Der Normalanstieg zur Hochkarspitze erfolgt über das Großkar, die Variante über das Hochkar entbehrt bereits im Talwald, bald nach dem Hochsitz und des Endes der Latschengasse nördlich davon, eines Steiges oder irgendwelcher Markierungen und erfordert Orientierungsübung im felsigen Teil am Aufstieg auf den Südgrat nach Verlassen der Schuttströme der Karrinne.
Bereits am Hochpunkt des Wegs nach dem steilen Aufstieg von Scharnitz tritt der Südgrat der Hochkarspitze ins Blickfeld. Wild und zerrissen, mit zahlreichen Türmen und Zacken kann er bereits in der Ferne nicht übersehen werden.
Das Radl dient bei dem einsamen Vorhaben der Hochkarspitze als gefälliger Zeitverkürzer für An- und Abreise. Wenn man – welches als äußerst empfehlenswert erwähnt werden muß – den Abstieg nicht über die Aufstiegsroute wählt, dann bleibt es schon eineinhalb Kilometer vor dem eigentlichen Anstieg über den langgezogenen Zustieg über die Karrinne bei der Jagdhütte am Großen Schafstallboden zurück. Dort endet der Abstieg vom Großkar und damit die schöne Runde über die Hochkarspitze.
Im Wald südlich der Karrinne, bei einem Jägerunterstand, trifft man extreme Spuren von Wild, denen man folgt und zu einem Hochsitz gelang, den man rechts liegen läßt und über die breit ausgeschlagene Schneise einen schmalen Jagdsteig findet, der sich einige Minuten lang durch die Latschen hinauf schlängelt.
Der gleiche Steig wird auch angetroffen, wenn man dem Weg noch ein paar Hundert Meter folgt und links in die Latschen abzweigt.
An dessen Ende erfreut zunächst der Eindruck man sehe einen Hauch von Steig durch das Schuttfeld hinauf. Leider täuscht dieser Eindruck bei der Begehung bald, es handelt sich nur um Tierpfade, die wahllos von links nach rechts und umgekehrt in der Karrinne quer führen.
Was bleibt ist der mühsame Aufstieg über glücklicherweise meist kleinstückigen Schotter.
Nach einer guten halben Stunde des Aufstiegs, etwa auf 1.640 m quert der einzige wirkliche Steig, ein Jagdsteig, die Karrinne. Man könnte ihn nutzen, um zum Großkar im Westen und, mit ziemlichem Höhenverlust, zum Bäralplgraben und mit weiterem Abstieg zur Angeralm zu gelangen, wobei beide Ziele nur jagdlichen Zweck zu haben scheinen und den bergsteigerischen entbehren.
Ab dieser Höhe bieten die Latschenfelder an ihrem Saum eine halbwegs komfortable Aufstiegsmöglichkeit in nicht losem Schotter, sondern auf gewachsenem Boden. Das Gelände wird ab dort auch steiler und mühsam im Aufstieg.
Angesteuert wird ein recht ausgeprägtes Tal – die Bezeichnung Mulde wäre untertrieben – zu dem die zentralste Schuttreise emporführt.
Weit oben wurde ein Steinmandl auf dem rippenartigen Spitzansatz eines der letzten Latschenfelder gesichtet, welchem jedoch keinerlei Richtungsanzeige abzugewinnen war. Möglicherweise war dem Errichter desselben die ursprüngliche Bauweise von Steinmandln, mit dem obersten Stein die Richtung anzugeben, nicht bekannt, wie es so oft bei solchen im Karwendel beobachtet werden muß.
Die Richtung tritt jedoch in dieser Höhe schon eindeutig zutage, während man noch weiter unten im Zweifel steht zu tief nach links zum Südgrat zu queren. Der Führer spricht hier nicht deutlich genug, sodaß es – bei Betrachtung der Geländeformen – zwei Möglichkeiten gibt, den Aufstieg zum Grat zu begehen.
Die untere Möglichkeit beschreibt eine markante Richtungsänderung nach links (nordwestlich), die der Führer mit keiner Erwähnung würdigt und diese Rinne hängt nach Ansicht des Verfassers nicht mit dem unteren großen Schuttfeld zusammen.
