Unter den Herbsttouren ein Klassiker ist die Runde über die Hohe Fürleg.
Sowohl vom Westen als auch vom Osten ist die Hohe Fürleg nicht direkt ersteiglich, sie wird von Westen über das nicht einfach erreichbare Fallbachkar und vom Osten über einen längeren Zustieg der endenden Gleirsch-Halltalkette erreicht. Diese Situation bildet die perfekte Möglichkeit für eine Rundtour.
Unserem Gefühl nach ist die West-Ost-Richtung der Tour die schönere, jedoch ist das Geschmackssache. Für diese Richtung spricht, daß die großen Anstrengungen zu Beginn gemeistert werden und der Abstieg leichter erfolgt, als über Verschneidungen und seilversicherte Wände. Für die Gegenrichtung spricht die rasche Abfahrt in einer 700Hm! Reise (wo hat man schon eine solch gewaltige?), der Wechselreise, die nur in einem kurzen Stück in flacheres Gehgelände wechselt und zwar dort wo sie in die Bettelwurfreise übergeht (dieser Abstieg wird im Folgenden jedoch nicht beschrieben).
Der Start der Runde in West-Ost-Richtung erfolgt entweder 5 Gehminuten nach der Maximilianquelle rechts abzweigend (nicht beschildert) am Weg zur Halltalerhütte, bei der ersten Ladhütte im Halltal genau bei der Talstation der Materialseilbahn mit Richtung zur Halltalerhütte, oder beim Trinkwasserstollen in Richtung Alpensöhnehütte.
Klaus und ich starten um halb acht Uhr über die erste Variante, unserem Normalanstieg zur Halltalerhütte und weiter zur Alpensöhnehütte zum Wassertanken.
Wasser ist ein zentrales Problem im Karwendel über ca. 1.700m Seehöhe und so sollte man diese Gelegenheit nicht missen, sie stellt bei unserer Route einen Umweg von nicht einmal 10min dar. Das Wasser ist auch ein Grund warum wir diese Tour als Herbsttour betiteln. Geht man im Sommer, dann muß man sehr früh losgehen, damit man am Südhang der Hüttenspitze und in der Nagelwand nicht verbrennt. Diese Partien sind sehr durstintensiv, weil auch sehr steil.
Der Steig bis zur Hüttenspitze wird hier nicht beschrieben weil er hinlänglich bekannt ist, bzw. leicht zu finden. Lediglich der Hinweis auf den Einstieg zur Hüttenspitze in den Wald nach der kleinen, unbewaldeten Flachstelle am Steig von der Halltalerhütte herauf sei hier gegeben. Ein kleines Holzschild auf einem der ersten Bäume gegen Norden übersieht man leicht. Der Steig im Wald ist gut markiert, es empfiehlt sich aber rasch auf den westlichen Rücken aufzusteigen, der den angenehmsten Anstieg darstellt.
Unter dem Gipfelkreuz der Hüttenspitze führt der Steig unübersehbar zum östlichen Abbruch derselben weiter, dies ist der Steig zur Wechselscharte mit, am Ende, einer kleinen leichten Abkletterstelle.
Ab der Wechselscharte beginnt die Nagelwand, eine seilversichterte, im Gesamten mehr als 60° steile, feste Wettersteinkalkwand. Man kann ein Klettersteigset verwenden, oder auch nicht, sie ist jedenfalls sehr kurz (~100hm, die in etwa dem Höhenverlust vom Hüttenspitzgipfel entspricht) und anstrengend bis die Seilsicherung in den Latschen endet.
Ab dort geht es nicht zwar nicht mehr Kletterfels, jedoch nicht minder anstrengend in einer Latschengasse weiter bis zum Abzweig nach rechts zur Kleinen Wechselspitze. Geradeaus führt der Steig weiter zur Fallbachkarspitze.
Über die Nomenklatur der beiden Spitzen haben wir uns hier ausgelassen.
Im Sommer ist man froh um die nun folgende Partie, folgt sie doch der großen, schattigen Verschneidung zwischen beiden Wechselspitzen, einer natürlichen Störzone, die diese Verschneidung bildet und uns auch weiter oben den Weg ins Fallbachkar überhaupt erst als leichten Zugang ermöglicht. An diesem 1. Oktober 2015 jedoch waren wir hingegen froh um die Kletterhandschuhe, der Fels war eiskalt und die Rinne mit schneidig kaltem Föhn durchsetzt.
