Wer die Torwand im Wattental im Jänner früh am Morgen angeht, steigt über lange Passagen im Schatten auf. So ist es mir heute ergangen – trotzdem gefiel mir der abwechslungsreiche Aufstieg in felsigem Gelände und die gesamte Tour.
Vom Parkplatz vor dem Lager Walchen wird zunächst über die linke Bachseite und Stieralm auf der Schiroute in Richtung Lizumerhütte aufgestiegen. Einige hundert Meter nach der Abzweigung zur Lizumerhütte weiter wird über die links aufsteigenden Hänge in Richtung Rosskopf – einem markanten runden Buckel – der etwas dem Weg zum Torjoch vorgelagert ist, aufgestiegen.
Ich habe heute eine Variante gewählt, um den flachen Teil der Straße zur Lizumerhütte zu vermeiden und bin hinunter zu den Kasernengebäuden gefahren und zur Kapelle aufgestiegen.
Dort fand ich eine frische Spur vor, die zur Grauen Wand führen sollte und bald sah ich zwei Mann vor mir in der sehr abgeblasenen Flanke in Richtung Graue Wand aufsteigen. Muß kein sonderliches Hochgefühl sein hier abzufahren.
Oberhalb des kleinen Einschnittes zweigte ich von der Spur ab und stieg etwas steiler in Richtung Karmulde des Torjoches weiter, wodurch ich den Rosskopf praktisch links (nördlich) in Aufstiegsrichtung umgangen bin. Der Vorteil – neben einer Abkürzung von geschätzt 10min – dieser Routenführung war, daß ich gegen 10:20 Uhr den bereits besonnten Bereich erreichte und länger darin aufsteigen konnte, als bei der Originalroute.
Allerdings wird die untere Karmulde dabei in der vollen Tiefe erreicht, was einen etwas steileren Aufstieg in Serpentinen notwendig macht, wenn man nicht zur deutlich höher gelegen Spur von der Lizumerhütte herauf aufsteigen. Diese führt in der Flanke der rechten Karbegrenzung ohne Serpentinen aufwärts, bis zur nächsten flacheren Stufe. Später habe ich erfahren, daß durch diese Spur kurz vor mir Kollege Jürgen eine kleine Tuxer Reib’n absolviert hat und sein lesenswerter Bericht sich lohnt bei ihm vorbeizuschauen.
Oben angekommen breitet sich eine leichte Mulde aus und im Sommer gibt es dort offenbar einen kleinen See oder eine Lacke, im Winter ist nichts davon sichtbar.
Die Spur zum Torjoch setzt sich nun mit einigen wenigen Metern Höhenverlust fort.
In etwa auf Punkt 2.370m zieht rechter Hand eine auffällige Rippe ziemlich direkt südlich zu einer Flachstelle im Kamm auf die Torwand hinauf und diese muß man für den weiteren Anstieg wählen, das Torjoch (2.386m) wird nicht erreicht, ca. 150m vorher zweigt die Route auf die Torwand ab.
Der Aufstieg erfolgt wieder im Schatten, da gegen 11 Uhr die Sonne vollständig vom Gipfelaufbau der Torwand abgedeckt wird. Dies ändert sich erst oben, nachdem der Kamm erreicht wurde (siehe Foto).
Ab der Flachstelle – ich habe sie Podest genannt, obwohl sie viele Meter breit ist – taucht man wieder in Sonnenhänge ein, die jedoch immer wieder unterbrochen werden, da die Nordwestflanke der Torwand am Spätvormittag exakt parallel zur erst auftauchenden Sonnenbahn liegt.
Die schneebedeckten Hänge zum Gipfel muß man sorgfältig aussuchen und von unten die beste Route einschätzen, denn im heurigen Winter hat der Föhn ganze Arbeit geleistet. Nicht nur, daß er die Flanke recht ausgiebig abgeblasen hat, er hat auch harsche, harte Windgangln geschaffen, die manchmal recht unangenehm zu queren sind.
Überhaupt bieten die letzten 250Hm einige Herausforderung. Die Flanke ist recht steil und für eine Erstbegehung die beste Variante trügerisch einzuschätzen weil die Steilstufen nicht vollständig überblickbar sind.
