Außergewöhnlich! – kann als treffendes Schlagwort für die famose Schitour auf die Hohe Munde verwendet werden. Außergewöhnlich hinsichtlich ihrer ausgesetzten geographischen Lage, ihres freien und steilen Aufstieges ab der Rauthhütte, ihrer Abbrüche ins Tal vor allem nach Süden und nicht zuletzt wegen ihres phantastischen Ausblickes und eines reizvoll ausgeprägten Gipfelerlebnisses.
Wer die Schitour auf den Ostgipfel der Hohe Munde einmal begangen hat, der wird sie wohl nie wieder vergessen, vor allem dann nicht, wenn er sie bei Kaiserwetter erleben durfte. Der mehrfach anregende Aufstieg ist ein Erlebnis der Sonderklasse.
Bereits kurz nach Tagesanbruch leuchtet die Hohe Munde über dem Inntal und kurz darauf verrichtet die aufgehende Sonne im März ihr tauendes Werk am ungeschützten und gewaltig aufsteilenden Osthang, weshalb der zeitige Aufbruch angeraten ist.
So reizvoll und erhaben der Osthang bei gutem Wetter aussehen mag so furchteinflößend und unfallträchtig mag er bei der Begehung bei nicht passenden Verhältnissen sein, allem voran ein hart gefrorener Aufstieg und schlechte Sicht. Am Großteil des Aufstiegs nach der Baumgrenze gibt es kaum Orientierungshilfen.
Während wir gegen 6:30 Uhr am Parkplatz der Rauthhütte „Mundestadl“ auf 1.180 m losmarschieren befindet sich der Gipfelbereich bereits im markanten malerischen gelblichen Morgenlicht und keine Wolke ist weit und breit zu sichten.
Den Abmarsch eine halbe Stunde früher zu legen hätte es leicht vertragen, aber wir waren immer noch zu einer vernünftigen Zeit unterwegs und bis zur Rauthhütte kraschelte es recht laut unter den Fellen und die Schi klapperten obendrein am bock hart gefrorenen Firn der ehemaligen Liftabfahrt – ein klassischer Moment der menschlichen Hilflosigkeit gegenüber der Stille der Natur, der mit lärmender Technik überbrückt wird die alle morgendlichen Vogelstimmen übertönt.
Zu einer ansehnlichen Gruppe gereift stiegen wir über die noch vorhandene Abfahrt des früheren Mundeliftes (Betrieb bis 2003) auf. Nach einer Viertelstunde tauchten wir sieben Begeisterten bereits in die Morgensonne ein, weit vor der Rauthhütte, die zu dieser Morgenstunde noch im Tiefschlaf lag.
Vor, sowie hinter uns gar nicht wenig Gleichgesinnte, selbst der großflächige Parkplatz war um halb sieben Uhr an seiner Peripherie bereits restlos gefüllt und trotzdem empfanden wir den Aufstieg nicht als überlaufen.
Wenn eingangs über die besonderen Eigenschaften dieser Schitour die Rede war, dann kann zunächst der Eindruck an Tageszeit bei der kurzen Trinkpause bei der Rauthhütte (siehe Fotos) erwähnt werden. Dieser Eindruck vermittelte in 1.600m Höhe durch den dortigen Sonnenstand und der bereits enormen Strahlungsintensität ein gewisses „Zehn-Uhr-Dreißig-Gefühl“ und doch war es noch nicht einmal genau halb acht Uhr früh; ein nicht alltägliches Erlebnis nach dem drei Tage zuvor beendeten Winter.
Den schwer beschreibbaren Blick des kolossalen Steilhanges dem Betrachter direkt vor Augen japst die Seele förmlich nach der Besteigung dieser Schönheit, gleichzeitig aber wächst ein gewisser Respekt vor den folgenden 1.000 Höhenmetern bis zum Gipfel.
Nach der Rauthhütte erfolgt der Aufstieg in einer mäßig ausgeprägten unbewachsenen Mulde, die nach oben hin steil wird und gleichzeitig die – vermutlich durch Lawinen von der mächtigen Hohen Munde herab hinuntergedrängte – Baumgrenze auf etwa 1.700m bildet.