Die Verschneidung, schluchtartig vor allem im unteren Teil ausgebildet, ist leicht zu klettern, die rechte Flanke ist meist der markierte Teil und auf jener Seite findet man auch alte Sicherungsmittel, deren man aber nicht bedarf. Ein hinlänglich bekannter gewaltiger Klemmblock bildet einen willkommenen Blickfang der jedes Mal aufs Neue erbauend anzuschauen ist.
Diese Verschneidung ist klettertechnisch gesehen auch die größte Anforderung der Tour, alle anderen Stellen sind in etwa gleich leicht, oder leichter. Wenn überhaupt, verdient die Verschneidung nur an manchen Stellen für Bewertungsfetischisten II-.
Am Ende der Verschneidung tritt für den Bergsteiger schlechte, bröselige bis feinschluffig erdige Geologie zutage und man sieht den Grund für das vorher beschriebene.
Also quert man nun weit oben einige Meter unterhalb der Latschen die trichterförmige Erweiterung der Verschneidung und erreicht den plateauartigen Gipfel der Kleinen Wechselspitze, den zweiten Gipfel der Rundtour.
Die Aussicht belohnt dort schon für den schweißtreibenden Abschnitt, also lohnt sich das Innehalten bei einer kleinen Rast. In unserem Fall windgeschützt auf der Ostseite gegen das Kar.
Der weitere Steig in das Fallbachkar verliert sich über längere Strecken und man bleibt am besten eher am Hang unten, als daß man zu weit aufsteigt, denn der Steig führt unweigerlich in den vorderen tiefsten Karboden hinab, quert diesen über die vordere Hälfte und führt, nun wieder deutlich ausgeprägt, direkt in die Reise, die von der Westseite der Hohen Fürleg herunterzieht und die den nächsten, letzten Anstieg zum Gipfel darstellt.
Die Schotterreise ist in den letzten Jahren durch häufige Begehung recht stabil geworden, im oberen, steileren Teil empfiehlt sich zum Aufstieg die leichte Verschneidung zweier Einzelreisen, die immer gröberen Schotter enthält und bei diesen Korngrößen nicht so stark rutscht (kaum zu glauben, daß in alten Karwendelführern der Anstieg zur Wechselscharte nicht über die Hüttenspitze, sondern über die gewaltig lange Wechselreise beschrieben wird; wer diese einmal aufgestiegen ist, der weiß was ein Reisenanstieg bedeutet).
Die ungute Partie findet alsbald sein Ende und man erreicht den festen Fels dem man entweder nach den alten vergilbten Markierungen, oder den etwas links davon nach den neuen dunkelroten Markierungen folgt.
Das Gelände ist leicht zu klettern, teilweise ist es nur steiles Gehgelände, teilweise sind kleinere Kletterstellen eingelagert. In Summe ist der weitere Anstieg zum Gipfel leicht, ohne Anforderung an Kletterkünste.
Von den gesamten gut 2.000Hm der Rundtour (mit dem Auf und Ab am Grat, dem Hundskopf und dem Steig über die alte Halltalerhütte sogar rd. 2.200Hm) trennen ab dem Felsgelände am Ende der Schotterreise noch rd. 300Hm vom Gipfel.
Diese letzten 300Hm spürt man dann plötzlich sehr in den Wadeln, wenn man lange Touren nicht gewohnt ist und der doch recht mühsame Aufstieg von der Wechselscharte seine Spuren hinterläßt.
Die Aussicht auf die Ostseite des Großen Bettelwurfs und das herrlich abgeschiedene Fallbachkar geben aber den nötigen Schub zum Gipfelsieg.
Eine weitere schöne, klettertechnisch mäßig schwere Tour aus dem Fallbachkar in Richtung Osteck, jedoch mit viel psychologischem Training durch die rutschenden Schottereisen, findet man hier.
Nach dem langen markanten Plattenkalkabschnitt im Anstieg wendet sich die Route scharf nach rechts, um einen Felssporn herum und, abflachend, über die letzten ca. 30hm zum Gipfel, den wir gegen halb ein Uhr erreichten.
Das Gipfelkreuz, errichtet in des Verfasser Urgroßmutters Geburtsjahr 1897, ist ein Stahlkreuz, das man auch oft vom Inntal aus im Sonnenlicht aufblinken sieht. An unserem Herbsttag durften wir es unter gefühlten 50kmh schneidig kaltem Südwind erleben, der gerade den Eintrag ins Gipfelbuch mit klammen Fingern zuließ. Also machten wir uns nach dem Gipfelschnäpschen gerne weiter auf den Grat in Richtung Walderkampspitze und Trattenspitze.