So bin ich etwas zu weit nach Süden abgekommen, fand aber zwischen den Blöcken rasch wieder heraus und kam auf breite Flächen, die die Normalroute darstellen.
Im Großen und Ganzen bietet der Anstieg über die teilweise rassige Steilflanke jedoch keine Schwierigkeiten und über eine schöne steile Kuppe wird dann der Gipfelbereich betreten.
Die Torwand wartet nicht mit einen Gipfelkreuz auf. Eine schlichte Holzstange im Steinmandl gesockelt stellt die gesamte Zier des Gipfels dar. Es gibt kein Gipfelbuch, zumindest nicht offensichtlich.
Als erstes fällt am Gipfel der Torwand der südlich gelegene und um 55Hm höhere und imposant steil aufragende Gipfel der Kalkwand auf – eine schöne Tour muß die Kalkwand wohl sein.
Über den Ausblick möchte ich mich zu den Touren im Wattental heuer nicht wiederholen – er ist einfach auch von der Torwand großartig. Besonders das Trio der Riesen im Südwesten (Geier, Reckner und Sonnenspitze) bieten Grundlage für tolle Fotos.
Von Osten Bis Süden warten die Zillertaler Giganten mit ihrer weißen Pracht auf und oberhalb der Grüblspitze, über der Junsbergalm im Tuxertal erkennt man deutliche Ansätze von tückisch breiten Anrissen der heuer auf Wiesenhängen so problematischen Gleitschneelawinen. Südlich ausgerichtete Wiesenhänge – kein gutes Aufstiegsgelände heuer.
Immer wieder imposant ist der breite und nach den kräftigen Schneefällen nun besonders schöne Talkessel der Wattener Lizum mit dem weiten Hochtal, der zum Talabschluß die Mölser Sonnenspitze hat – eine empfehlenswerte, traumhafte Rundtour vom Lager Walchen.
Kaum ein Lüftl heute auf der Torwand machte mir den Gipfelaufenthalt zur Freude. Die zeitlose Schönheit des Panoramas und wieder einmal kein einziger weiterer Bergsteiger – alle Pracht für mich alleine. Leider aber auch keine Möglichkeit die Freude verbal und den Gipfelschnaps zeremoniell zu teilen.
Hoch inspiriert trat ich den Rückweg an. Die steilen Hänge schnell überwunden und aufgrund der festen Windpressung recht gut fahrbar tauchte ich oberhalb der Höhe des Podestes in pulverige Passagen ein, ebenfalls nicht übel zu fahren.
Vom Gipfel aus fiel mir der schöne breite Kamm, der sich zu einem weiteren Kopf (nicht dem Rosskopf) hinauszieht ins Auge und ich beschloss diesen erreichen zu wollen.
Leider war der untere Verbindungsteil vom Podest bis zum Kamm total abgeweht und ich mußte ihn nordseitig in Gelände mit und über 35° Neigung umfahren (Vorsicht bei zweifelhaften Schneebedingungen!).
Die vorsichtige Umfahrung war das kleine Risiko bei LWSII heute wert, denn am Sattel in diesem Kamm, an dem man direkt in die „Melkböden“ abfahren kann erwartete mich aufgrund der Hangausrichtung eine gewaltige Firnabfahrt.
Der Rest der Abfahrt zieht sich dann durch flacheres Gelände, bis zum noch etwas steileren Schlußhang kurz vor der Lizumerhütte hinab und rundet die schöne Tour ab.
Einige Minuten Seelebaumel vor der Hütte in voller Sonnenbestrahlung und dann Suppe und Bier – Herz was willst du mehr?
Der Rückweg über die Militärstraße und dann durch den tollen Zirbenwald ist der übliche und vielfach hier am Blog nachzulesen, er wird in diesem Bericht nicht beschrieben.
Der Aufstieg ab dem Parkplatz hat knapp 4 Stunden in Anspruch genommen, die zurückgelegte geodätische Höhe betrug gem. Bergsteigeruhr 1.450m und die gesamte Tour mit Gipfelaufenthalt (ca.30min) und Einkehr in der Lizumerhütte (ca. 30min) hat 6 1/4 Stunden gedauert.
Mils, 27.01.2018