Am Ende der Mulde wechselt die Aufstiegsrichtung stetig steil ansteigend ziemlich radikal von Westen nach Süden auf die markante Ostflanke der Hohen Munde zu, den Hang dabei schneidend. Sie erreicht dabei auf sehr kurzen Passagen Hangneigungen von mehr als 40°, denen durch die Routenwahl so gut wie möglich ausgewichen wird und die nicht so steil empfunden werden.
Ab dieser Position – etwa auf 1.900m – werden die Auswirkungen der tageszeitlichen Erwärmung im Frühjahr voll schlagend.
Die Steilheit des Hanges mit teilweise 40° Neigung angenommen mag mit dem Sonnenstand zu Frühlingsbeginn am Morgen einen Einfallswinkel von nahezu 60° bilden – welcher gleich ist mit jenem, den die Sonne zu Sommerbeginn am Mittag auf die als horizontal angenommene Erdoberfläche bildet(!) – sodaß um diese Tageszeit bereits nahezu die maximale Wärmestrahlung wirksam werden kann.
Diese Extremsituation gegen acht Uhr früh muß erst einmal begriffen werden – am besten man erlebt sie unter „live-Bestrahlung“ an der Ostflanke der Hohen Munde direkt. Eine weitere eingangs erwähnte Superlative dieses außergewöhnlichen Berges.
Wir erreichten diese Passage etwa um acht Uhr und stellten bereits mehr als einen Zentimeter unter die Oberfläche aufgetauten Firn fest und viertelstündlich verstärkte sich die Auftautiefe.
Etwa zwanzig Minuten später im Aufstieg wird auf 2.000m ein kurzer flacherer Teil des Hanges erreicht, der sich zur Trinkpause vor dem steilsten vorausliegenden Abschnitt eignet.
Ab dieser Stelle folgen knapp 600Hm Aufstieg mit den steilsten Passagen. Zunächst folgt die Route noch der geringsten Hangneigung Richtung Südwesten, bei unserer Begehung durch eine leichte Nassschneerutschung der vergangenen Tage hindurch, danach um eine schwach ausgeprägte Hangrundung herum bis nahe an den markanten südlichen Felsabbruch heran (nicht so nahe, daß unmittelbare Absturzgefahr bestünde).
Anschließend dreht die Richtung nach Nordwest und der Aufstieg folgt in Spitzkehren durch die steilste Passage mit einer Hangneigung laut TIRIS von mehr als 40°. Die Passage ist nicht sehr lang, sie erfordert kaum zehn Minuten Durchstieg.
Mit etwas weniger Steigung geht es weiter, die linken Spitzkehren im Aufstieg meist recht nahe am Felsabbruch, dem der Aufstieg etwa 100Hm parallel folgt und bei dem sich ganz oben atemberaubende Fotoszenen bieten.
Bei harten Schneeverhältnissen könnten diese Passagen unangenehm und bei Sturz gefährlich sein.
Oberhalb des Felsabbruches dreht der Aufstieg wieder nach links, mehr nach Westen, und erreicht weniger steile Bereiche rechts der beginnenden Lawinenverbauungen, wobei die Neigung aber in der Bandbreite zwischen 30 und 35° bleibt.
Kurz vor dem Erreichen des signifikant flacheren Gipfelhanges (<<30°) führt der Aufstieg an die Lawinenverbauten heran, bzw. oberhalb der zweiten Netzreihe über die Kuppe auf den Gipfelhang.
Dieser kurze letzte Teil ist nochmals deutlich steiler als 35° und führt über die Kuppe.
Die Kuppe des Gipfelhanges wird bei ca. 2.540m betreten und auf einem breiten, pistenähnlichen flachen Hang mit nordseitigem Lawinenverbau führt der Anstieg die restlichen 50Hm auf das riesige, vollständig flache Gipfelplateau und weiter zum Gipfelkreuz des Hohe Munde Ostgipfels.
Der Ostgipfel ist um 70m niedriger als der eigentliche Hohe Munde Gipfel im Westen mit 2.662m. Die Route dorthin ist vollständig einsehbar und führt über den anfänglich schmalen Gratrücken auf den Osthang und zum Gipfelkreuz.
Wer die Tour dorthin fortsetzen will muß etwa 70Hm abfahren, wieder Auffellen und etwa 150Hm Aufstiegshöhe vom Tiefpunkt auf das etwa 900m entfernte Ziel einrechnen. Am Rückweg fallen wieder die 70m Aufstieg auf den Ostgipfel an, die Tour dorthin schlägt also in Summe mit zusätzlichen 230Hm zu Buche.
