Das vom Tal wenig einsichtige Fallbachkar findet seine nördliche Begrenzung in einer gewaltigen Felsmauer, den Fallbachkartürmen. bis zu 200m ragen sie – im Bogen geschlossen – über den hinteren Karboden auf und stellen somit die fortlaufende Halltalkette sicher, die durch das Kar eine jähe Trennung erfährt.
Die Überschreitung der Fallbachkartürme stellt für den Bergsteiger auch die elegantere Methode dar, vom Hundskopf auf die Bettelwürfe zu gelangen. Die Alternative hierzu stellt nur der fast völlige Abstieg von der Hohen Fürleg in das Fallbachkar und ein sehr mühsamer Aufstieg von diesem auf die Scharte bis Pkt. 2.625m dar. Diese Alternative ist jene, die als Normalweg für dieses Vorhaben im AV-Führer beschrieben ist.
In Bergsteigerkreisen kursiert noch eine Variante die zwischen den beiden Routen liegen soll. Beim Anblick der Türme fällt es jedoch schwer sich auf halber Höhe eine Passage auszumalen. In jedem Fall aber kommt man bei jeder anderen Variante, als der Direktüberschreitung, um das Hinaufwühlen zu Pkt. 2.625m, über steilste Schutthänge nicht herum.
Die Fallbachkartürme sind im Ostteil teilweise sehr brüchig (vor allem am Walderkampturm) und abgesehen von einigen typischen gelbbraunen Störzonen sowie einem Bereich im Mittelteil bei dem das Gefühl aufkommt, es handle sich beim Fels um Hauptdolomit, akzeptabel fest. Man traue dem einladend griffigen Fels generell aber nie wirklich und prüfe bevor man sich bindet…
Unsere Anreise erfolgte über die Hinterhornalm. Andi und ich verließen die Alm knapp vor halb acht Uhr, durften uns daher noch auf einen kühleren Aufstieg freuen.
Wie immer im Karwendel ist der Wasservorrat ein zentrales Thema, oberhalb der Alm gibt es keine Möglichkeit zur Tankung. Meine große Aluflasche würde daher nur sehr knapp ausreichen, aber im Hinblick auf die nahegelegene Bettelwurfhütte konnte dieser Minimalismus eingegangen und mit leichtem Rucksack auf Hundskopf, Trattenspitze und über die Walderkampspitze zur Hohen Fürleg angestiegen werden.
Den Hundskopf erreichten wir um halb 9 Uhr, die Hohe Fürleg knapp nach 10 Uhr; bis dorthin ein gutes Tempo.
Während einer recht ausgiebigen Rast, für die bis dorthin kurze Strecke, studierten wir nochmals die spärlichen Führerangaben zur Überschreitung. Andi hat die Überschreitung schon einmal teilweise zu beiden Seiten ausgeführt, daher konnte auch auf etwas Vorwissen zurückgegriffen werden. Immer wieder blickten wir zu den scharfen Zähnen hinüber und malten uns die einzelnen Aufstiegsmöglichkeiten aus. Und wie immer kam es dann meist irgendwie anders als man denkt.
Gegen halb elf Uhr machten wir uns dann an die Kante, die den Walderkampturm der Fallbachkartürme vom Gratverlauf zur Hohen Fürleg trennt. Dieser erste Absatz erscheint von oben senkrecht, brüchig und die kleine Verschneidung in der es hinabgeht dermaßen uneinsehbar, daß wir beschlossen nicht schon am Anfang ein zu großes Risiko einzugehen und stiegen die ca. 30Hm über den Normalweg zur Fürleg vom Kar aus ab und querten bei einem Steinmann am Normalweg knapp unterhalb von Felsen zur Scharte über ein akzeptables Schuttband auf dem plattigen Abhang zur kleinen Scharte hinauf.
Im Rückblick konnten wir nun erkennen, daß dieser Abbruch eigentlich mit mäßigen Schwierigkeiten, jedoch unter relativ großer Brüchigkeit erklettert werden kann, jedoch stellt sich eine solche Sicht im gleißenden Gegenlicht der Vormittagssonne leichter dar, als sie im Abstieg wirklich sein wird.
Also im Aufstieg würden wir sie jedenfalls nehmen, im Abstieg dürfte eine Sicherung von oben die sinnvollste Taktik sein, beschlossen wir für weitere Begehungen.
Nun lag der Walderkampturm vor uns. Von der Scharte aus kein hoher Turm, jedoch ist der Aufstieg klettertechnisch nicht einfach. Der Führer beschreibt ihn mit –IV , die kleine Verschneidung in der man ihn genau rechts oberhalb der Scharte und nahe an den Abbrüchen ins Vomper Loch ersteigt ist jedoch mit vielen festen griffen und Tritten, sowie guter Spreizmöglichkeiten gespickt, sodaß er diese Bewertung eigentlich nicht verdient, er ist weit nicht so schwierig als es der Ausstieg über eine sehr brüchige Wand knapp vor Erreichen des Pkt. 2.625m ist.
