Keine Gipfeltour und keine bekannte Schitour unternimmt man bei der eher kurzen und reizvollen Schitour auf das Gstreinjöchl. Sie besticht durch den Steilhang im Mittelteil, der beeindruckenden Nachbarschaft der Tribulaune und des Muttenkopfs. Das Jöchl selber wird gar nicht betreten, die Tour endet etwa 200 m vorher auf einem Felskopf, der sich im Frühjahr, ausgeapert, bestens zur Gipfelrast eignet und den Logenplatz vor dem Gschnitzer Tribulaun darstellt, hinter dessen rundlichem Gipfelrücken das bizarr aufragende Gipfelspitzl des Pflerscher Bruders hervorragt.
Mit knapp über elfhundert Meter ist die Schitour eine eher kurze und ihr Reiz dürfte im Frühjahr größer sein als im Hochwinter, allenfalls aus Sicht der Sicherheit auf dem Mittelteil, der mit gut über 40° auch entsprechende Verhältnisse voraussetzt.
Abseits von den klassischen Touren im Obernbergtal wird mit der Inneren Wildgrube ein phantastisches und einsames Gebiet im nordöstlichen Ausläufer des Tribulaunkammes.
Die Hänge, vielmehr die Rinnen und Rippen, die den gesamten Hang bis zum tiefsten Talkessel durchziehen, bieten ein nicht alltägliches Abfahrtsabenteuer und deren oberste Ansätze könnten vom Freak als Halfpipe beschrieben werden.
Am gewaltigen Schwemmfächer wird über die im Frühjahr verbleibenden Schneefelder gegen das Tal nach Hintertrenns angestiegen, wobei die beste Route, wie wir beim Ansteuern der Richtung zur Kapelle beim Waldbauern erkennen mußten, das weite Bachbett darstellt, und hier der äußerst linke Uferbereich, der mit einer kleinen Böschung gegen Ausapern geschützt ist. Weiter drin, bereits im engen Tal, erfolgt dann die Querung des Bachs auf dessen Nordseite und dem ausgeschnittenen Sommerweg wird gefolgt.
Auf einem schwach ausgeprägten Sattel mit Wegweiser kann der weitere Aufstieg über die Schuttreise bis hinauf zu den gewaltigen Hauptdolomitfelsen eingesehen werden.
Über diesen Hang führt der Sommerweg und er wird mittels Spitzkehren bis zu den aufragenden Wänden über seine beeindruckenden 350 Hm aufgestiegen.
Zwischendurch überquert man die im Frühjahr unvermeidlichen Nassschneelawinenreste, die bei unserer Begehung bereits viele Tag alt und leicht zu überqueren sich erwiesen.
Kurz vor den Felsen zweigt der Sommerweg etwas westlich der Rinne an, auf die es Chris abgesehen hatte. Er und Martin hatten uns im Aufstieg über den langen Hang eingeholt und übernahmen nun die Führung.
Dem Sommerweg kann im Aufstieg mit Harscheisen ebenfalls gefolgt werden, er zieht westlich über die linke Rippe fort und wird erst weiter oben, nach der Steilstufe, wieder sichtbar. Zwei andere Tourengeher nahmen diese Variante und verschwenden hinter der Rippe linkerhand.
Chris steuerte zielsicher die steile Rinne zwischen Fels und Rippe an, aus der Lawinenreste, nun deutlicher ausgeprägt und jünger, unseren Aufstieg mittel Stapfen notwendig machten.
Am unteren Rand der Lawinenreste verstauten wir die Schi am Rucksack und stiegen in der Rinne auf.
Nach schätzungsweise 80 Hm wird ein kleines aperes Band erreicht, das auffallend flach zur Rechten auf einen flacheren Bereich des Hanges über den Felsen hinauszieht. Die Stelle befindet sich weit unterhalb des Sommerweges, der in einem weiten Bogen darüber nach rechts hinaufzieht und von unserem Aufstieg aus nicht sichtbar war.
Wir nahmen nun das bereits leicht ausgeaperte Querband auf den nächsten Hangteil, der über eine Steilstelle auf die Rippe erreicht wurde. Nach etwa weiteren 20 Hm konnten wir im Flacheren wieder die Schi anlegen und in der erquickenden Morgensonne weiter aufsteigen, wobei wir wieder mit den beiden anderen Tourengeher zusammentrafen.
Etwa nach einer Viertelstunde war das untere, südwestliche Ende der Inneren Wildgrube erreicht und der Blick mindestens eine Trinkpause wert.
Bei Betrachtung des Übergangs von der Nordostecke der Inneren Wildgrube auf den Muttenkopf keimte gleich der Gedanke an einer möglichen Überschreitung auf, wobei die Westflanke des Muttenkopfs schon sehr steil ausschaut und vielleicht einmal im Sommer erkundet werden soll.