Die obere Möglichkeit besitzt keine Richtungsänderung, sie führt in gerader Verlängerung in die Wände, wird allerdings oben nicht in der beschriebenen Weise breit sondern endet in Schrofen soweit man von unten im grellen Vormittagslicht in den wenig strukturierten Talwänden erkennen kann. Und die Erwähnung „in der Mitte des Kars“ stimmt nicht, denn das Hochkar beginnt mit seiner Karschwelle erst weiter oben.
Der Verfasser wählte die obere Möglichkeit (~2.000 m), da sie subjektiv besser zur Führerbeschreibung zu passen schien. Später, bei Betrachtung des Geländes oben am Grat, könnte man sich die untere Möglichkeit mit einem verlängerten Graterlebnis gut vorstellen. Vielleicht wäre sie ein nächstes Ziel dieser eigenwillig schroffen Begehung auf die Hochkarspitze.
Zunächst jedoch wurde die gewählte Route in Angriff genommen und am Felsansatz die großen Blöcke gequert und links des Wasserlaufs aufgestiegen. Der schlechten Felsqualität im Tal, links (südwestlich) der Wasserrinne in der Tiefe, muß so gut es geht ausgestellt werden.
Es ist dort erstaunlich welche schwierigen Bruch- und offenbar extreme Verwitterungsformen den typischerweise guten Wettersteinkalk in ein schwer begehbares Terrain verwandeln können. Alle Griffe und Tritte sind auf Verbund und Festigkeit zu prüfen und gute Felspartien erkennt man schon von weitem an großer Steilheit bis hin zur Ausbildung einer Wandstufe.
Dennoch erfreut die leichte Kletterei über die Stufen hinweg, weil sie nicht klar vorgegeben nach oben führen kann, sondern die festen Partien beinhalten muß. Und siehe da, des Verfassers Route führte im weiten Tal unweigerlich an einem Steinmandl vorbei, sodaß es schon mehrere Begehungen über die obere Varianten gegeben haben muß.
Die bizarre Landschaft am Südgrat der Hochkarspitze tritt sagenhaft ins Blickfeld. Links und rechts brüsten sich sonderbarste Felsformen und der Verdacht liegt dem Verfasser nahe, daß dies in Zusammenhang mit dem fortgeschrittenen Alter der Lechtaldecke zusammenhängt, betrachtet man die Inntaldeckenformen im Süden.
Eine gute Dreiviertelstunde nahm der Aufstieg über die zerrüttete Südwestflanke im Tal auf den Südgrat in Anspruch und die Felsqualität nahm bis oben hin kaum eine Verbesserung.
Dafür trat der erste Gratturm mit fester, bleckender Senkrechtfront in gewaltiger Weise in Erscheinung. Er wird rechts (ostseitig) auf einem schmalem Schuttschartl zwischen ihm und einem kleinen Türmchen umgangen.
Am Grat der nächste Steinmann. Dort wo man ihn kaum braucht, weil die Aufstiegsrichtung alles andere als unklar ist. Leider wird das Setzen der Marken heute nicht so betrieben wie einst die Konvention vorsah – Meilensteine werden markiert, nicht aber die viel wichtigeren Richtungsweisungen mit dem obersten Stein.
In diesem Fall war jedoch war die Steigrichtung durch den Grat klar vorgegeben und an diesem Punkt bedarf die Orientierung keiner Hilfe.
Durch das Schartl zwischen dem Gratturm und dem stark verwitterten Zahn mit ein wenig Höhenverlust jenseits gelangt man auf die steile, jedoch leicht begehbare Ostflanke des Grates, die unter Einsatz der Hände leicht bis zu den obersten gelblichen Grattürmen, um dort die Seite nach Westen zu wechseln. Der Aufstieg dorthin ist von großer Brüchigkeit geprägt.
Unterhalb einer Art Höhle in Material starker Verwitterung wird der Grat gequert, wobei zur lehmigen Schuttzunge abgestiegen und jenseits über ein paar Blöcke auf die nächste erdige Zunge aufgestiegen wird.
Gleich tritt dort die weitere Route ins Blickfeld – links um den hohen Grataufschwung herum auf einen nächsten Turm zu.
