Die Königsklasse unter den von der Südseite durchführbaren Anstiege zum Großen Bettelwurf ist zweifellos die Route über die Fallbachkarspitze auf das Bettelwurf Osteck. Sie ist dem versierten Bergsteiger vorbehalten und erfordert einiges Kletterkönnen, sowie auch Mut oder Vertrautheit mit ausgesetzten, längeren Passagen in Fels um 75° Steilheit und mehr.
Einige Jahre kokettierten wir schon mit dem Vorhaben diese Bergfahrt zu unternehmen und nach dem guten Verlauf der heurigen Saison mit mehreren Gratüberschreitungen im Karwendel wagten wir das Abenteuer. Mit von der Partie war ein weiterer Milser und Bergkollege, Thomas, ein ausgezeichneter Kletterer und ebenfalls einer, der von der Tour generell begeistert ist und sie noch nicht durchgeführt hatte.
Die Berichte, die man über diesen Anstieg im Internet recherchieren kann sind großteils recht detailliert und bieten gute Eindrücke, was einen erwartet. Wir empfehlen sie alle zu lesen, bevor man sich ernsthaft an die Aufgabe heranwagt (unter „Bettelwurf über Osteck“ gut zu googeln).
Unser Bericht befaßt sich weniger mit dem unteren Teil bis zur Fallbachkarspitze. Die Beschreibung dieses Teiles kann man in unserer Seite hier gut mittels der Suchfunktion finden. Wir befassen uns mehr mit dem eigentlichen Teil, den wir, bereits mehrmals auf der Fallbachkarspitze gestanden, noch nicht durchgeführt haben.
Der Vollständigkeit halber sei die Route von ganz unten kurz gestreift: vom Parkplatz bei der Sprungschanze geht es vorbei an der Wasserfassung und nach ca. 500m, vor dem Klettergarten, rechts auf unbezeichnetem Steig zur Halltaler- und Alpensöhnehütte hinauf. Bei der Alpensöhnehütte gibt es die einzige und letzte Möglichkeit Wasser zu bunkern, also nutzten wir den kurzen Umweg auf dem Steig zur Hüttenspitze.
Nach der Hüttenspitze, die guten Einblick in den weiteren Tourverlauf bietet, steigt man ca. 100Hm zur Wechselscharte hinab, um nordseitig der Scharte den seilversicherten Steig auf den Rücken des Gratausläufers der Fallbachkarspitze wieder aufzusteigen.
Auf 2/3 des Weges zur Steigmarkierung (ein Holzstab in einem Steinhaufen) zweigt rechts der Steig auf die Wechselspitze und ins Fallbachkar ab. Diesen passieren wir und nach ca. 100Hm erreichen wir am latschenbewachsenen Rücken den Steig durch die Rinne zur Fallbachkarspitze der genau hinter der Markierung links abzweigt (man kann auch den Grat zur Fallbachkarspitze nehmen, dann zweigt man nicht links auf den jüngst neu markierten Steig in die Rinne zur Scharte vor der Fallbachkarspitze auf).
Am oberen Gipfelaufbau der Fallbachkarspitze erreicht man dann eine flache, wenig geneigte größere Wiesenfläche, von der aus man östlich des sich nun weiter bietenden Aufstiegsverlauf über eine schmale Rinne zum Gipfel empor steigt (es gibt auch noch eine andere Route auf der Westseite, diese kenn wir jedoch nicht). Einige Klammern im steilsten Teil erleichtern etwas den Aufstieg. Der Ausstieg ist links (westlich) und um einen großen Felsblock herum, erreicht man den Grat und zwei Minuten später Gipfel.
Wer in der Rinne bereits Probleme hat ungesichert frei zu klettern, dem sei geraten dort umzudrehen und die Tour nicht weiter zu machen (es sei denn man unternimmt die Tour mit einem Profi der im weiteren Verlauf im Vorstieg die Sicherung übernimmt).
Der Grat nach der Fallbachkarspitze wird in den eingangs erwähnten Berichten im Internet wenig detailliert beschrieben. Also möchten wir hierzu ausführen, daß knapp nach dem Gipfel, nach einigen Spitzchen die man überschreitet, der weitere Verlauf der Route hauptsächlich in der dem Fallbachkar zugeneigten Ostseite zu finden ist, als auf der dem Bettelwurfkarl zugeneigten Westseite. Dies teilweise mit recht tief unter den Gratspitzen und mit Steinmännchen ausreichend gekennzeichnetem Verlauf.
Dabei ist erwähnenswert, daß das Wiesengelände so steil ist, daß es an vielen Stellen einen Fehltritt nicht verzeihen würde. Die Hänge stürzen ungemein steil ins Fallbachkar ab.
Eine interessante Stelle ist hier ein ca. 10m langes grasdurchzogenes ca. 20cm schmales Band in einer Platte mit ausreichender Griffmöglichkeit und festem Trittbereich, aber sehr ausgesetzt (leider kein Foto davon).
Teilweise ist dann wieder, immer ca. 20-30Hm unter dem Gratverlauf, ein regelrechter Steig zu erkennen, der um die einzelnen Rücken herumführt und auf der Nordseite nicht ungefährliche Passagen bietet.
