Ein schon lange gehegter Wunsch, die Überschreitung vom Sunntiger auf die Hallerangerspitzen.
Vor Jahren haben wir mit Christian den Sunntiger besucht. Eine ausgiebige, schöne Tour Anfang Juni, wo alles blühte und der Berg ein wahrer Farbkasten war.
Damals entflammte der Blick vom Gipfel des Sunntigers auf den ostwärts ziehenden Grat den Wunsch ihn näher zu erkunden.
Im AV-Führer werden die Hallerangerspitzen mit III (Stellen) beschrieben, genau meine Gewichtsklasse.
Um halb acht am Parkplatz zur Sprungschanze in Gnadenwald gestartet, erreichte ich um halb elf die Hallerangeralm. Nach einer kurzen Trinkpause verließ ich die nette Wirtin in Richtung Sunntiger wo ich um 11:45 am Gipfel eine Rast einlegte.
Am Weg dorthin passierte ich neben dem Melzerdenkmal natürlich auch.
die Überreste längst vergangener bergbaulicher Infrastruktur mit ihrer unverwechselbaren sonderbaren Geologie und Flechtenbewuchs (den es im Karwendel in dieser Form nicht weiter gibt).
Die zunehmend oft anzutreffenden, unvermeidlichen Steinmandln in halber Lebensgröße – ein Phänomen der letzten 10 Jahre, in etwa so sinnlos wie die fb Fotos mit Leuten, die auf die Arme von Gipfelkreuzen hinaufsteigen – markieren unverwechselbar das frühe Industriedenkmal auf dem breiten Rücken, der sich zum Reps hinzieht und vermiesen mir die Lust mich tiefer mit der Arbeit der Knappen vor langer Zeit zu befassen.
Am Gipfel des Sunntiger um 11:45 angekommen, kam kurz Zweifel auf, ob das Wetter halten würde. Wetterberichte heutzutage sind sehr unverlässlich für den Bergsteiger und der Blick gen Westen verriet nichts Gutes.
Ich beschloss zumindest ein, zwei Grattürme zu probieren und wenn der dunkle Turm über der Zugspitze näher kommen würde, dann würde ich umdrehen.
Starker Südwind (Föhn) ließ die Hoffnung auf durchgehend schönes Wetter weiter keinem und so machte ich mich mit viel Getöse um die Ohren auf den Weg.
Zuerst taucht man recht tief in die Verbindungsscharte mit dem ersten zähne zeigenden Gratturm ab um dann jenseits entweder recht ausgesetzt am Grat, oder auch nicht weniger einfach im südlichen Hanggelände wieder auf die Gratschneide zu gelangen.
Dieser erste Gratanwurf hat – nachträglich gesehen – so etwas wie eine Schlüsselstelle an sich. Ist man oben, dann meistert man auch die folgende Strecke, und das mit zunehmender Freude am Gratverlauf.
Auf dreiviertel der Höhe finde ich direkt am Grat eine Opferschlinge, eine recht neue schmale Bandschlinge, um einen großen Zacken herum gelegt. Oben angekommen erlaubt der Blick die Sicht bis zur größeren der beiden Hallerangerspitzen. Weiter geht es nun leicht am Grat mit zunehmender Höhe.
Die Kletterei ist nach dem ersten Aufschwung direkt am Grat etwas einfacher als vorher.
Sie sieht schon fast zum Greifen nahe aus, jedoch ist die eine Stunde mit der die Überschreitung im AV-Führer beschrieben ist, bei der Erstbegehung gerade noch zu schaffen. Hier ein Rückblick über die von Westen so harmlos aussehende mächtige Gratplatte der kleinere der Hallerangerspitzen mit tiefer Einschartung im Verlauf nach der Spitze.
der Gratverlauf zwischen den beiden Gipfeln ist einfach.
Die größere Hallerangerspitze stellt den Überschreiter vor die Frage von welcher Seite man sie nehme. Zuerst kokettierte ich mit einem steil nach oben ziehenden Band, das auf die südliche Begrenzung führen würde, jedoch sieht es, bei näherer Betrachtung, nicht leicht aus und außerdem ist es nach einer Kurve nicht mehr einsehbar.
Also entschied ich mich für die Nordseite, die über eine Rinne ein besseres Weiterkommen versprach. Dem war auch so und nachdem die Rinne auslief ist man recht ausgesetzt auf der Nordflanke, jedoch mit guten Griffen und Tritten ausgestattet wendete ich nach Süden und erreichte nach ca. sieben, acht Meter den Gratverlauf wieder.
Die Partie auf den Kopf würde ich als zweite Passage im dritten Grad bezeichnen. Alles andere ist eher leichter.
Nun sieht es so aus, als läge ein leichter Abschnitt voran.
Der Berg gibt jedoch noch nicht ganz auf. Eine tiefe Einschartung wartet noch als krönender Abschluß. Diese wäre niemals direkt zu überklettern, jedoch wird man dessen erst in der Flanke gewahr, wenn man den Blick nach oben richtet.
Nach der Schuttreise, die aus schlechter, brüchiger, orangefarbener Störzonengeologie besteht ein Blick zurück auf den Grat nach der höheren Hallerangerspitze mit dem mächtigen Überhang, den man mit Höhenverlust in der Südflanke umgehen kann. Allein für diese Partei habe ich zehn Minuten verbraucht.
Nach diesem Abschnitt folgt der letzte Aufschwung, der aber schon zum Gratverlauf zählt und, obwohl höher, keine Hallerangerspitze mehr ist.
Nun sind aber alle kritischen Zacken und Türmchen gemeistert und man hat die Wahl dem Grat bis zur Gamskarspitze zu folgen, oder, wenn der Heimweg lang und das Wetter zweifelhaft, dann kann man an geeigneter Stelle auch den Grat verlassen und ca. 150 bis 200Hm darunter, den Weg von der Hallerangeralm zur Gamskarspitze treffen und diesen abwärts zu folgen.
Ein letztes Schneefeld dient dem raschen Abstieg in das sogenannte Großjoch.
Nun gibt es eine spitzenmäßige Bergsteigermahlzeit. Knödelsuppe und Bier füllen den Salzverlust wieder auf.
Am Rückweg über das Lafatscher Joch sehe ich die gesamte überkletterte Kette im Norden nun fortwährend mit anderen Augen.
Um 15 Uhr erreichte ich die Bettelwurfhütte, legte eine Pause ein und um 17:30 Uhr erreichte ich den Ausgangspunkt wieder.
Die gesamte Strecke hat knapp 2.500Hm mit geschätzten 200Hm innerhalb der Gratstrecke und an die 24km Länge.
Mils, 14.06.2015