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Schitour Grubenkarspitze, 2.663m

Inmitten des Herzens des Karwendels, im Roßloch, thront die Grubenkarspitze als östlichste Umrandung des Kessels, den das Roßkar bildet. Es gibt dort mehrere einsame Schitouren, wobei jene auf die Grubenkarspitze einen besonderen Reiz ausstrahlt, ist doch der letzte Gipfelanstieg im Frühjahr wahlweise als leichte Kletterei, oder über einen gut 40 Grad messenden Steilhang erreichbar, dem ein relativ langer, unschwieriger Gipfelgrat folgt.

Grubenkarspitze, 2.663m

Die Grubenkarspitze bildet  die höchste Erhebung im Roßloch und ihr Gipfelgrat ist bereits von weit außen im Hinterautal sichtbar Links, nördlich der Roßlochspitze kann man sie bereits kurz nachdem die Abzweigung der Straße ins Gleirschtal mit dem Radl geschafft ist erblicken. Diese Abzweigung, die Gleirschhöhe, stellt auch den Hochpunkt der Fahrt ins Hinterautal dar, rund 100Hm wurden bis dorthin von den Parkplätzen überwunden.

Anfahrt ins Hinterautal zur Grubenkarspitze

Daß die Strecke allein in die Nähe der Grubenkarspitze lang ist merkt man dann, wenn man um kurz nach 6 Uhr früh – ein späterer Aufbruch rächt sich mit ungünstigen Schneeverhältnissen bei der Abfahrt, allenfalls mit steigender Lawinengefahr, eher bricht man eine halbe Stunde früher auf – mit dem ungefederten alten Radl die ersten 10km hinter sich gelassen hat und – als Nichtmountainbiker – des Sitzens am harten Sattel überdrüssig wird. Die unangenehme Fahrt erstreckt sich aber zu Beginn des April 2017 bis ca. 1km vor die Kastenalm und somit über rd. 13km und gesamt gut 300Hm, weil nach der Gleirschhöhe eine Abfahrt von rd. 50Hm folgt.

Roßlochspitze, Bildmitte, mit unverkennbarem Grat und links der Anstieg auf die Grubenkarspitze

Mit fortschreitender Jahreszeit, wenn die Sonne den Talboden vom Schnee befreit hat kommt man mit dem Radl noch ca. 4km weiter auf den sogenannten „Hinteren Boden“ dem Talabschluß des Roßloches auf 1.440m.

knapp vor dem „Hinterer Boden“

Im April mußte ich jedoch knapp nach der Kastenalm aufgeben das Radl durch die immer wieder über längere Strecken auftretenden Schneefeldern auf der Straße durch zu schieben und erkannte erst bei der Ausfahrt, daß der Versuch so weit wie möglich zum Roßloch vorzudringen für die Ausfahrt keinen Vorteil brachte. Der Tipp ergeht also hier bei den ersten längeren Schneefeldern – i. d. Regel noch einige Hundert Meter vor dem Bachbett aus dem Birkkar – das Rad abzustellen und ab dort die Tragestrecke zu eröffnen.

Rückblick am Talende angelangt

Hat man diese ersten eineinhalb Stunden Radfahrt überstanden und wurde von vermummten, nichtgrüßenden E-Bikern mit echter Federung überholt, befindet man sich bereits voll im Tageslicht und kann sich anfangs April gegen dreiviertel acht Uhr am flach gehaltenen Weg ins Tiefste des Roßloches mitunter für ein paar Minuten direkter Sonnenbestrahlung erfreuen. Sofort aber endet das Vergnügen mit einem Hauch von ansteigendem Aufstieg bis zu einem kleinen Waldstück, nachdem die Route auf eine weite flache Ebene einmündet an deren Ende das Tal jäh zu Ende ist und gewaltige Lawinenreste von links und rechts herabgestürzt sind. Ein schauerlicher Anblick, selbst noch zwei, drei Wochen danach.

erster Aufstieg über Lawinenreste, Harscheisen sind bis auf 2.000m vorteilhaft

Ab dort, auf ca. 1.440m beginnt der anstrengende Aufstieg über gut 1.200m bis zum Gipfel der Grubenkarspitze.
Zunächst steig man auf der rechten Talflanke über Latschen und teilweise anstrengende, lockere Lawinenreste bis auf ca. 1.630m und kann – je nach Schneelage – den Abzweig des Steiges in das Bockkar (Ausgangspunkt für die Schitour auf die Lalidererspitze) ausmachen. Auf der bereits aperen Gegenseite, einem Südhang, zeichnet sich der Steig durch die Latschen gut ab.

die beiden Aufstiegsrinnen im ersten und letzten Drittel des Bildes gut auszumachen