Hinter diesem, die brüchige Westflanke hinauf, wird die Grathöhe wieder erreicht, auf der ein paar Minuten in wieder recht festem Fels aufgestiegen wird und dabei eine fast senkrechte Partie (die möglicherweise unten umgangen werden könnte, der Verfasser hat es nicht versucht) in gutgriffigem festen Fels gemeistert werden muß, von der man oben den vermeintlich weiteren Weg über eine sehr steile Verschneidung zu sehen glaubt.
Ein leicht zu begehendes Gratstück leitet über eine breite Scharte zur verwegenen Verschneidung, die nur auf der Oberkante einer Schuppe erreicht werden kann.
Spätestens auf der Schuppe, mit Blick in die verwegene Verschneidung müßte klar sein, daß diese Variante den Grat weiter zu verfolgen die falsche ist. Nicht so der Verfasser, der glaubte sich durch die Verschneidung nach oben zwängen zu können und dabei einen seriösen Moment erlebte, als der Griff – eine abgeschliffene knollig griffige Warze am sonst eher glatten Fels zur Rechten – plötzlich an einem nicht sichtbaren Haarriss abscherte und der fehlende Halt, verstärkt mit ein paar Kilo Gestein vor der Brust, fast den Absturz über die Felsschuppe bedeutet hätte.
Diese Begebenheit ließ das logische Denken wieder erwachen und angesichts des Anblicks auf die verwegene Verschneidung musste innerlich der Kopf geschüttelt werden, wie man sich doch in eine Idee verrennen kann, die augenscheinlich nicht mit den Schwierigkeitsbeschreibungen des AV-Führers übereinstimmen kann. Wie aber geht es weiter?
Nachdem die Mauer den direkten Weg verstellt und die Verschneidung zur rechts darüber befindlichen begrünten Fläche, von der aus ein Aufstieg in Gratnähe möglich erschien, ohne Sicherung nicht möglich war, mußte der Verfasser wohl oder übel von der breiten Scharte westseitig die Schuttreise absteigen, um hinter die Mauer zu gelangen.
Hier wäre ein Steinmann hilfreich gewesen, fehlte aber und möglicherweise begann der „Fehler“ schon mit dem fast senkrechten Aufstieg am Grat, der vielleicht unten umgangen hätte werden können.
Als Ergebnis eines schätzungsweise 30 Hm tiefen Abstiegs zum Ende der Felsmauer erblickt der Bezwinger der Hochkarspitze einen mittelbreiten Riss, der sofort als eine Wiederaufstiegsmöglichkeit wahrgenommen wird, um weiterem Höhenverlust zu entkommen. Dieser Riss führt um die Rippe herum auch wieder zurück in leicht begehbares begrüntes Schrofengelände und hinauf zur Grathöhe.
Im Verlauf zum Gipfel muß die Grathöhe jedoch wieder verlassen werden, um eine weitere breite Rippe zu queren und über dieses Gelände leitet einzig die individuelle Intuition, wobei die Querung nicht überall angenehm ist, weil steil und teilweise brüchig.
Im obersten Teil, recht nahe und teilweise auf der Grathöhe, findet sich wieder fester Fels, speziell um einen letzten Buckel herum auf dem sich der letzte Steinmann vor dem Gipfel der Hochkarspitze befindet.
Am Gipfel selbst wurde der geodätische Gipfelpunkt auf dem nördlichen der beiden plateauartigen Kuppen errichtet, der über eine letzte schärfere, jedoch leicht zu überquerende Scharte auf der Gratschneide erreicht wird.
Für den Aufstieg auf der Westflanke ab dem Riss nach dem kurzen Abstieg rechne man eine gute Viertelstunde bis zur Hochkarspitze. Der gesamte Aufstieg vom Verlassen des Weges im Karwendeltal bis zum Gipfel hat der Verfasser dreidreiviertel Stunden benötigt.
Eine fast völlig verwitterte Holzstange im Plastikrohr, das möglicherweise von einer früheren Vermessung stammt, eingebettet in einer Steinpyramide stellt die karge Zier der Hochkarspitze dar. Die beiden Nägel an der Stange könnten von einem ehemaligen Querbalken stammen, womit sich ein primitives Gipfelkreuz erklären ließe.