Der weitere Grat ist meist breit, im Gesamten klettertechnisch ohne besondere Anforderungen und führt in mäßigem Auf und Ab über die gipfelkreuzlose Walderkampspitze (nur ein Steinmandl markiert sie) bis zur Trattenspitze, die mit 2.510m noch kaum niedriger ist als die beiden westlichen Gipfel.
Hier bricht der Gratkamm jäh um ca. 60Hm ab und wird in seiner wilden riffartigen Ausbildung zahmer, ja manchmal fast rund. Der Abstieg von der Trattenspitze auf den weicheren Kamm der Tratten (Bergwiesen) erfolgt im Norden, in Richtung zur geologischen Besonderheit des Bockkarlsturmes.
Dieser Abstieg kann im Frühjahr oder auch im Spätherbst weitgehend mit gefrorenem Schnee bedeckt sein, der die Begehung zur gefährlichen Sache machen kann, wenn man kein entsprechendes Schuhwerk ausgewählt hat, näheres darüber hier.
Der Kamm über den Tratten bildet einen feinen, schonenden Abstieg zur Mandl und Weibele Scharte, die ihn markant vom kühnen Felssporn des Hundskopfes trennt. Am Beginn des Kammes sind ein zwei kleine, mannshohe Kletterstellen eingelagert, die man rückwärts gedreht abklettert. Der Rest ist feines Gehgelände.
Natürlich darf der fünfte Gipfel dieser Rundtour, der Hundskopf nicht fehlen und wir nahmen ihn über den Felix-Kuen-Klettersteig mit und genossen gegen zwei Uhr die Nachmittagstimmung am Gipfel.
Wenn man diesen nicht mehr packt, oder mitnehmen will, dann nimmt man die nördliche Umgehung, ein markierter und gut sichtbarer Steig, für den aber im Frühjahr und im Herbst das gleiche gilt, wie für den Abstieg von der Trattenspitze. Vorsicht bei Schneelage ist geboten!
Der Abstieg vom Hundskopf ist Routine und bedarf keiner Beschreibung. Da ist ein Hopfengetränk auf der Hinterhorn Alm schon erwähnenswerter.
Wegen des fortgeschrittenen Tages und der Tageslänge im Herbst verließen wir die Hinterhorn Alm um dreiviertel vier Uhr. Das letzte Teilstück ist nicht zu unterschätzen, wenn nun die gesamten Höhenmeter in den Wadeln stecken. Alternativ, kann man sich auch dort abholen lassen, versäumt aber dann eine wunderschöne Wanderung in Almhöhe durch das farbenfrohe Karwendelgehölz.
Nach der letzten Kehre der Straße zur Hinterhorn Alm zweigt ein zunächst breiter Forstweg ab, der sich rasch zum schmalen Steig wandelt. Diesem gefolgt, erreicht man die Böden, auf die die Wasser. Und Schneemassen von den 1.000m höheren Felsen herab donnern und die jene Sturzbäche bilden, die breite Wasserfurchen mit schneeweißen Schottertürmen an den Ufern bilden. Ein einmaliges Szenario und nur an Ort und Stelle einsehbar. Ein nächtlicher Kampf zwischen Jäger und Opfer ist an den Felsbrocken beim Durchschreiten des Bachkares an den weit verbreiteten, angetrockneten Blutspritzern noch gut zu erkennen. Wildes urtypisches Karwendel!
Auf der Gegenseite des Bachkares geht es dann einige Kehren hinauf bis unter die Felsenlinie um dann, mäßig fallend, auf den Steig bei der alten Hallterhütte zu treffen. Von dort nimmt man am besten den wunderschönen Steig direkt hinunter zum Fallbach-Bachbett (nicht in der AV-Karte als roter Steig markiert, siehe Foto der Runde in der Galerie), man muß nicht den beschwerlicheren Steig über die Schaferhütte zur neuen Halltalerhütte nehmen.
Der Abstieg auf diesem Steig unterhalb der alten Halltaler Hütte bietet noch einige phantastische Ausblicke und Stimmungen.
Nach dem Überqueren des Bachbettes des Fallbaches erreicht man am Besinnungsweg den Ausgangspunkt, den Parkplatz bei der Sprungschanze wieder.
Man rechne für die Runde zwischen 9 und 12 Stunden, je nach Verfassung und Verbleib auf Gipfeln oder der Alm. Die Wegstrecke ohne Höhenmeter beträgt für die gesamte Runde knapp 16km.
Mils, 11.10.2015