kesselspitze zu heikel erscheint, kann im Roten Kopf eine Alternative finden, die bereits von der Egarte aus sichtbar ist und das Gipfelerlebnis bedient. Der Rote Kopf entsendet eine Gratrippe Richtung Südost die den riesigen Talkessel zwischen Kesselspitze und Wasenwand teilt. Im Aufstieg nach den Almhütten der Padeilemähder begeht man denselben über eine steile Flanke im Kessel.
Auch auf den Roten Kopf hier gibt es einen steilen Anstieg, der jedoch leichter zu meistern ist, als das schmale Schneeband auf die Kesselspitze.
Im endenden Hochwinter findet man das unterste Wiesenstück oberhalb des Parkplatzes P4 in Trins so manchen mittelmäßigen Winters bereits aper und beginnt die Schitour mit harten Kunststoffschuhen auf einer kaum etwas weniger hart gefrorenen und vom Herbst noch gut eingemisteter Bergwiese. Die Lächerlichkeit des Anblicks läßt sich nicht vermeiden, aber zu früher Stunde, die die Jahreszeit gebietet, bleibt man vor hämischem Gelächter weitgehend verschont und es verbleibt einzig die eigene Scham vor der grotesken Situation, mit der man aber, angesichts der zu erwartenden Szenen 1.000 Hm weiter oben, leicht fertig wird.
Oberhalb des Holzzaunes, der den Winter über arg in Mitleidenschaft gezogen wird, können die Schi meist schon vom Rucksack ab und in Einsatz genommen werden. Am Weg vorbei an der Kapelle St. Barbara und weiter im Wald bis zur ersten Freifläche „Egarte“ ist man je nach Sonneneinstrahlung und Güte des Winters genötigt die Schi für ein paar Meter abzuschnallen und über apere Stellen zu tragen. Alles in allem – etwa bis Mitte März – eine ertragbare Anreise bis zum dauerhaften Schiaufstieg außerhalb der Zivilisation.
Der etwas steilere dafür eher schneesichere Weg vom Parkplatz trifft sich an der Freifläche Egarte mit jenem vom höher gelegenen Parkplatz der Blaserhütte. In der Mitte der Egarte fällt die Entscheidung in welcher Richtung die Runde über die Kesselspitze erfolgen soll. Zum Anstieg über das Loosloch wird dem hinteren Ende der Egarte gefolgt um den Fallschwernbach zu queren und durch lichten Lärchenbestand gegen das Loosloch aufzusteigen (ein kleiner Umweg über den Fahrweg zur Padasteralm führt ebenfalls zum Loosloch, hier vermeidet man die Bachquerung, büßt jedoch einige Minuten Gehzeit ein).
Der Lawinenstrich unterhalb des Loosloches wird direkt in mehr oder weniger Serpentinen aufgestiegen und der Abzweig in den Wald zum Padasterkogel, etwa in der Hälfte des Aufstiegs zum Beginn des Loosloches, links liegen gelassen.
Weiter oben verschmälert sich das Tal durch den herrlichen Hauptdolomit des Brennermesozoikums, der beide Talseiten beherrscht und imposante senkrechte Wände bildet, durch die einer der schönsten Anstiege der Touren von Trins aus führt – das Loosloch.
Zweifellos muß das Loosloch, sowie dessen nordöstlich begrenzenden Couloirs der Padeilemähder, als ein einziger Lawinenstrich bezeichnet werden. Allein der Bewuchs gibt Auskunft über die Rutschstrecken. Dies ist mit ein Grund warum die Schitour, der Tageserwärmung der Jahreszeit folgend, am frühen Morgen gestartet werden soll.
Der Aufstieg durch das Loosloch erfolgt im unteren Teil eher rechts im Aufstiegssinn, um die steile Flanke vom Foppmandl herab zu umgehen. Nach dem ersten Drittel des steilen Abschnittes wechselt man nach links in die auch noch zu Ende des Februar schattigen Hangteile nahe den Felsen, um dort gute Aufstiegsbedingungen vorzufinden und, als Hauptgrund, den gewaltigen Schneemäulern im steilsten und am meisten besonnten Teil des Loosloches zu umgehen.
An der Kante oben, am Ende des Loosloches auf etwa 2.060 m, öffnet sich ein bemerkenswert schöner Blick auf den Hochtalkessel mit einer weiteren Steilstufe. Die Durchquerung des Kessels unternahmen wir links einer Bachsenke, nahe den steilen Felsen, die den Verbindungsgrat von Foppmandl zur Wasenwand bilden, über dessen Überschreitung hier berichtet wird.
In einer leichten Rechtskurve passierten wir, mit wenigen Metern Höhenverlust, die südwestlichst gelegenen Hütten der Heuwirtschaft der Padeilemähder, die noch heute durchgeführt wird und seit kurzem zum Gebiet von „Natura 2000“ zählt.
Nach den beiden Holzhütten folgt die Besteigung der Westflanke der Rippe vom Roten Kopf herab. Die Flanke ist durch Ausrichtung und Neigung von etwas über 35° Ende Februar bereits gegen 9:30 so intensiv bestrahlt, daß man anhand der Schneekonsistenz erraten kann wie die Verhältnisse der annähernd parallelen Schlüsselstelle durch die Felsen unterhalb der Kesselspitze sein werden, zu deren Aufstieg noch etwa eine Stunde benötigt wird.
