„Zahmer Bruder“ nennt man den auch um gut hundert Meter niedrigeren der beiden Tribulaune, den Gschnitzer Tribulaun.
Er ist nicht nur zahmer uns niederer, er ist auch ohne Schwierigkeit zu besteigen. Die vielleicht etwas ausgesetzten kurzen Teile des Aufstieges wurden seilversichert und im unteren Anstieg liegt im Sommer bestenfalls Schnee oder Firn, der zwar ab und zu zum Einsinken neigt, aber gefahrlos begehbar ist. Im oberen Teil – der auch fast von Süden nach Nordwesten begangen wird, ist der Gschnitzer Tribulaun ein relativ flach und gleichmäßig steigend und mit interessanten Verwitterungsformen der dort vorkommenden plattigen Dolomite die letzten 200Hm den Restaufstieg ziert. Man hat dort allerhand selten sichtbare Platten und sonstige Figuren zu bestaunen.
Den Aufstieg muß ich heute nicht besonders beschreiben, der ist vielfach nachzulesen. Orographisch rechts vom Sandesbach, also vom Parkplatz aus über die Brücke und links vom Mühlendorf geht es los. Die Alternative wäre die Forststraße, jedoch eher nur zur Tribulaunhütte, nicht für die Gipfeltour.
Das Wetter war wieder einmal im Alaro Modell der ZAMG, eine der zuverlässigsten Vorbereitungsquellen, mit Niederschlägen ab 15 Uhr vorausberechnet, also startete ich am Parkplatz um 7:15 Uhr und erreichte um 8:30 die Tribulaunhütte. Ein kurzes Getränk und weiter ging es auf die beiden Gipfel zu, die sich bereits beim Abmarsch in Nebel hüllten.
Durch den Föhn verdichtete sich der Nebel vor allem um den Pflerscher Tribulaun noch weiter und ich sah der Gewissheit entgegen, diesen bizarren Berg, heute nicht von seinem Bruder aus ablichten zu können. Leider kam es so.
Nach der Tribulaunhütte ist das Kar zuerst flach, begrünt, aus Kalken bestehend und dann bildet es – steil aufsteigend – einen Riegel gegen den oberen Teil des Tales um oben wieder flach zu werden. Oben sieht man die Restblöcke eines gewaltigen Felssturzes am Steig liegen und der größte Rutschblock ist noch auf der ca. 200Hm höher liegenden Rutschfuge geblieben. Eine Frage der Zeit bis dieser nachkommt.
Interessant ist die Wasserfassung von der aus die Tribulaunhütte gespeist wird. Sie liegt knapp neben dem Steig in das Schneetal auf die gleichnamige Scharte. Die dort gefaßten Wässer sind Porenwässer eines fossilen Blockgletschers im Schneetal.
Die Scharte zwischen Südtirol und Nordtirol wird ihrer Bezeichnung sehr gerecht, sie könnte minimalistischer nicht sein, auch verhüllte sie den Einblick in den Abstieg südseitig. Man kann jedoch annehmen, daß dieser – zumindest auf den letzten Höhenmetern – ein wesentlich mühsamerer sein muß, als der nordseitige.
Der nachfolgende Teil mit den Seilsicherungen ist von großer Brüchigkeit geprägt. Dieser Teil erstreckt sich über ca. 100Hm. Schlechter bis schlechtester Hauptdolomit (im Bergsteigersinne) durchaus bis zum wieder flacher werdenden oberen Teil.
Der Gipfel heute zumeist im Nebel, kurze Nebelauflockerungen durch den böigen Föhn nutzte ich für ein paar eilige Aufnahmen, die jedoch allesamt nur in Richtung Westen und vor allem nach Süden möglich waren.
Leider konnte der Hauptzweck der Bergfahrt, die Erkundung des Pflerscher Tribulaunes mit Fernglas und Kamera nicht durchgeführt werden. Nach gut 10min verließ ich den unwirtlichen Gipfel.
Das Schneetal gereichte nun zur Freude, konnte ich doch mit den Bergschuhen relativ bequem, jedoch etwas ruppig in den kleinen Schmelzvertiefungen abfahren. Mit gekonnter Fussstellung funktionierte es im flacheren Teil dann so gut wie früher und eine Hand konnte mit Kamera zur „GoPro“ umgewandelt werden.
Nach einem gut ausreichenden, deftigen Mittagessen bei den Wirtinnen der Tribulaunhütte – und weil der Tag jung und das Wetter noch zu halten schien – beschloss ich noch eine Karrunde auszuführen und den Abstieg über den Steig zur Garklerin zu nehmen.
Diese Idee sollte sich als goldrichtig erweisen, auch wenn es just am Joche dort für 10min zu nieseln begann und der Abstieg dann etwas rutschig war, bis erneut Föhn einsetzte und die Vegetation vom Wasser befreite.
Bei dieser Runde muß man von der Hütte noch rd. 200Hm aufsteigen, dies jedoch im Verlauf der Runde recht aufgeteilt, sodaß dies Vorhaben auch mit vollem Bauch gelingt, ohne den schnellen Schritt zu verlieren.
Der Teil des Steiges auf dem, der Hütte gegenüberliegenden Hang ist wieder einer aus dem Ötztal/Stubai-Kristallin gebildeten Geologie, daher muß man schon auch einiges Blockwerk überwinden und trainiert in schnellem Schritt das Gleichgewichtsvermögen.
Überhaupt wechselt auch diese Tour auf den Gschnitzer Tribulaun sehr häufig die Gesteinsarten. Wer hier aufmerksam die Eindrücke aufnimmt, spürt die Höhenmeter in den Wadln weniger.
Nach dem Joche am Fuße der Garklerin – sie muß, wegen des Nieselns noch auf ihre erste Begehung von mir warten – tut sich ein schönes, leicht nach Norden geneigtes Hochplateau auf, dessen Ausdehnung man während des Abschreitens staunend zu Kenntnis nimmt.
Später kommt man an die Westhänge der Garklerin heran und wechselt auf einen schmalen Nordwestausläufer mit prächtigem Bewuchs und einer nicht zu unterschätzenden Westflanke.
Den Abschluß dieses empfehlenswerten Steiges ins Tal bilden herrlich sprießende Almwiesen und im unteren Teil ein Urwald auf kristallinem Blockwerk der seinesgleichen in Schönheit und Urbelassenheit sucht. Einzigartig erscheint die Vegetation durch die der Steig führt; sie muß von dauerhafter Feuchtigkeit geprägt sein, angesichts des Moosbewuchses und der zahlreichen Farngewächse.
Wenn der Begeher dort unten im Urwald – und das kommt mehrfach vor – auf einen umgestürzten Baum trifft, dann sieht er nicht nur jenen, sondern einen Krater an Geschehnissen im Einflußbereich der Wurzeln rundherum, die von echten Naturgewalten zeugen. Man schaue sich diesen Steig an!
Bei Regen dürfte der Steig jedoch sehr mühsam und rutschig sein. Er mündet unten in Tal bei der Wasserfassung links neben der Straße ein; dort ist auch der Wegweiser mit Bezeichnung „Garklerin Nr. 63“ zu finden.
Für die gesamte Tour habe ich 7 1/4 Stunden gebraucht, man rechne jedoch mindestens 9 Stunden. Pausen halte ich relativ kurz, das Mittagessen dauert kaum mehr als 1/2 Stunde.
der gesamte Höhenunterschied beträgt rund 1.900m.
Mils, 02.07.2016