In dieser Manier geht es – mit wenig Höhengewinn – an den Bergkörper des Großen Bettelwurf dichter heran und erst nach ca. 30 – 40min wird der wilde Grat sanfter und verschmilzt mit dem Bergmassiv.
An dieser Stelle wird dann auch ein mächtiger Turm sichtbar, den man immer ostseitig bleibend passiert und vor dem die Route deutlich steiler wird.
Man läßt den Turm hinter sich und nach ca. 10min im Grasgelände aufwärts erreicht man den Gipfelaufbau des Bettelwurf Ostecks und wechselt links in diesen hinüber. Die Sicht ins Fallbachkar endet hier.
Weiter geht es nun in Reibungskletterei über eine harmlose, ausgewaschene Rinne hinauf. Es geht auch links davon in griffigerem, jedoch eher schuttbeladenem Fels. Unterwegs erfreuen wir uns an ungewöhnlichen Formationen westlich der Aufstiegsroute, einem riesengroßen Steinmandl gleich. An ihrem oberen Ende querten wir nach links (nordwestlich) und stiegen nun in einer kleinen Schlucht weiter.
Die Schlucht verengt sich deutlich und formt sich an ihrem oberen Ende zu einer Verschneidung, die man rechts, sehr bequem auf leicht griffigem Fels mit Reibung und wenig wirklichen Griffen ausgestattet, umgehen kann. Unten am Beginn der Verschneidung befindet sich eine vergilbte Pfeilmarkierung.
Wir hielten uns im weiteren Aufstieg rechts auf gut griffigem Fels, teilweise schotterdurchsetzt, bis zu einer kleinen Scharte mit atemberaubendem Blick in das Fallbachkar und auf die gleichnamigen Türme mit den Gipfeln der Vomperkette. Von Verlassen des Grasgeländes unten bis hierher benötigten wir 20min.
Diese kleine Scharte eröffnet nun den Blick auf den weiteren Aufstieg, des schwierigsten Teiles mit der Schlüsselpassage. Die Wortwahl „Passage“ haben wir deshalb getroffen, da dieser schwierige Teil lang ist, von unten, in seinem gesamten Verlauf, nicht einmal zur Gänze einsehbar.
Der untere Teil ist geprägt von einem Riss rechts einer Rinne, die wir als überraschend fest und nicht brüchig, oder splitterig wahrgenommen haben. Der Riss bietet ausreichend gute Griffe, um sicher aufzusteigen, jedoch muß man nach ca. 15m an seinem oberen Ende ca. 2-3m nach links hinausqueren (ausgesetzt mit ordentlichem Tiefblick) und kommt dabei durch die weniger griffige Rinne, bis man schlußendlich nach einem weiteren fast senkrechten Aufstieg über ca. 2-3m auf ein bequemes Podestchen kommt auf dem man sich sammeln kann.
Wer den ausgesetzten Blick nicht erträgt bleibt etwas weiter in der Wand drin – wir reden von weniger als einem Meter-, büßt jedoch den guten Standplatz ein und hat auf den nächsten paar Metern ein schwierigeres Gelände vor sich. Manuel hat es so gewählt.
Diesen ersten Teil schätzen wir auf knapp 20Hm und spätestens beim Rückblick zur Scharte erkennt man die Schwierigkeit von III+/IV- an, von der in den diversen Beschreibungen gesprochen wird. Das Gelände fast senkrecht, die Tritte und Griffe im oberen Teil bei der Querung eher klein, jedoch fest und ohne Dreipunktmethode an keiner Stelle begehbar.
Nun wechselte die nicht nur die Richtung, es wird nach rechts oben weitergestiegen, sondern auch die Felsqualität, im Foto gut zu sehen. Man kommt auf eine feste Platte, Rillenkalk, die eine rissartige Störung mit guten festen Griffen und Tritten als Aufstiegshilfe und –richtung bietet. Die Steilheit setzt sich unvermindert fort und auch in der folgenden Verschneidung geht es in gleicher Manier voran.
Die einzige Erleichterung, die sich in der Verschneidung bietet ist mental vermeintliche Sicherheit durch den Felskörper, den man nun rechts neben sich und dem Fallbachkar hat. An eine Rücknahme der Konzentration und Angespanntheit ist jedoch erst zu denken, wenn man den oberen Ausstieg der sich verjüngenden Verschneidung überklettert hat.
In der Verschneidung gibt es zwar wieder die Felsbeschaffenheit die auch im unteren Teil nach der Scharte angetroffen wird, jedoch etwas brüchiger, wie man anhand des Schotters darin erkennt. Man kann nach gut 2.000Hm und der doch anstrengenden Passage hier die Wadeln ein wenig entlasten, indem die Möglichkeit besteht sich zu verspreizen, jedoch strebt man eher lieber dem Ende der Verschneidung zu.
am Beginn der Verschneidung unten gibt es einen älteren, festen Haken, der zur Sicherung von Nachsteigenden vertrauenswürdig erscheint. Schätzungsweise braucht man dafür gut 30m Seil bis zur Scharte hinunter. Wir hatten ein 50m Halbseil, Friends (dafür gibt es kaum Möglichkeiten) und genügend Sicherungsmittel mit, verwendeten es jedoch nicht.
