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Schitour Große Seekarspitze

Im ersten Drittel in der Karwendelhauptkette unternimmt man einen Klassiker der Karwendelschitouren auf die Große Seekarspitze und dies Abenteuer wird im Frühjahr erst richtig zum Genuß, wenn die Schneeverhältnisse bis zum Neunerkar ideal dafür sind.

Große Seekarspitze

Ideal sind sie dann, wenn der Aufstieg über den netten Jagdsteig durch den Wald ohne Schnee und mit Bergschuhen möglich ist, Schi und Tourenschuhe am Rucksack verstaut sind und für die rund 600Hm bis zum Beginn des Neuenerkars getragen werden müssen.
Ab dem Neunerkar auf ca. 1.800m wird die Plagerei dieser Tage mit einem traumhaften Aufstiegsgelände in zauberhafter Umgebung belohnt.

Jagdsteig zum Neunerkar; Tagesbeginn im Karwendel um 7 Uhr Ende Mai

Um 5:20 Uhr ging es vom Parkplatz in Scharnitz los und die sechs Euro für das Tagesticket ist wohl ein Hohn für die Bergwelt in die eingetaucht werden darf. Eigentlich sind es ja nur 4 Euro, denn es gibt zum Ticket einen zwei Euro Gutschein dazu mit dem man später in Scharnitz sein Bier mitfinanziert und so für die Leute etwas tut, die dort die Masse ertragen müssen.
Los geht es mit dem Radl, denn zunächst gilt es fast 11km Talweg zu meistern. Der komplette Anstieg dieser Strecke beträgt rund 350Hm und so mancher ist hier mit einem Stromradl gut beraten.

Abzweigung nach der Wildfütterung, rechts beim Marterl geht es ab zum Karwendelbach

Je nach Kondition wird der Ausgangspunkt für den alpinistischen Aufstieg nach einer bis eineinhalb Stunden Radfahrt beim Wegkreuzchen kurz nach der Wildfütterung erreicht, siehe Foto. Hier rechts ab ein paar Hundert Meter und über die Holzbrücke über den Karwendelbach.

Holzbrücke über den Karwendelbach

Jenseits des Baches sucht man sich ein Radldepot und – wenn man so wie ich kein Schloß besitzt wirft man es in ein Baumdickicht – findet sofort den Steig in den Wald.
Mit der schweren Last auf den Schultern dünkt der moderat steile Beginn des Steiges angenehm und leitet über in den richtigen Aufstiegs-Rhythmus. Ebenso beschäftigt einem die Frage warum die Schaufel, die Sonde und das Pieps auch mit mußten, ist dies um diese Jahreszeit bei dem total gesetzten Firn doch recht schräg – aber es doch beruhigend und wird akzeptiert.

hier rauf geht es ins Neunerkar, 600Hm Aufstieg mit schwerem Rucksack

Am Aufstieg gibt es zwei Bäche und eine lustige Quelle auf rd. 1.400m die hörbar oberhalb des Steiges zu sein scheint, den Steig aber nicht quert, weil sie vorher wieder versickert. Einige Minuten später erscheint sie rechts neben dem Steig und den Spuren nach labten sich in den letzten Wochen daran eine Vielzahl an Aufsteigenden.

markante Felsstufe Richtung Osten, hinten die Bockkarlspitze

Dutzende gekreuzte Spinnenfäden im Gesicht auf dem Aufstieg verrieten mir, daß ich heute zumindest der erste war und bei solchen Erlebnissen kokettiert man sofort damit, ob man vielleicht auch der Einzige bleiben würde. Letzeres war nicht vorgesehen und mit den Nachfolgenden und Dazugestoßenen ergab sich am Gipfel dann eine nette Unterhaltung beim Jausnen. David aus München hat mit mir sogar die Abfahrt angetreten und mit mir den Parkgutschein zu erquickendem Hopfensaft verwandelt.