Knapp oberhalb der schwierigeren Stelle, ca. in 8-9m Höhe, wendet sich der weitere Aufstieg in einer kleinen Scharte im Turm über nochmals die eineinhalbfache Höhe nach links (Westen). Bereits dann steht man am Walderkampturm. Ein Leckerbissen in festem Fels gleich zu Anfang, der dann, auf seiner Nordseite, völlig anders wird. Man erreicht diesen nach kurzer Strecke am Grat mit Steinmann.
Die Nordseite ist geprägt von großer Brüchigkeit und man lasse sich wirklich genügend Zeit und prüfe jeden einzelnen Griff und Tritt mehrfach, bevor man ihn verwendet. Der Abstieg ist klettertechnisch nicht sehr schwer, aber die Tücke liegt in der Festigkeit des Felses und auch der geschulte Blick wird manches Mal betrogen. Ohne wirkliche Dreipunkttechnik ist ein sicherer Abstieg hier nicht möglich.
Warum man dort absteigen muß ist einem sofort klar, wenn man die grazilen brüchigen Türmchen im weiteren Gratverlauf erblickt. Es gibt auf jenen am Grat kein weiteres Fortkommen und in der grausigen Schlucht zur Rechten der Türmchen, tief unten, nach ca. 40m Abstieg erkennt man kaum den Steinmann von oben, weiß aber, daß die Schlucht die einzige Möglichkeit darstellt.
Eine Alternative ist ein Haken mit Schlinge (letztere ist nicht empfehlenswert, weil man ihr Alter nicht kennt, wenn dann der Haken selber) zum Abseilen. Hierzu würde man ein Seil mit gut 25m Länge benötigen, um auf halbwegs günstiges Terrain zu kommen, um selbiges bei gutem Stand wieder abziehen und verstauen zu können.
Es geht aber auch ohne Hilfsmittel, wobei der erste Absatz der entscheidende ist. Hat man ihn ober sich, erfolgt der weitere Abstieg „nur“ in brüchigem, schuttigen, plattigen Fels.
Beim Steinmann endet die Herausforderung jähe, scharf links davon erkennt man den nächsten Steinmann der ein paar Meter höher wieder auf den nun sanften Grat hinaufführt.
Somit steuert man auf die weite Fallbachkarscharte zu und für die nächste Viertelstunde am Grat begegnet man keiner weiteren Schwierigkeit bis auf den nächsten abgeflachten Turm. Ab hier ändert sich der Fels hin zu weniger bizarren, spitzen Felsgestalten, zu eher bankigem Schichtgebirge, das, sedimentartig flach geschichtet, mit teilweise breiten und schuttigen Bändern ausgestattet, einen perfekten Stock bildet und dessen Bänder für die Überschreitung nun häufig genutzt werden.
Diesen abgeflachten Turm muß man gar nicht vollständig begehen, die Route führt, von Steinmännern begleitet, auf seiner Südflanke am Höchstpunkt vorbei. Wir begehen ihn zwecks Begutachtung zähen pflanzlichen Lebens auf über 2.500m Höhe am steinernen Grat (Andi hatte diese in Erinnerung, wir konnten die krautige Pflanze, die an Lorbeer erinnert jedoch nicht klassifizieren) und einiger schöner Fotos über den Rückblick der bewältigten Strecke aber trotzdem und steigen dann über Schutt in Richtung der nächsten Scharte wieder ab.
Die Scharte ist leicht zu begehen, jedoch sehr schuttig und wiederum ist Vorsicht geboten. Der folgende Turm erscheint in der Frontalansicht schwieriger als er ist. Die zuvor erwähnte Bankigkeit schafft gut und leicht zu erkletternde Stufen, deren Außenseite zumeist aus festem, griffigem Wettersteinkalk besteht.
Ein Steinmann auf der Gegenseite ist bereits im Abstieg zur Scharte sichtbar und gibt den Beginn der Aufstiegsroute vor.
Am folgenden Grat bewegen wir uns auf den höchsten Turm mit 2.548m Höhe zu. Am Weg dorthin erleben wir über einen weitgehend bis zum Grat hinaufziehenden Einschnitt einen gewaltigen Tiefblick in die Au im Vomperloch.
Die folgende Scharte ist etwas schwieriger im Abstieg, es sei denn man umgeht sie auf tiefliegendem Schuttband unter Einbuße von ca. 20m Höhenverlust.
