Die formschöne Wetterspitze im Aggls-Rosskopf-Kamm der Stubaier Alpen in Südtirol ist eine lohnende, nicht ganz einfache und rassige Schitour, aus Nordtirol kommend eher vom Pflerschtal als vom Ridnauntal her begangen. Durch das lange Allrisstal führt die Route auf den kühnen Gipfel.
Eine abklingende und sich auflösen sollende Nordstaulage trieb uns hinter den Brenner auf diese außergewöhnlich schöne Reise, die bereits einmal abgebrochen werden mußte, weil sie ihrem Namen alle Ehre erwiesen hat und uns mit Schneefall und Nebel abgewiesen hat. Diesmal sollte es umgekehrt erfolgen.
Über die Pflerschbachbrücke bei St. Anton im Pflerschtal und 500 m weiter zum Parkplatz, bei dem kein windiger Automat, sondern ein Einheimischer 5.- einkassiert, fährt man, wenn die Wetterspitze bestiegen werden soll. Die Straße noch 1,3 km weiter müßte man fahren, wenn man die Maurer- oder Ellesspitze besteigen wollte.
Der Aufstieg vom Parkplatz erfolgt teilweise über die Rodelbahn, die, von der Allrissalm herab, ein beliebtes Familienziel darstellt und bei der Abfahrt nach dem Almbesuch zur Ende der Tour meist gut frequentiert ist.
Die Rodelbahn kann nach der ersten und zweiten Kehre abgekürzt und in der Schneise dazwischen aufgestiegen werden. Dabei muß Staudenwerk umgangen werden und bei dürftiger Schneelage bzw. wie in unserem Fall mit Schneefall, der seit vielen Tagen ausgeblieben ist, findet man den Aufstieg durch das Abrutschen von Abfahrern meist vereist vor, müht sich merklich über diese Passagen und bekommt daher gleich zu Beginn der Tour warm.
Bereits 150 m unterhalb der Alm werden die Almgebäude oberhalb einer freien Weidefläche gesichtet. Und nach der Tour wärmstens empfohlen zu betreten.
Am Weg ins Allrisstal wird die Alm rechts liegen gelassen, man folgt kurz dem Weg, der oberhalb der Alm nicht mehr präpariert ist, ins sich verengende Allrisstal neben dem gleichnamigen Bach, der an der Wasserfassung über die Brücke überquert wird und steigt im Aufstiegssinn rechts vom Bach auf.
Das Tal weitet sich sofort nach der kurzen Waldpassage merklich auf und bildet einen breiten Talkessel, den man erst weit hinten, bei einer Talstufe sich verengen sieht. Gleichzeitig erkennt man in schleifendem Winkel links über der Talbegrenzung die Wetterspitze, rechts einen kleinen Teil der Maurerspitze unter Sonnenbeleuchtung.
Der einzige Nachteil der bärigen Tour im Hochwinter ist die fehlende Beleuchtung im Tal. Im Jänner geht es durch das Tal hinauf, meist mit einem leicht unangenehmen Zug von Thermik von der Maurerscharte herab. Da tut manchmal der Blick in die Gegenrichtung not mit dem herrlich beleuchteten mächtigen Pflerscher Tribulaun und der Kette nach Osten mit dem tollen Schitourenberg des Nördlichen Rosslaufs.
In einem schneereichen Winter muß der Aufstieg unter Sonne im März eine wahre Pracht sein.
Während der Sommerweg die Schrofen der Talstufe recht im Aufstieg durch Serpentinen überwindet, wird im Winter eine direkte Linie verfolgt und zwar links des Bacheinschnitts im Aufstieg. Das Gelände steilt merklich auf, bleibt jedoch unter 35° Hangneigung.
Oberhalb der Talstufe weitet sich das Gelände wieder auf und die 2.000 m Marke wird überschritten.
Vegetationslos geht es weiter, der nächsten, kleineren Verengung des Talgrundes entgegen. Zwischen Felsblöcken hindurch, die durch den unverkennbaren Charakter von Schiefergneisen (Ötztaldecke) geprägt sind.
Die zweite Talstufe erfolgt flacher und etwas länger. Sie leitet in das letzte große Teilbecken des Allrisstals mit dem Talabschluß, ein Hang, der auf den letzten 100 m nach oben hin Hangneigungen von über 35° aufweist – mit Stellen knapp unter 40° -, die aber umgangen werden können.
Hierzu hält man sich links im Aufstieg, zwischen nur kleinen Gesteinsbrocken hindurch. Mehrere Spitzkehren sind für den Anstieg erforderlich, der nach oben hin flacher wird. Wir konnten diese Steilpassage ohne Harscheisen bewältigen, ihre Notwendigkeit sollte durch die Nordausrichtung des Anstiegs jedoch stets bedacht werden.
Die Maurerscharte auf 2.511 m wird erreicht. Dort kann das Schidepot angelegt werden, falls die Schneeverhältnisse keinen weiteren Anstieg erlauben. Der Grat der Scharte geht gleich am Ansatz der Wetterspitze steil los, weswegen wir den Anstieg in der Südflanke wählten, leicht unterhalb des Grates.
Nach dem vollständigen Übergang des Grates in den zunächst breiten Osthang der Wetterspitze bietet sich ein steiler Aufstieg mit Spitzkehren an, der in unserem Fall wegen Schneemangels bald beendet werden mußte, etwa auf 2.625 m, bei einem schmalen, felsigeren Teil des Osthangs, der mittlerweile eher zu einer Rippe schrumpfte als zu einem Hang.