Oberhalb der Flanke wird die Sicht auf den letzten Teil der Tour frei und hier kann eine Trinkpause dazu dienen die weitere Anstiegsroute zu planen.
Die Schneise ist von dort aus im Detail gut einsehbar, sowie ihr Zugang, den wir sorgfältig wählen wollten, angesichts der kleinen Schneerutschungen und eines großen Schneemauls im Hang darunter.
Wir beschlossen den Zustieg zum Ende des Talkessels und der Entscheidung aufgrund der dortigen Schneekonsistenz, ob wir den direkten Aufstieg über die Flanke nehmen, oder über den Grat vom Roten Kopf zur Kesselspitze ausweichen sollen. Im Blick nach oben kann man das schmale, links nach oben gerichtete Schneeband gut erkennen und wir zollten diesem Anblick einigermaßen Respekt.
Die Entscheidung fiel eindeutig zur Umgehung des direkten Hangs aus in dem uns nicht nur das Schneemaul, sondern auch die direkte Bestrahlung nicht sehr gefiel und wir wählten die etwas weniger der Sonne zugewandte Flanke auf den Grat, in der wir zwar kaum eine unterschiedliche Schneekonsistenz, jedoch weitgehende Homogenität derselben feststellten.
Am Grat konnten wir die Situation zum und die Passage über das Schneeband, das den Felsriegel durchschneidet, während unseres Aufstiegs gut studieren und beschlossen auf einer Kuppe oberhalb des Sommerweges (Wegweiser) die etwa höhengleiche Querung zum Einstieg unter dem Felsriegel. Da Erfahrung lehrt legten wir die Harscheisen gleich auf der horizontalen Kuppe an und beschritten den aufgeweichten Hang.
Während unserer Gratbesteigung fuhren einige Kleingruppen eine Passage suchend durch den Felsriegel ab, dessen Verlauf durch die Hangneigung von oben nicht einsehbar ist, wie wir bei der Begegnung am schmalen Band von den Letzten von ihnen erfuhren. Dies erklärte uns auch deren hin und her im Hang oberhalb dem Felsriegel, bevor, wie man uns wissen ließ, durch unsere Querung die Richtung hindurch angezeigt wurde.
Der anstrengendste Teil des Steilaufstiegs scheint wohl der unterste Richtungswechsel von der ostwärts gerichteten Querung auf das nordwestlich ausgerichtete Schneeband, dessen Durchstieg eine gute Viertelstunde in Anspruch nahm.
Unter kurz gehaltenen Spitzkehren am Schneeband erfolgte ein mühsamer Aufstieg im aufgeweichten Firn über etwa 60 Hm, der aufgrund der Hangneigung in direkter Linie nicht möglich war. Selbst im oberflächlich weichen Firn müssen Harscheisen aufgrund der Steigung durch diese Passage empfohlen werden.
Kurz vor dem oberen Ausstieg auf den breiten Gipfelhang durchzieht ein ausgeprägter Couloir den Felsriegel, das recht weit gegen das Ende des Schneebandes hinaufzieht.
Diese Stelle zwingt abschließend, über ein paar Meter, zu einer sehr steilen Routenführung, bevor oberhalb des Rinnenansatzes der Gipfelhang erreicht wird.
Der Gipfelhang oberhalb dieser steilsten Stellen durch den Felsriegel legt sich in seiner Neigung gegen den Gipfel der Kesselspitze hin bald deutlich zurück und wird gegen den Gipfel hin immer flacher.
Im Blick vom Gipfelhang zurück ist gut erkennbar, daß die Sicht auf die Passage durch den Felsriegel in der Tat nicht vorhanden ist. Couloir und Schneeband (im Abfahrtssinn links schräg hinab) sollten allerdings eindeutige Zeichen für die Abfahrt darstellen.
Das Prachtwetter am letzten Februartag lockte viele Besucher der Kesselspitze an, deren Aufstieg jedoch am Normalanstieg über die Valschwernalm erfolgte. Diesen wählten wir als unsere Abfahrt, weil er weniger der Sonnenbestrahlung ausgesetzt ist und bessere Abfahrtsverhältnisse erwarten ließ.
Die grandiose Aussicht auf der Kesselspitze findet sich beim Bericht über den Normalanstieg beschrieben, daher wird hier darauf verzichtet.
Am Bild vom Gipfel in Richtung Loosloch kann ein Großteil des Aufstiegs eingesehen werden – vom schattigen Steilhang neben den Felsen vom Foppmandl herab, bis in den Talkessel unterhalb des Verbindungsgrates. Dahinter die gewaltige Kulisse der Tribulaune.
Unsere Abfahrt spielte sich so unspektakulär wie erwartet ab. Der Schnee zum Großteil durch Setzung und Umwandlung hartgepresst mit ein paar angenehm zu fahrenden Firnstrecken im unteren Teil nach am und nach dem Steilhang der Valschwernalm.
Für diese grandiose Schitour gelten die Empfehlungen der Wahl frühestens im Spätwinter, bzw. wenn die Umwandlung der Schneedecke in Firn stattgefunden hat und des tageszeitlich frühen Starts, je nach zu erwartender Einstrahlung auf den kritischen Teil oben ab 2.400 m.
Wir haben für die gesamte Schitour 5:15 Stunden benötigt, mit einem Gipfelaufenthalt von etwa einer halben Stunde.
Die Aufzeichnung des Gesamtanstiegs zeigte 1.515 m und die Aufstiegsstrecke beträgt etwa 6,5 km.
Mils, 28.02.2021