Wir entscheiden uns für eine höher gelegene Variante mit dem Nachteil der Brüchigkeit in einer fast senkrechten Passage, die man nicht nur absteigen, sondern auch nach Norden hinaus queren muß, um zum schmal ausgeprägten Schärtchen zu gelangen. Mit Einsatz von Zeit nehmen wir die heikle Stelle ohne große Probleme, empfehlenswerter im Abstieg ist die Umgehung unten.
Jenseits geht es südseitig über Schuttbänder nicht auf die volle Höhe des Turmes empor, man quert ihn im Aufstieg sozusagen und schneidet den Höchstpunkt ca. 20m unterhalb in den Felsen ab, um zur nächsten Scharte zu gelangen, die auf der Gegenseite nun erstmals mit wirklich grausiger gelbbrauner Störzone zur Durchquerung aufwartet. Jedoch auch dieser Bereich ist halb so schlimm.
Von unserer Seite aus zeichnete sich schon die Routenführung ab, indem südseitig mit senkrechten, teils überhängenden Wänden ein Fortkommen auch schon optisch sofort erkennbar ausfällt und man nur ungern ein rechts auf die Nordseite hinaufziehendes schmales Band inmitten der Störzone erkennt, das, und nur jenes, für den weiteren Verlauf in Betracht kommt.
Zunächst sind wir über eine nicht fein zu begehende Schartenausbildung darüber gesprungen und fanden jenseits wenig feste Haltepunkte, jedoch ausreichend für das Erreichen einer besseren Stelle zur Beobachtung des schmalen brüchigen Bandes in dem so gemiedenen ockerfarbenen Material.
Mit Vorsicht läßt sich auf diesem schmäler werdenden Band ein breiteres, komfortableres Band erreichen, das geheimnisvoll um die Nordkante des Turmes herumführt und mit einiger Spannung ob der Entdeckungen, die man jenseits machen würde, schreitet man unter Prüfung der Tritte vorwärts.
Nordseitig angekommen weicht unerwartet plötzlich alle Spannung und man findet sich auf dem bequemsten, flachen Felsband wieder das man nach den Metern vorher nie erwarten würde.
So ist eben das Karwendel, nach bedrohlichen zugespitzen Engstellen können sich Autobahnen auftun und nach ebensolchen können sich schmalste senkrechte Abbrüche befinden, deren erster Anblick einen erschaudern lassen.
Nun führt der logische Weg wieder im Aufstieg auf den Grat. Von oben ein toller Blick in die Tiefen des Vomperloches. Am Grat geht es nun einmal etwas mehr, einmal etwas weniger scharf weiter.
Wer keine Kletterhandschuhe benutzt, so wie ich, hat spätestens hier Reibeiseninnenflächen der Hände. Der Erosion ausgesetzter Kalk entwickelt an der Oberfläche nadelartig spitze Oberflächen, die den Innenflächen der Hände gewaltig zusetzen und sie in eine Schruppfeile verwandeln. Man wird in seiner Konzentration dessen aber nur gewahr, wenn man zwischendurch einmal andere Hautflächen berührt, beispielsweise beim Auftrag von Sonnencreme im Nackenbereich, welches selbst bei mir als notorischen Verweigerer von Sonnencreme, an diesem bilderbuchartigen, wolkenlosen Tag unbedingt erforderlich war.
Nach einigen Minuten ist die Stelle erreicht über die im Führer zu lesen ist „einen plumpen Felsklotz umgeht man auf der Südseite“. Nach diesem eröffnet sich erstmalig ein schöner Tiefblick auf den Halleranger und das Überschalljoch.
Am Grat wechselt man nun immer wieder zwischen Nord- und Südseite, wobei am Schluß seines deutlich ansteigenden Verlaufes der Schwerpunkt auf der Nordseite liegt. Auch noch dort, wo der Grat wirklich scharf wird und man versucht ist ihn – zwecks Aussicht auf den Verlauf – immer wieder direkt zu begehen.
Wir versuchten auch aus Gründen der richtigen und bergsteigerisch ehrenvollen Begehung immer wieder Stücke direkt an der Schneide zu bewältigen, wurden aber immer wieder – auf den einfachen Pfad – in die Nordseite gezwungen.
Bei einer markanten Stelle mit kleinem Felsenfenster und glatter, aber rissdurchzogenen Wand steigt man dann ca. 6m auf den schmalen Grat, beschreitet diesen einige Meter bevor man wieder in die Nordseite gezwungen wird und findet sich dann wiederum nur einige Meter später in einer ähnlichen Situation wieder, jedoch mit deutlich höherer Wand zum Grat. Auch hier ist der Aufstieg relativ problemlos, vor allem nach den Passagen, die man bis hierher geklettert ist.
Die nun folgende Passage ist klettertechnisch der schwierigste Teil der Überschreitung. Nach einer Scharte – die letzte in der Überschreitung – sieht man sich vor einer Wand, die über gut 10m fast senkrecht vor Ihrem Bezwingerkandidaten steht und wenig Flächen aufweist, die nicht sehr brüchig erscheinen. Wir befinden uns hier in einem Gebiet in dem es von gelbbraunen Störzonen in der Mittagssonne nur so leuchtet.