Auch die Suche nach einer Spur zwischen den Felsbrocken wurde aufgrund Schneemangels immer schwieriger.
Das Gipfelkreuz der Wetterspitze ist bereits unterhalb der felsigen Stelle sichtbar. Über die letzten 100 m konnten wir den Restaufstieg problemlos in alten Stapfspuren absolvieren.
Vor dem Gipfelaufbau erklimmt man eine vorgelagerte Schuppe, die oben, zum Gipfel hin, mit einem steilen Abbruch auf den dünnen Grat hin abbricht.
Dort befindet sich eine Kunstplastik aus grob geschnittenen und verschweißten Stahlblechen über deren Sinn man rätselt.
Sie stellt möglicherweise eine kühne Bergspitze dar, vielleicht sogar die Wetterspitze selbst und sie wurde fast direkt am Aufstiegspfad errichtet, sodaß ein Ausrutscher auf ihre Spitze fatale Folgen hätte. Ein Augenreizer jedoch allemal.
Dahinter wird auf schmalem Rücken zum Abbruch abgestiegen und dies sollte mit Vorsicht geschehen, je nach Vereisung des Geländes. Der Abbruch ist etwa zwei Meter hoch und bietet gute Griffe, sodaß er dem alpin Gewandten nicht schwierig ist.
Jenseits des schmalen Schärtchens warten einige Meter steilen Aufstiegs am schmalen Grat, bevor sich der Hang ausprägt und zur Gipfelflanke wird, die über wenige Aufstiegsmeter zum Gipfelkreuz der Wetterspitze führt.
Zuerst galt unser Blick nach Norden, zur Nordstaulage, die sich hätte rasch am Vormittag auflösen sollten, anhand der Nebel, die immer noch im nördlichen Wipptal zu sehen waren, aber länger dafür benötigte. Somit war der innerliche Drang gestillt, den Beweis gesucht zu haben die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
In dieser Blickrichtung genießt man vom Gipfel der Wetterspitze einen fantastischen Ausblick auf den Tuxer Kamm der Zillertaler Alpen, beginnend mit der Amthor- und Rollspitze, weiter über Wolfendorn, Kraxentrager, Kluppen, Hohe Wand, Sagwandspitze, Schrammacher, Fußstein und schließlich dem Olperer.
Den Zillertalern westlich vorgelagert sind die sanften Brennerberge mit den leichten Tourenzielen des Sattelbergs, Hoher Lorenzen, Fradersteller, Grubenkopf und Geierskragen sowie dem Südlichen Rosslauf.
Weiter im Osten die höchsten Zillertaler in der Ferne und vorgelagert die Pfunderer Berge mit dem Flaggschiff der Wilden Kreuzspitze.
Gegen Südosten hin die Dolomitengruppen, an unserem herrlichen Tag mit vielen Details und den markanten Gipfeln des Langkofel und der Rosengartenspitze sichtbar, im Süden Brenta und Adamello und schließlich im Südwesten die Hohe Kreuzspitze mit dem mächtigen Lodner und der Hohen Weißen in 30 km Entfernung im Hintergrund.
Die Ötztaler Granden finden sich im Südwesten und Westen mit der Hoch Wilde als südlichste Begrenzung Nordtirols, dem Hinteren Seelenkogel, Liebener Spitze, Hochfirst und dem Granatenkogel, um nur einig zu nennen.
Schlußendlich bilden die hohen Stubaier des Südwestens, Botzer, Sonklarspitze, Zuckerhütl und Wilder Pfaff, Wilder Freiger.
Im Nordwesten die Agglsspitze (auch Aglsspitze), Westlicher und Östlicher Feuerstein, Schneespitze, Weißwandspitze, Hoher Zahn, Pflerscher Pinggl, Goldkappl, die mächtigen Pflerscher und der zahmere Gschnitzer Tribulaun den Abschluß der atemberaubenden Schau.
Die Abfahrt vom Gipfel zur Scharte wechselte zwischen harten und halbweichen Schneeverhältnissen, schifahrerisch nicht erwähnenswert.
In der Mulde vor der Scharte einige Meter eingewehter Triebschnee.
Von der Scharte ins Tal hinab dominierten hartgepresste Oberflächen mit Windgangln, relativ unfein zu befahren.
Im Talkessel angelangt, wechselten wir auf die orografisch linke Seite und fanden dort etwas bessere Schneeverhältnisse für die Abfahrt vor. Von pulverigem Schnee konnte man allerdings nur in Mulden mit eingewehtem Triebschnee reden.
Weiter unten im Allrisstal herrschten wieder die selben Verhältnisse wie nach der Scharte, allerdings mit wenig fester Decke. Das Drehen im Bruchharsch fiel uns schon schwer und Passagen mit wenigen Schwüngen waren eine Wohltat.
Das Highlight neben dem Gipfel stellte die Einkehr in der Allrissalm dar. Wie immer war sie gut besucht, den Besuch aber jedenfalls wert.
Die Bergsteigeruhr zeigte den Aufstieg mit 1.505 m an (geodätisch sind es 1.466m).
Die Strecke beträgt 6,8km (über die Rodelbahn) und unsere Gesamtzeit mit allen Pausen betrug 6:21 Stunden. Die reine Aufstiegszeit auf den Gipfel betrug 3:35 Stunden.
Mils, 23.01.2022
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