Touristisch weit weniger interessant als der westliche benachbarte Hohe Wörner wird sich an der Zier der Hochkarspitze wahrscheinlich auch zukünftig nicht viel tun.
Dennoch kann die Hochkarspitze mit Ihrer Höhe und Aussicht punkten, ist sie doch im westlichen Teil der Nördlichen Karwendelkette bis zum Bäralplsattel die höchste Erhebung, ein paar Meter über den Wörner hinaus und war deshalb möglicherweise für die Triangulierung interessant.
Der Blick gen Osten erscheint mit dem völligen Überblick über das Karwendeltal und darüber hinaus wahrlich phänomenal. Er bietet eine Übersicht über viele der höchsten Gipfel im Ostteil des Karwendels, zwischen Östlicher Karwendelspitze und der Grabenkarspitze auf den Laliderer Falken und im Nordosten auf das Rofangebirge und die 35 km entfernte Guffertspitze.
Der Hochkarspitze gegenüber erhebt sich tiefer unten, mit ansprechender Felsgestalt, die Raffelspitze, die Kollege Jürgen mit Cousine Nelli begangen und als interessante Besteigung ausführlich beschrieben hat. Mächtig und schwierig der Grat von der Raffelspitze auf die Hochkarspitze, ein hehres Ziel in einem anderen Jahr.
Südöstlich gegenüber bietet sich noch ein wunderbarer Blick in das lange Neunerkar, das mit der Großen Seekarspitze eine der schönsten Frühjahrs-Schitouren im Karwendel darstellt und auch den Abstieg der Karwendelreibn bildet.
Nicht minder beeindruckend, aber schwieriger als der Ostgrat von der Hochkarspitze, ist die Ansicht des Westgrates zum Hohen Wörner und den weiteren Gratverlauf auf die Tiefkarspitze.
Abwechslungsreich wird die Tour auf die Hochkarspitze durch die Wahl des leichten Abstiegs in das Großkar, das auch den Aufstieg zum Wörner darstellt.
Zunächst nimmt man dazu die Aufstiegsroute, um den Kopf mit dem letzten Steinmann herum bis zu einer auffallenden, weiter unten mehr und mehr mit Schutt gefüllten Rinne, die direkt an der Grathöhe ansetzt.
Diese führt recht bequem und steil in direkter Linie auf einen breiten Rasenbuckel hinab an dessen rechter Seite wieder in felsiges Gelände geschwenkt wird und der sichtbare Steig aus dem Großkar herauf anvisiert wird.
Die Felsstufe, von der man bei Betrachtung von oben Schwierigkeiten annimmt, stellt keine solche dar, allein der Winkel täuscht hier Kletterei vor.
Nach dieser Passage kann direkt im Schutt ins dolinengeprägte narbengesichtig anmutende Großkar abgefahren werden und zwar je eher desto länger und somit bestmöglich knieschonend.
Im Großkar empfiehlt sich eine Querung von Nordost nach Südwest über das gesamte Kar mit seiner mächtigen Höhenstufe. Der Steig vom Großkar ist im Beitrag über den Hohen Wörner (siehe Link oben) auf diesem Blog detailliert beschrieben und entfällt in diesem Beitrag.
Das Radl wird unten im Tal wieder erreicht und somit schließt sich die Runde, ohne Rückweg wieder tiefer ins Tal hinein.
Zur schnelleren Besteigung des Gipfel könnte man aber auch das Radldepot am Ausgangspunkt weiter im Tal legen, am Jägerunterstand, womit etwa eine gute Viertelstunde bis zum Gipfel gespart werden kann (sollte der Wetterbericht des Sommers frühe Gewitter ankündigen), die aber nach dem Abstieg wieder investiert werden muß.
Die Hochkarspitze vom Hochkar – eine einsame Runde in seltenst begangenem Gebiet im Karwendel erforderte einen Zeitbedarf von 8:15 ab und nach dem Parkplatz in Scharnitz.
Die Radlstrecke findet sich beim o. g. Bericht vom Hohen Wörner beschrieben. Der gesamte Aufstieg beträgt 1.650 m, die Strecke ohne Radl beträgt mit allen Pausen etwa sechseinviertel Stunden.
Mils, 02.10.2021