Sozusagen das licht- und schneemäßige Gegenstück zur gestrigen Tour ist die Scheibenspitze – zur Rechten, also südlich, taleinwärts gesehen – eine recht kalte Angelegenheit im Jänner, vor allem wenn man früh startet.
Dafür – in der Natur kein Nachteil ohne Vorteil – finden sich zurzeit bessere Schneeverhältnisse im oberen Teil, ob dem Hochleger der Blasigleralm.
Nicht daß bei mir der so häufig zu lesende Hype nach einer Pulverabfahrt, oder noch schrecklicher der Terminus „Powderalarm“ ausgebrochen wäre, aber für den langen schattseitigen Aufstieg mit fünfeinhalb Minuten durchgehende Fahrt in Summe im weichen, leicht zu beherrschenden Lockerschnee belohnt zu werden ist schon eine Entschädigung, die meinerseits gewürdigt wird.
Um 9 Uhr verlasse ich einen kleinen Parkplatz ca. 200m unterhalb des Kirchenwirtes, der zunehmend mit schneehungrigen Südtirolern und auch deren südliche Nachbarn gefüllt wird.
Für den Aufstieg kam der direkte Weg, die Rodelbahn, zur Weirichalm zur Auswahl. Möglich wäre auch gleich bei der Kirche aufzusteigen und in den gleichen Weg weiter oben einzubinden. Diesen habe ich zur Erkundung in der Abfahrt genommen und, außer einer Anschiebestrecke von etwas knapp 100m, wenig Unterschied zum Weg direkt neben dem Weirichbach festgestellt.
Alsbald gelangt man auf eine Ebene, der mehrere Abzweigungen entspringen. Zuerst geht es rechts ab zur Schafseitenspitze, dann wieder rechts zur Urbesalm und nach einigen Minuten geradeaus wird im Gelände der Weirichalm die Abzweigung zur Blasigleralm erreicht.
Nach dieser Verzweigung geht es wieder ein paar Minuten rechts ab und über eine flache Almpassage über eine Brücke. Vor der Brücke kann bereits der imposant hoch oben thronende Hochleger der Blasigleralm gesichtet werden, der auch eine optisch klare Marke für die nächsten 450Hm setzt, die mit einer gewissen Beeindruckung über das zu bewältigende Gelände einhergeht.
Wenige Minuten nach der Holzbrücke wird die Blasigleralm erreicht und der Almweg führt noch ungefähr 100Hm weiter bevor er verlassen wird und sich die Aufstiegsspur linkerhand am steilen Hang durch einen lichten Lärchenwald empor schlängelt. Die Hangneigung beträgt hier laut Tiris teilweise mehr als 30° und bei entsprechenden Verhältnissen ist Vorsicht geboten.
Heute allerdings war der Schnee schon gut gesetzt und nicht nur oberflächlich, sondern tief hinab recht fest.
Nach dem Hochleger auf rd. 2.060m würde man sich die noch immer zu flach einfallende Sonne wünschen, aber auch Ende Jänner reicht es am Vormittag dafür nicht und die herabziehende Thermik läßt die Nase einigermaßen gefühllos werden.
Die Aufstiegsspur führt dafür zum Glück auf einen wenig ausgeprägten Kamm weiter, der auf den obersten Metern für ein paar Minuten Sonne sorgt. Dort gibt es auch eine Verzweigung der Aufstiegsspuren. Rechts weg geht eine Spur über den Steixnerkamm, vermutlich auf den Grat zur Schafseitenspitze.
Links bzw. direkt südwärts geht es dem Steilhang unterhalb des Grates zur Scheibenspitze zu. Schon beim Hochleger war die kleine Lawine zu sehen und verbreitete mulmige Gefühle. Bei der Näherung konnte ich jedoch entdecken, daß sich die Grundlawine bereits total verfestigt hat und die Aufstiegsspur kreuz und quer auf dem Brockenhaufen aufwärts angelegt wurde.
Das Gelände ist auch hier wieder über 30° steil, im oberen Teil des Hanges, im Anrißgebiet der Lawine ca. 50Hm unterhalb des Grates zur Scheibenspitze, dürften es 35° oder mehr sein.
