Der dritte Sonntag des jungen Jahres war ein sonniger Tag, der uns nach nun fast drei Wochen Halltal-Abstinenz reizte das hinterste des selbigen Tales aufzusuchen.
Temperaturen deutlich über dem Taupunkt bis hinauf zu den Herrenhäusern ließen uns eine anstrengende Wanderung mit Bergschuhen erleben. Jeder Schritt ein kleiner Pilgerschritt, einige Zentimeter rückwärts eingesunken bei Belastung des faulen und wenig kompakten Schnees.
Das Halltal Mitte Jänner 2013 erlebten wir in ein einviertel Stunden vom Hackl bis zu den Herrenhäusern und dies ist wahrlich keine erwähnenswerte Leistung, aber unter diesen Bedingungen doch äußerst schweißtreibend.
Die Schneelage ganz drin ist eigentlich sehr akzeptabel, wenn auch für den Hochwinter nicht berauschend. Der Tisch vor Karls Knappenhäusl trägt – abgemessen mit einem Schistock – einen guten Meter Schnee und Tage davor, als es noch entsprechend kalt war, muß der Lockerschnee noch dickere Decken abgegeben haben als sie jetzt von uns zu messen waren.
Dicke Tropfen, periodisch vom schwer beladenen Dach herunter begleiteten uns bis zur Kapelle. Der Pfad dorthin schmal an der Hausmauer entlang, rechts davon hoch aufsteigende, rund geformte Schneebänke bis über die Mauer hinab.
Nach einer kurzen Verweilzeit vor der Altarfigur und dem sie umgebenden Bildnis, die mich nach vielen Besuchen von Karls Kapelle immer noch in die selbe ehrfürchtige Stimmung versetzt als beim allerersten Anblick, wendete ich mich dem aufgelegten Gästebuch zu. Dieses enthält seit der Adventszeit zwar nicht sehr viele, aber auch nicht wenige Einträge und die beachtenswerte Erkenntnis aus den teilweise graphisch schön gestalteten Einträgen ist, daß sie teilweise in auffallend inbrünstiger Weise geschrieben sind. Für mein Seelenleben reine Hochstimmung.
Die Türe der Kapelle sorgfältig mit den einfachen Mitteln – die man heute nicht mehr kennt – verschlossen, lockt uns der Gedanke an ein natürlich gekühltes Bier, das in weiser Voraussicht vom Hausherrn, mit seinen bergsteigerisch-kameradschaftlich getriebenen Gedanken, im Spätherbst für den gleichgesinnten Bergkameraden deponiert wurde.
Wir staunten nicht schlecht, als wir den Vorraum betraten und die schmiedeeiserne Stahltruhe klaffend offen und mit dem Hohn des Diebes, eine kleine Anzahl an kupferfarbenen Münzen der neuen Währung darin, als sichtbaren, jämmerlichen Inhalt antrafen.
Da hat es doch tatsächlich jemand nötig gehabt das Vorhängeschloss gewaltsam zu entfernen und fremdes Geld an sich zu nehmen. Wir schätzten in unserer Entrüstung über diese sinnlose, billige Tat, daß es vielleicht lächerliche 60, möglicherweise 70 Euro sein konnten, die der abartige Mensch rauben konnte. Mehr konnte es wahrscheinlich gar nicht gewesen sein, die Restbestände an Getränken ließen diese Vermutung zu.
Siggis oder Karls Spruch, der, möglicherweise in einiger Vorahnung auf die Verruchtheit ihrer Mitmenschen, auf einem weißen Zettel auf dem Boden der Truhe geklebt zu lesen war, wünschte dem Dieb, der nun durch den gewalsamen Einbruch soweit gekommen war, daß er den Inhalt freigelegt hatte, zwei Wochen lang an – ja sogar wörtlich – „Durchfall“ zu leiden als Sühne für diese Tat.
Im ersten Moment dachte ich bei mir, daß diese Strafe für jemanden, der es nötig hat eine solch ungewöhnliche Wanderung zu unternehmen, um sich, vermeintlich unbeobachtet, mit der jämmerlichen Beute, von Menschen mit der guten Gesinnung der Eigentümer, im Schnee davonzustehlen nicht hart genug sei. Für meine Begriffe hätte der Zettel zumindest von einem der Finger, die nach der Beute gegriffen haben, sprechen müssen, der für diese Tat von der Hand abfaulen soll. Vierzehn Tage Durchfall erachtete ich als viel zu milde. Diese Milde spricht wieder für den edlen Charakter der Hausherrn, die noch eine andere Schule, wahrscheinlich eine gottesfürchtige Schule, in sich tragen.
Nun, nach dem wiedererlangten Gefühl sanfter Stimmung inmitten der tollen Kulisse dieser wunderbaren Umgebung, ging es im Laufschritt raus aus dem Tal und fast wie am Vorweihnachtsabend mit dem schon recht prallen Mond hoch oben über dem Talausgang leuchtend. Eine Zweieuromünze verblieb in der Kapelle bei den drei angezündeten Lichtln und eine weitere in der klaffend offenen Schatztruhe.
Wir schreiben den 20.01.2013 um ca. 16:30.