Felsriegel hinauf zum Neunerkar, rechts wird aufgestiegen

Einen Tipp mag ich hier geben: die Aufstiegszeit bis zum Neunerkar beträgt eine Stunde oder vielleicht ein wenig mehr, je nach individuellem Vermögen, und in dieser Zeit habe ich den Rucksack nie abgenommen, man mag ihn dann wahrscheinlich kaum mehr wieder aufnehmen.

die Sonne geht über dem Neunerkar auf

Der unbeforstete Ur-Wald mit seinen riesigen Ameisenhaufen, Felsklippen und sonstigen Blickfängen lenkt auch dermaßen ab, sodaß der Aufstieg rasch vorbeigeht. Übrigens, beim größten Ameisenhaufen geht es links weiter, der Steig rechts führt in das Riedlkar.

steiles Schneefeld, im Winter bei gefrorenen Verhältnissen mitunter heikel

auf ca. 1.650m wird eine recht markante Felsstufe erreicht, die den Beginn des Anstieges in das Neunerkar bildet. In der Mitte der aufziehenden Felsen befindet sich eine kleine Höhle, die im Fall von Gewitter des Sommers auf ihren letzten eineinhalb Meter zumindest halbwegs Schutz bietet.

flacher werdendes Gelände in Richtung Neunerkar

Nach der Felsrippe führt der Steig in die steileren Passagen des Felsriegels unterhalb des Neunerkars und die Plagerei erreicht durch Schutt am Steig ihren Höhepunkt. Von dort sind es etwa 100Hm über eine im Winter bemerkenswert steile Flanke im Schnee bis der Steig wieder flacher wird und die Abrundung des beginnenden Kares erreicht wird.
Auf diesem Aufstiegsteil können bei hartgefrorenen Bedingungen heikle Situationen auftreten, nicht mehr aber im Mai und ich wage sogar zu behaupten auch nicht mehr im April.

im Neunerkar angekommen, Auffellpunkt

Ich mußte keine Stufen schlagen, so wenig von der Flanke war noch mit Schnee bedeckt. Der Steig führt auch sofort linkerhand (östlich) in Latschengelände und wird dann – nach Überschreitung des Schmelzwasserbaches – auch gleich wieder flacher.

Neunerkar kurz nach 8 Uhr

Wenig später wird das Gelände flach und das Neunerkar ist erreicht. Schluß mit dem schweren Rucksack, exakt hier wird heute angefellt und es beginnt  der Aufstieg mit Schi in das weitläufige Kar.

Aufstieg im Neunerkar erster Teil

Der Blick auf die schon fast sichtbare Breitgriesskarscharte täuscht mächtig, da steht man nicht innerhalb kaum einer Stunde oben, mich nahm das hinten nicht unwesentlich steil werdende Neunerkar eine Stunde zwanzig in Anspruch.

hinten geht es rechts hinauf

Die Lawinensituation kann am heutigen Tage eigentlich als gebannt angesehen werden. Die von Großer Riedlkarspitze und Bockkarlspitze herabziehenden Schluchten und Reisen sind weitestgehend vom Schnee geleert und anhand der Lawinenreste kann angenommen werden, daß dies innerhalb des letzten Monats passiert ist. Auch ein Grund diese Tour im fortgeschrittenen Mai anzutreten.

Aufstieg rechts (westlich) unterhalb der Steilstufe; Schnee im Gegenhang schon weitgehend aufgefirnt

Um knapp neun Uhr früh ist der Schnee im oberen Kargelände von der starken Maisonne bereits dermaßen erwärmt, daß man – als Tipp – eher besser die östliche Karseite, die um diese Tageszeit auch kaum noch bestrahlt wurde, für den Aufstieg auswählt.

Rückblick auf das Neunerkar oberhalb der Steilstufe

Liegt das weite Kar mit dem stetig steiler werdenden Anstieg einmal hinter einem, wendet sich das Muldengelände zur Breitgriesskarscharte östlich und in dem nun recht flachen Winkel konnte die Sonne nach neun Uhr noch nicht das ihre tun, um den Schneeoberfläche unangenehm aufzuweichen. Vielleicht deshalb die Bezeichnung Neunerkar – jedenfalls eine Eselsbrücke für die Zeitplanung.

Mulde zur Breitgriesskarscharte

In der Breitgriesskarscharte versuchte nicht nur ich vergebens die Biwakschachtel zu finden, als ihr einziges Lebenszeichen räkelte sich allein der Blitzableiter gerade 10cm über die Schneeoberfläche heraus.

kurz vor der Breitgriesskarscharte auf 2.300m sieht man das Ziel, die Große Seekarspitze, erstmalig

Traumhaftes Panorama tut sich hier auf, Blicke in das Breitgriesskar und in die Seefelder Kette erfreuen nach dem Kessel in dem der bisherige Aufstieg erfolgte.

die Biwakschachtel tief eingeschneit

Und natürlich die schön geformte, ja fast symmetrische Pyramide des Zieles, der Großen Seekarspitze erfreut mächtig. Fast sieht es aus, als wären es nicht mehr knapp 300Hm bis zum Gipfel sondern mehr.