Nach weiteren knapp 100Hm Aufstieges in der rechte Flanke sichtet man zwei Rinnen durch die Latschen wobei sich beide für den Aufstieg eignen, die südliche, höher gelegene aber auch für die Abfahrt. Wegen der besseren Einsicht von unten habe ich im Aufstieg die erste, schmalere, nördlichere Rinne genommen und mußte in der Hälfte die Schi in die Hände nehmen, so schmal wird die Latschengasse nach oben hin. Wahrscheinlich verhält es in der anderen Rinne für den Aufstieg nicht anders, für die Abfahrt, besser für das Abrutschen, ist sie jedoch breit genug und mißt an der schmalsten Stelle in etwa zwei Schilängen.

der unteren Rinne oberster Teil

Oberhalb der Schmalstellen steht man bereits auf 1.800m und kann in einer gewissen Erfreutheit auf das zwar anhaltend steile, aber dafür umso schönere untere Roßkar blicken, tolle Hänge die nun etwas rechts (südlich) haltend über eine als logisch erscheinende Route durch eine auffallende Rinne erstiegen werden.

oberhalb der Rinne – nun lacht das Herz

Nach weiteren gut 100hm taucht der begeisterte Bergsteiger in dauerhafte Sonnenbestrahlung und die zurückgelassenen kraftraubenden 450Hm  verschwinden aus dem Gedächtnis.

weiters Aufstiegsgelände – hier ca. auf 1.950m

Eindrücke, die sich nun in der wunderbaren Winterlandschaft des Roßkares auftun können in Wahrheit nur mit der Wortgewalt eines Dichters beschrieben werden, um ihnen Genüge zu tun.
Wohlgeformte weiße Kuppen tauchen in sanften Kurven ineinander und verbinden sich dazwischen im Absturz ihrer Seiten im Extremfall zu einem deutlichen und selbst in gleißendem Weiß farblich abhebenden Loch – eine schneebedeckte Doline, die klassische Karsterscheinung mit der jeder Karwendelgeher bestens vertraut ist.

die Scharte zur Roßlochspitze und links der Grat auf die Grubenkarspitze

Durch solcherart Blicke angeregt werden die letzten 500Hm bis zur Scharte zwischen der südlich gelegenen Roßlochspitze, deren Grat während des Aufstieges dauerhaft angesteuert wurde, und dem links, nördlich, abzweigenden Steilhang oder bereits aperen Grat zur Freude, auch wenn die Kräfte langsam abnehmen und die Sonnenbestrahlung zwischen 10 und 11 Uhr zu Trinkpausen zwingt.

Rückblick im kurzen Schatten der Roßlochspitze (ca. 10:30)

Auf der Scharte, auf 2.507m habe ich bereits entschieden, daß der  bereits apere Felsgrat in Angriff genommen wird, der Steilhang erschien mir um diese Tageszeit schon recht anstrengend angesichts der Kollegen vor mir und das Klettern liegt mir ohnehin, auch mit den aufgeschnallten Schi am nun schweren Rucksack.

der Steilhang, Neigung >40°

Der ca. 75m hohe erste Teil des Grates sieht unten leichter aus als er sich oben am Ende präsentiert wobei die Schwierigkeit unten kaum signifikant über den ersten Grad hinausgeht.

mittig am Grat, unterer Teil griffig

Im oberen Teil besteht die Schwierigkeit lediglich im Umstand, daß die Tourenschuhe für die glatten Platten nicht geeignet sind und es zum Spiel von Trittchen und Griffchen wird, um die letzten 10Hm bis zur Schneegrenze zu meistern. Ein kurzer Sprung nach links bescherte mir am Ende oben wieder guten Halt auf den letzten Metern. Einem Abrutschen könnte dort durch sofortiges Flachlegen begegnet werden.

oberer Teil des ersten Grataufschwunges, wenig griffig; das Rissl nach links genommen, am Ende ein kleiner Sprung über eine glatte Stelle

Am Ende der ersten Kuppe des Grates zum Gipfel befindet sich eine Steinschlichtung, vermutlich eine Art Wintergipfel, jedenfalls Schidepot.

Schidepot, ca. 2.583m

Der folgende Grat bis zum Gipfelkreuz ist keineswegs kurz und nimmt mindestens weitere 15min in Anspruch; trotzdem schaffte ich es um 10 vor 12 Uhr das noch tief eingeschneite Gipfelkreuz zu erreichen.

langer Grat zum Gipfel

Ein besonderes Erlebnis ist es die Gipfel der Roßlochumrahmung optisch abzugreifen, ein Zirkel mit gewaltigen 1,5km Radius und von Nördlicher Sonnenspitze bis zur Hochkanzel im Südosten 3,75km messend.

der nördliche Teil der Roßlochumrahmung

Im nördlichen Teil der Umrahmung thronen Bockkarspitze, Lalidererspitze und Dreizinkenspitze, letztere beiden weitere lohnende Tourenziele im Roßloch und herrlich anzusehen mit ihren weißen Mützen auf den Gratschultern.

Roßkar mit Roßloch 1.200m tiefer

Dazwischen das Bock- und das Roßkar, herrlichste Hochgebirgslandschaft noch immer tiefwinterlich weiß überzogen mit wenigen aperen schwarzen Stellen.