Ein prachtvoller Hang stellt sich am Rastpunkt als Begrenzung der Inneren Wildgrube gen Westen entgegen und dieser bildet die nächste Etappe, bevor es unterhalb des Grates auf das Gstreinjöchl zu geht.
Der Hang, etwa 150 Hm messend, wird in Spitzkehren aus dem Tiefsten der Grube angegangen, somit steigt man zuerst einige Minuten unter moderater Steigung zur nördlichen Begrenzung, in der uns Lawinenreste zur ersten Spitzkehre zwangen.
Steil und schweißtreibend erfolgt der Aufstieg über den völlig im stumpfen Winkel beschienen Hang. Nach ein paar langen Etappen, in denen die Umgebung ausgiebig aufgenommen werden kann, folgen wenige Spitzkehren bis zur Abflachung auf knapp unter 2.400 m und der Grat zum Gstreinjöchl wird sichtbar.
Schräg nach Süden geht es von dort unterhalb der Gratköpfe und neben Felstürmchen mit moderater Steigung gegen das Gstreinjöchl weiter.
Ein wunderbarer Blick auf die südöstlich gegenüberliegenden Tribulaune im Obernbergtal und auf den weit dahinter liegenden Tuxer Hauptkamm der Zillertaler kann dabei genossen werden.
Bald wird eine Senke erreicht an deren jenseitigem Ende zwei Felsspitzln die in direkter Sichtlinie zur Schwarzen Wand stehen. Diese Felsspitzln stellten unser Ziel dar und sie befinden sich noch knapp 400 m von Gstreinjöchl entfernt. Unser Rastplatz liegt auf 2.550 m, der Jochübergang auf 2.533 m.
Über die Senke versuchten wir auf der Bergseite die Höhe zu halten und es ist wahrscheinlich so, daß der Verlust der wenigen Höhenmeter wesentlich geringerer Anstrengung bedurft hätte, aber die innewohnende Übung mußte so kurz vor dem Ziel bewiesen werden.
Am Rastplatz muß man feststellen, daß die Aussicht für einen Punkt, der nicht der Gipfelpunkt ist, verblüffend großartig ist.
Da öffnet sich das Becken nach über das Obernbergtal zu den Tuxern und Zillertalern im Südosten und schließt sich gegen Süden mit den gewaltigen Nordwänden des Kleinen und des Obernberger Tribulauns.
Der Kessel des Talschlusses bildet enge steile Rinnen auf den flachen Übergang zum Nördlichen Roßlauf bevor der weiße Osthang den bizarren Gipfel der Schwarzen Wand über alle Erhebungen in diesem Kammknoten markiert und der Grat zur Eisenspitze und schließlich zum Gstreinjöchl abfällt.
Über dem Jöchl, in der Ferne und scheinbar zum Greifen nahe, prangt der Gschnitzer Tribulaun und, knapp unter seinem Gipfel, am Nordwestgrat, ragt der Gipfelspitz des Pflerscher Tribulaun gegen das Blau des Tages, 540 m höher als unser Rastplatz.
Mit Glättespitze und Habicht im Nordwesten, dem schönen Grat über die Kalkwand zur Ilmspitze und der imposanten Kirchdachspitze endet das Fenster im Nordosten.
Wer genau schaut erkennt exakt im Grateinschnitt zwischen Ilmspitze und Kirchdachspitze den Steingrubenkogel der Kalkkögel in knapp 19 km Entfernung.
Unsere Abfahrt führte uns zunächst etwas nordöstlich auf einen Hang zu, der in einer etwas tiefer gelegenen Rinne mündete, die die beiden Kollegen tags zuvor bereits ausgekundschaftet hatten.
Und sie taten dies nicht schlecht, sowohl oberer Hang als auch Rinne erwies sich als ein tolles Abfahrtsabenteuer.
Die durchgehende Steilheit und die Abwechslung zwischen Rippen und Rinnen ist wohl ein Zusammenspiel, das diesen, von Obernberg aus eher unscheinbar wirkenden Hang, eine Höchstnote davontragen läßt.Der Hang wäre geeignet im oberen Teil weitere Querungen taleinwärts zu unternehmen und so weitere Abfahrtsmöglichkeiten zu entdecken. Aber es gibt ja weitere Winter.
Wenn man sich bei der Ausfahrt vom Talgrund auf der südlichen Talseite möglichst hoch hält, kann man weit hinaus queren und eine abschließende Abfahrt über einen Lärchenhang bis zum breiten Bachbett erleben.
Die Querung erfolgt über zwei Lawinenrinnen, die möglicherweise schwer befahrbare Reste enthalten können, die sich bei unserer Ausfahrt aber bereits in weitgehend abgeschmolzenem Zustand befanden.
Für den Aufstieg der kurzen und bärigen Frühjahrsschitour haben wir knapp 3 Stunden benötigt, die gesamte Runde incl. Pausen in 4:10 Stunden bewältigt und einen Gipfelaufenthalt von 35 min verbracht. Der Aufstieg betrug 1.120 m.
Mils, 25.04.2021