Mit dem Ausstieg hat man eigentlich den Höhepunkt an Schwierigkeiten dieser gewaltig schönen Tour gemeistert, der restliche Gratverlauf ist aber dennoch für weitere knapp 10min IIer Gelände mit steilen Abstürzen zu beiden Seiten nicht ohne Konzentration zu begehen bevor man das Bettelwurf-Osteck erreicht.
Von dort sind es nochmals knapp 10min zum verdienten Gipfel des Großen Bettelwurfes. Für den gesamten Aufstieg bis zum Gipfel haben wir 5 Stunden gebraucht.
Leider hatten wir just an diesem Samstag eine Wetterstörzone in dem gerade angebrochenen stabilen Altweibersommer und deshalb sind die Fotos für all jene, die, so wie wir auch in der Vorbereitung zu dieser Tour, versuchen die Griffe und Tritte auf den Fotos zu erkennen, nicht so perfekt geworden. Wir können jedoch allen die sich mit der Frage ob ja oder nein zur Tour versichern, daß die Anzahl, Verteilung und Qualität von Griffen und Tritten über die gesamte Schlüsselpassage akzeptabel ist und, vielleicht als subjektivem Eindruck des Verfassers, nur die Querung im oberen Teil unten etwas schlechter damit ausgestattet ist.
In Summe ist jedoch bei der seilfreien Erstbegehung die Anspannung vor der Wand als solches größer, als es die Suche nach Haltepunkten in Zwangshaltung wirklich erfordert. Zu dieser Erkenntnis gelangt man aber – wie immer – leider erst hinterher, wenn die Schwierigkeiten bereits gemeistert sind 🙂
Wie man an den Fotos erkennt gibt es durchaus die Möglichkeit an ein paar Stellen in halbwegs bequemer Haltung und sicherem Stand Aufnahmen zu machen und daher ist klar, daß die gesamte Passage nicht ununterbrochen zu durchklettern ist und man sich nicht auch einen strategischen Überblick über die nächsten Teile machen kann.
Hingewiesen sei, wie auch in anderen Beschreibungen auch, darauf, daß eine Rückkehr ab der Scharte mit einem sehr beschwerlichen Abstieg verbunden wäre und daß man sich bei der letzten schwierigen Passage nach mehr als 2.000 zurückgelegten Höhenmetern schon in einem nicht mehr taufrischen Zustand befindet. Daher empfehlen wir dringend diese Tour nicht alleine sondern mindestens mit einem oder mehreren Partnern zu unternehmen und ausreichend Sicherungsmittel dabei zu haben. Mehrere Augenpaare sehen mehr und der Austausch über Einschätzungen von schwierigen Stellen sind am Berg immer sinnvoll.
Die Aufstiegszeit mit 5 bis 6 Stunden, je nach Leistungsvermögen, sollte man in Betracht ziehen, wenn man die Startzeit wählt und das Wetter nicht als einwandfrei niederschlagsfrei über den Tagesverlauf vorausgesagt ist, denn, Nässe kann man speziell am Ende der Tour nicht brauchen.
Eine weitere Empfehlung ist es die Tour erst im Herbst zu unternehmen, da sie auf fast der gesamten Strecke nie richtig Schutz vor der Sonneneinstrahlung bietet und somit ein immenser Wasservorrat mitgeführt werden müßte. Wir haben die Erfahrung gemacht im Juli und August selbst nur auf die Fallbachkarspitze nahezu unsere gesamten Trinkvorräte verbraucht zu haben.
Den Abstieg vom Großen Bettelwurf wählten wir über den Klettersteig zum Kleinen Bettelwurf und direkt vom Sattel zwischen beiden zur Bettelwurfhütte. Für diesen Teil rechne man mit eineinhalb Stunden, gefolgt von weiteren gut eineinhalb Stunden von der Hütte bis zum Parkplatz zurück.
Die Suunto Vector zeichnete den gesamten Aufstieg mit 2.040Hm auf, wobei wir am Gipfel eine Höhenkorrektur von rd. 60m wegen des sich ändernden Luftdruckes verzeichneten. Also rechne man mit 2.100Hm gesamt.
Die Wettervoraussage mit der Niederschlagssimulation der ZAMG (können wir zur Tourenplanung sehr empfehlen) stimmte dieses Mal fast auf die Minute und es erwischte uns der mit 50% Wahrscheinlichkeit vorausberechnete Regen zwischen 16 und 17 Uhr in der gemütlichen Bettelwurfhütte nicht.
Unser gelungener Tag endete diesmal allerdings erst gegen Mitternacht und mit der Stirnlampe im Abstieg. Vorher erlebten wir noch einen schönen Abend mit Freunden auf der Bettelwurfhütte bei der bedauerlichen Verabschiedung unserer beliebten Wirtsleute Robert und Gabi, die nach vielen Jahren die Hütte leider nicht mehr weiterführen können.
Mils, 11.10.2014