Grubenkar, unten das Ende des Vomperloches

Im Osten das Grubenkar einer weißen Zunge aus dem Schlund des endenden Vomperloches heraufschnellend gleich und im Süden die furchtbaren Abstürze des Grates von der Trattenspitze (mit dem Olperer im Hintergrund) über die Hohe Fürleg, die Fallbachkartürme über den König Bettelwurf bis zur Speckkarspitze.

Trattenspitze mit vorgelagertem Bockkarlturm bis zu den Fallbachkartürmen und dahinter der Olperer

Die trennenden Ketten zwischen den nördlichen Karwendeltälern, Johannestal, Laliderertal und die Eng sind bereits viel weniger von weißer Pracht bedeckt und der Nordhang zum Hochglückkar dürfte noch wenige Wochen als Schitour begehbar sein.

die Eng

Zurück vom Grat am Schidepot bei der Steinschlichtung lernte ich beim Gipfelschnaps Rainer und Peter kennen – zwei Kenner der Gegend – und trat mit den Kollegen bis zur Einkehr im Gh. Wiesenhof den Rückweg an.

der südliche Teil der Roßlochumrahmung – Hochkanzel bis Gamskarspitze, dahinter der Grat zwischen Speckkarspitze und Kl. Bettelwurf, dahinter die Stubaier…

Zunächst der Steilhang – für mich überraschend gut zu fahren – oben etwas aufgefirnt, unten etwas mehr und unter der Scharte um knapp 13 Uhr bereits etwas sehr weich aber tiefer wieder besser werdend.

des Steilhanges Mitte mit Grat ab der Scharte links unten

Das weite schön geformte Roßkar war teilweise recht gut zu fahren und man erahnte während der Abfahrt die weniger nach Süd geneigten Flächen der dünenartigen Landschaft, sodaß wir eine großteils tolle Abfahrt bis zu den Latschen hatten.

Abfahrtsgelände

In der steilen Rinne blieb ich mit dem Talschi hängen und vollführte einen tollen Salto mit dem Verlust des besagten Schis.

Als ich mich wieder aufraffte und aufsteigen wollte um den Talschi wieder anzuschnallen riefen mir die Kollegen von ca. 50Hm tiefer zu, daß ich an falscher Stelle suche. Gottseidank war ich nicht alleine, ich hätte den Schi dort oben mit Sicherheit noch lange gesucht; er sauste derart schnell hinunter, daß ich diese Blitzreise nicht vermutet hätte.

Blick auf lohnende Tourenziele, Lalidererspitze und Dreizinkenspitze

Im folgenden weichen Sulz unterhalb 1.800m machte jeder von uns Bekanntschaft mit dem nassen Schnee, teilweise durch fehlendes Drehvermögen der Bretter im schweren Sulz, teilweise durch einhakeln in Latschenbrücken, die, tückisch wie eine Schlinge, aus dem Schnee herauslugten und die Abfahrt auf den unrhythmisch geformten Lawinenresten, die wie eine erstarrte stürmische Meeresoberfläche sich zerzaust präsentierten bescherte uns eine schweißtreibende letzte Abfahrt zum Talboden.

obere Rinne perfekt zum abrutschen

Der Rest an Abfahrt bis zur Kastenalm besteht aus viel Schiebearbeit, die nach den Oberschenkeln beim Aufstieg nun die Schultermuskeln heiß werden ließen.

Peter im Latschenslalom

Mit einer ausgeklügelten Aufhängemethode schnallte ich Schi und Tourenschuhe auf das Radl und lediglich die Oberfläche des Schis der stramm mit der Sattelstütze verzurrt war erlitt durch die Vibrationen der langen Fahrt einen speziellen „Karwendelschliff“ bis zu unteren Schichten hinab und hat jetzt was zu erzählen. Vermeiden könnte man dies – als Tipp für alle, die ihre Schi nicht am Rucksack befördern wollen – mittels eines alten Fetzens als Trennschicht.

Rückblick auf ein gewaltiges Abenteuer

Die Freude über die gelungene Tour bei bestem Wetter und das mittlerweile brennende Antlitz bleiben bei der gemütlichen Ausfahrt aus dem frühlingshaften Hinterautal wohlerhalten und in dieser Stimmung erreichten wir gegen 15:30 die Labestelle, das Gh. Wiesenhof.

das Tourenziel in Bildmitte bereits in weiter Ferne

Aufstiegszeit ab Ankunft am Parkplatz knapp 6 Stunden, Gesamtzeit für die Tour ca. 9 1/2 Stunden, wobei der Abstieg und die Ausfahrt gemütlich absolviert wurde.
Gesamtstrecke mit dem Radl zwischen 26km und 34km, je nach Schneelage, Rest mit Schi.
Gesamter Höhenunterschied mit Gegenanstieg bei der Ausfahrt knapp 1.800m.

ein Vorschlag…

Der beste Zeitraum für die Tour dürfte April bis Mitte Juni sein, wobei gegen Ende Mai der Teil der Abfahrt schon zu leiden beginnen wird.

Mils, 09.04.2017