Den phänomenalen Rundblick von der Hohen Munde durften wir an diesem so perfekten Tag mit unglaublicher Fernsicht erleben. Die Bilder spiegeln nur Bruchteile wider, so konnten wir beispielsweise den mehr als 90km fernen Großglockner eindeutig erkennen.
Die Stubaier Alpen im Süden entfalten sich vor dem Betrachter gleichsam dem Bühnenbild im Opernhaus. Im Norden das gewaltige Massiv der Zugspitze und nach Osten folgend konnte jedes Detail der wilden Grate des Wettersteingebirges betrachtet werden.
Weit im Osten das Karwendel mit einem kleinen Einblick in die noch tief winterlichen Karwendeltäler, die in einigen Wochen mit sagenhaft schönen Frühjahrstouren aufwarten werden.
Nicht unerwähnt soll auch der Blick zu beiden Seiten ins Inntal bleiben – selten ein Punkt im Inntal, der diese Spanne an Einblick in die Talschaft zu liefern vermag.
Ein weiteres Highlight dieser phänomenalen Schitour stellt die Abfahrt dar. Kraftraubend sind die steilen 1.000Hm der Ostflanke ebenso zum Befahren, auch wenn, wie in unserem Fall, beste Firnverhältnisse vorherrschen. Da der Hang viel befahren wird präsentiert er sich zum Teil wie eine klassische Buckelpiste und, 100Hm am Stück beherzt abzufahren, lassen die Oberschenkel mächtig brennen.
Die notwendige Rast nach jedem Teilstück der Abfahrt besteht nicht nur im Abkühlen der Oberschenkeln und der Beruhigung des Kreislaufs, sie ruft die Nebenwirkung des Genusses der umgebenden Landschaft hervor, der, beim Bier von der Rauthhütte aus beurteilt, durch den zu gierig angegangenen weißen Rausch eigentlich viel zu kurz kommt.
Wir hatten uns bemüht nach der Kante oben nicht direkt über die Aufstiegsroute abzufahren, sondern orografisch rechts, bis tief hinab zum Felsabbruch genau in seiner Falllinie. Das Gelände war dort noch nicht so sehr zerfahren wie am direkten Osthang. Mit Respektabstand zur Abbruchkante wechselten wir nordostwärts auf den breiten runden Osthang nun orografisch links vom Aufstieg.
Der Rest der Abfahrt über die latschenbewachsenen Teile der unteren Ostflanke zeigte kurz nach zehn Uhr vormittags schon sehr weiche Schneeverhältnisse, dennoch gut zu befahren. Als Abfahrtsroute im unteren Teil des Hanges, die bereits wieder mit vereinzelten Baumgruppen bewachsen sind, wählten wir die direkte Linie am Hang, mitten in den lichten Wald hinein und über das letzte steile Stück im Wald zur Rauthhütte.
Eine sagenhaft vielfältige und anregende Schitour mit dauerhaftem Temperament über alle Abschnitte und bleibenden Eindrücken ging beim vormittäglichen Frühschoppen auf der Hüttenterrasse zu Ende.
Bei wenigen kurzen Trinkpausen und einer knappen halben Stunde am Gipfel hat dieses Juwel an Schitour 4:25 Stunden in Anspruch genommen (ab Parkplatz Mundestadl und zurück zur Hütte, die Abfahrt Rauthhütte – Parkplatz nicht mitgerechnet). Die Höhenmessung zeigte 1.405Hm. Die Track-Aufzeichnung in der Bildergalerie wurde bewußt erst nach der Rauthhütte gestartet und dient nur der Veranschaulichung der Aufstiegs- und Abfahrtsroute.
Harscheisen sind auf dieser Tour Bedingung (wir haben sie nicht benötigt), Spitzkehren sollten in steilem Gelände einwandfrei beherrscht werden und eine gewisse Erfahrung mit steilen Schitouren sollte mitgebracht werden. Wer sie bei Prachtwetter begangen hat der rät schon bei leicht zweifelhaften Wetter-/Schneebedingungen dringend ab, nicht nur der Sicherheit wegen, auch des Erlebnisses wegen. Berg Heil!
Mils, 24.03.2019