Breitgriesskarscharte, Rückblick in das Neunerkar

Der weitere Aufstieg beginnt nun recht flach mit einer gewaltigen Hangquerung, die bei falschen Schneeverhältnissen sicher wesentlich heikler sein kann als die Stellen unterhalb des Neunerkars.

bevorstehende Hangquerung; rechts hinten unterhalb der Schrofen mußte ich die Harscheisen zu Hilfe nehmen

Gequert wird der gesamte Gratausläufer von der Großen Seekarspitze über die Kleine Seekarspitze bis hin zum Übergang in das Seekar und zur Breitgriesskarscharte. Auf dieser Querung waren im – von der Sonne unerreichten – östlichsten Teil des Kessels Harscheisen von Vorteil, allerdings mußten diese dort innerhalb einer unangenehmen Steigung angelegt werden und hier sollte man – als Tipp – vorher überlegen und dies in der flachen Breitgriesskarscharte erledigen, obwohl die Schneeoberfläche dort schon weich ist.

steiler Gipfelhang der Großen Seekarspitze

Am Ende erreicht man die Einsattelung zwischen Großer und Kleiner Seekarspitze. Diese hab ich für den weiteren Aufstieg genommen, weil es schon von unten bequemer aussah, als die gewaltig in das Breitgriesskar abstürzende Gipfelflanke der Großen Seekarspitze mit Spitzkehren zu nehmen.

in der Einsattelung zwischen Kleiner und Großer Seekarspitze

Am Grat zwischen den beiden Seekarspitzen waren dann die Verhältnisse wieder völlig anders, weil seit Sonnenaufgang bestrahlt. Weichster Mulz vor allem in Gipfelnähe zwangen zu einem Schidepot ca. 30-40Hm unterhalb des Gipfels und den Rest per pedes zu nehmen.

Schidepot unterhalb des Gipflaufbaues

Um 10:20 Uhr, exakt 5 Stunden nach dem Aufbruch in Scharnitz stand ich am Gipfel der Großen Seekarspitze. Zunächst wehte kaum ein Lüftl an diesem außergewöhnlich schönen Tag Ende Mai. Später wurde aber doch eine Jacke nötig, nachdem die Thermik zunahm.

Große Seekarspitze, 2.677m

Rundum alle Gipfel der Karwendelhauptkette noch in überwiegend weißem Kleid, der Frühling ist hier oben noch nicht angekommen. Schätzungsweise reicht der Juni kaum aus, um Sommerbesteigungen auf die wichtigsten Gipfel möglich zu machen.

von links Ödkarspitzen, Birkkarspitze und Kaltwasserkarspitze

David, den ich von der Einsattelung zwischen den Seekarspitzen sah und der die Reibn unternahm traf mittlerweile am Gipfel ein und berichtete über teilweise überraschend weiche Verhältnisse im oberen Schlauchkar.

Autor auf der Großen Seekarspitze

Die Reibn ist insgesamt aber noch gut machbar und ein Blick ins Marxenkar bestätigt dies.

Marxenkar

Die Nordhänge und -kare der Hinterautal-Halltalkette sind bei weitem nicht mehr so schneegefüllt wie man das erwartet hätte. Ein Blick auf das Lafatscher Joch bestätigt dies.

Bettelwürfe bis Kaskarspitze, mittig das Lafatscherjoch

Die Abfahrt über die Gipfelflanke war von ändernden Oberflächenbeschaffenheiten geprägt, jedoch erquickender Lohn für die langen Aufstieg. David und ich fuhren zusammen ab und teilten die Freude.

Große Seekarspitze im Rückblick bei der Abfahrt

In der Mulde nach der Breitgriesskarscharte und im Neunerkar waren die Verhältnisse noch besser, es hatte gut 10cm aufgefirnt und der Schnee in den Hängen war recht homogen.

Ab dem Ende des Neunerkares wurde die Tourenausrüstung wieder geschultert und im Gespräch vergingen die rd. 600Hm Abstieg wie im Fluge.

letzter Blick nach der Kante ins Neunerkar

Zum Schluß wurden die Schi wieder auf das Rad gebunden und die meiste Strecke konnte hinausgerollt werden, sieht man vom moderaten Gegenanstieg unter den Wänden der Brunnsteinspitze ab.

die letzten Abstiegsmeter mit toller Kulisse

Die Bergsteigeruhr zeigte 1.750m Aufstieg und 8:30 Stunden Gesamtzeit. Davon brachte ich eine gute Stunde am Gipfel zu und weiter unternahm ich nur unwesentliche Trinkpausen sowie Ausrüstungswechsel.

Mils, 28.05.2017