Nach Durchschreiten des Kegels, im oberen Teil der Lawine, bleibt teilweiser Bodenkontakt auf Fels nicht aus, die schlechte Bindung der Schneedecke im heurigen Winter ließ nahezu alles über dem Fels abgleiten.
Mit ein wenig Akrobatik ganz oben beherrscht man das wechselhafte Gelände und im obersten Anrißgebiet verläßt die Spur rechts die Mulde, der bis oben gefolgt wurde. Von dort sind noch ca. 50Hm im Steilhang zu bewältigen und alle 5m wechselnde Schneebedingungen deuten auf die schwierige Situation mit dem Schneedeckenaufbau hin. Von harschig hart bis total weich mit großen kantigen Kristallen ohne Bindung findet sich nahezu alles.
Die Freude auf Sonne ist nun auch groß und die letzten 15min am Grat sind eine Wohltat nach dem kalten nordseitigen Anstieg.
Am flachen Gipfel herrschte – wie vorausgesagt – Windstille. Eine beträchtlich große Gruppe Südtiroler kam fast gleichzeitig mit mir am Gipfel an, sie haben den Aufstieg vermutlich über die Stoffenalm und über den Grat genommen, wahrscheinlich etwas sonniger und bei prekärer Warnstufe der sicherere.
Der Ausblick wieder gewaltig. Im Süden der Olperer und tief unten das innere Schmirntal, im Nordosten die Reckner und Tarntaler, im Norden die Grünbergspitze, im Westen die um gut 100m höhere Schafseitenspitze und fern im Hintergrund die Stubaier und im Nordwesten die Kalkkögel und das Karwendel im Norden.
Die Abfahrt erfolgt über den Steilhang des Aufstieges. Ab der kleinen Scharte unterhalb des Gipfels der Scheibenspitze hat man den besten Einstieg. Mit einem erwartungsvollen Gefühl stieg ich in den Hang ein und mußte ca. 50Hm den abgeblasenen Felsbrocken ausweichen bevor – nun in Abfahrtsrichtung links (westlich) – ein doch sehr wenig angefahrener Pulverhang sich vorzüglich für die gesamte Abfahrt bis zum flacheren Teil anbot.
Die Schwünge mit Bedacht gefahren konnte keine außergewöhnliche Situation beobachtet werden. Ab und dann graschelte an den Kanten, die Schneedecke ist nicht sehr dick.
Unten angekommen fiel Spannung von mir ab und nun konnte ich mich auch des flachen Hanges bis zum Hochleger erfreuen und ein kurzes Video über die Schneeverhältnisse drehen:
Bereits kurz vor dem Hochleger war nun schon die Sonne aufgegangen und der zerfahrene Hang mit dem Harschdeckel wurde wieder anstrengender zu fahren. Ebenso die beschienenen Hangteile unterhalb des Hochlegers im Lärchenwald.
Im Mittelteil der Abfahrt bis zur Blasigleralm herrschten dann wieder Lockerschneeverhältnisse, weil dort die Sonne im Jänner überhaupt nicht einstrahlt. Also eine weiche Fahrt bis zum Weg oberhalb der Alm.
Der Rest der Abfahrt vollzieht sich wieder auf den Almenwegen des Aufstieges und braucht keine besondere Beschreibung.
Im untersten Teil der Rodelbahn probierte ich den eingangs bei der Kirche startenden Weg, der nicht anders ist als der des Aufstieges, mit der Ausnahme, daß man noch ein klein wenig weiter in Dorfmitte kommt.
Die Schi habe ich mir nicht weiter ruiniert, aber Vorsicht auf der gesamten Abfahrt ist immer vonnöten, es herrscht einfach eine zu dünne Schneedecke.
Für den Aufstieg über die 1.170m habe ich knapp 2 3/4 Stunden benötigt. Man sei hier vorsichtig, im Internet werden die verschiedensten Aufstiegszeiten mit breiter Streuung kolportiert, wobei 3 Stunden +/- angebracht erscheinen.
Mils, 29.01.2017