Die gute Nachricht für all jene, die diese Wand nicht mehr mitmachen wollen sei, daß es einen Ausweg auf die Schuttreise, die sich auf den Pkt. 2.625m hinaufzieht gibt. Ein ockerfarbenes Band führt direkt über 20-30Hm in die mühsame Rinne hinunter und würde dem Grat ein Ende bereiten.
Der Führer beschreibt diese Stelle als Abseilstelle (in der umgekehrten Richtung begangen) und in dieser Richtung ist das angesichts der Aussicht von unserer Seite auch die einzig sinnvolle Möglichkeit sie zu bewältigen. Allerdings gehört für uns diese Wand mit zur vollständigen Überschreitung und wir denken gar nicht daran sie auszulassen.
Nach sorgfältiger Untersuchung – die generelle Route hat man schnell entdeckt, aber die Suche nach Griff/Trittmöglichkeiten braucht ein paar Minuten – des bestmöglichen Aufstieges steigt Andi als erster ein und in fast völligem Gegenlicht gelingt mir mit einer lichtabschirmenden Hand ein kleiner Eindruck dieser letzten Prüfung, siehe Foto.
Weiter rechts (nördlich) ist die Wand überhängend, weiter links noch brüchiger als in der wenig ausgeformten rinnenartigen Verschneidung, die oben in schuttigem Gelände abflacht und leichter fortführt.
Schon von der Hohen Fürleg aus sieht man die bedrohliche Situation am Ende der Überschreitung. Nun aber, da ich davorstehe und eine fest entschlossene Route mit allen Möglichkeiten der Haltpunkte ausgekundschaftet habe, erscheinen diese rd. 10m Wand gut machbar.
Sie waren es auch und die Griffe und Tritte haben alle gehalten.
Von oben, am oberen Ende der Wand, an der sich ein Schutttrichter mit dem braunen Störzonenmaterial kann nur ein schwacher Eindruck von der Wand gegeben werden, aber es sei erwähnt, daß auch der Aufstieg in diesem unangenehmen Trichter bis hin zu festem Fels nicht zu unterschätzen ist, das Terrain ist trügerisch.
Die folgenden rd. 10Hm bis zur letzten Einschartung im Grat sind Routinearbeit und ein letztes Köpfchen wird überstiegen bevor man hinten mit wenigen Metern Abstieg von diesem die Scharte bei Pkt. 2.625m erreicht und die Überschreitung der Fallbachkartürme geschafft hat.
Wir haben für die Überschreitung gesamt 2:15 benötigt, hatten aber nie vor sie eiligst zu erledigen. Ohne große Foto- und Trinkpausen könnte man auch eine halbe Stunde eher ankommen, jedoch sicher nicht bei einer Erstbegehung.
Der weitere Aufstieg auf das Osteck und den Großen Bettelwurf ist einfach und in dem Link zu Beginn dieses Berichtes nachzulesen.
Erwähnt sei nur die etwas versteckte Verschneidung hinter einer markanten glatten Felswand, bei der man geneigt ist am Steinmann ostwärts weiterzugehen, anstelle schräg hinter sich auf ca. 120° drehend die Aufstiegsrinne zu entdecken.
Am Osteck beim der Holzpflockmarkierung bietet sich nochmals ein toller Tiefblick auf den gesamten faszinierenden Grat mit den einzelnen Fallbachkartürmen, der gerade gemeistert wurde.
In weiteren 10min ist der der Gipfel des Großen Bettelwurfes erreicht.
Weil es so schön und zeitig am Tag war nahmen wir auch noch den Kleinen Bettelwurf mit und Andi besuchte auch das kleine Gipfelkreuz am Kleinen Bettelwurf bevor wir zur Bettelwurfhütte abstiegen.
Von der Hinterhornalm bis zur Bettelwurfhütte benötigten wir 8 Stunden. Für die Rückkehr zum Parkplatz beim Hackl weitere 1 ½ Stunden.
Es empfiehlt sich ein Fahrzeug dort abzustellen und mit diesem dann das andere auf der Hinterhornalm zu holen. Alternativ kann man auch in der Bettelwurfreise nach Südosten abzweigen und über die Alpensöhnehütte zur Hinterhornalm zurückzukehren.
Die Strecke von Hinterhornalm bis zum Parkplatz beim Hackl beträgt kurze 13km und 1.400m geodätischer Höhenunterschied über Gipfel und Scharten und wahrscheinlich nochmals ca. 300hm für die Abstiege und Aufstiege vom Hundskopf in die Mannl u. Weibelescharte und dieselben in den Türmen.
Mils, 27.08.2016