Mit einem äußerst beeindruckenden Osthang über die hohe Steilstufe in die breite Karmulde teilt sich die Schitour auf den Nördlichen Rosslauf den ersten Teil des Aufstiegs mit dem Obernberger Tribulaun. Früh am Tag, bereits kurz nach Sonnenaufgang am Hang, firnt er auf und bietet unter stumpfem Einstrahlwinkel meist einen herrlichen Aufstieg, der ohne Harscheisen möglich ist. Nach der Karmulde und einer weiteren kurzen Steilstufe trennen sich die Anstiege – die Schitour auf den Nördlichen Rosslauf folgt zunächst einer entgegengesetzten Route als jene zum Obernberger Tribulaun und führt über phantastisches Gelände bis zum flachen Gipfel, der durch einen Steinmann markiert wird.
Wer das Gelände von Obernberg über den See in die hinteren Gefilde der Seealm kennt, der weiß um das Kleinod an Landschaft. Der eher flache untere Teil des Anstiegs führt über Almwiesen auf das Plateau des Obernberger Sees und am Ufer desselben an der malerischen Seekapelle zu „Unserer lieben Frau am See“ vorbei.
Im Winter unterschreitet man die hölzerne Rundbogenbrücke und nimmt Richtung Ende des Sees die Uferböschung, die zu Beginn etwas geneigter ist und gegen das Ende hin flach ausläuft.
Am Ende des Obernberger Sees führt der Anstieg wieder und den Wald, vorbei an zwei Privatgebäuden. Die Strecke im Wald ist denkbar kurz und an ihrem Ende beginnt der phantastisch schöne Aufstieg auf das Tribulaunmassiv, und der atemberaubende Blick nach dem dichten Wald erstreckt sich nach dem plötzlichen Ende der Waldstrecke über 800 Hm bis zum Ansatz des großen Kars im Herzen des Bergstockes.
Nach anfänglich eher flacherem Terrain steilt der Aufstieg am Schuttkegel zunehmend auf, bis er, im engeren Teil, weit über 30° hinaus geht. Im Frühjahr liegt der dann durchgehend steile Teil meist schon so lange in der Sonne, daß man bei angenehm griffig angetauter Oberfläche auch die Harscheisen umsonst im Rucksack trägt, es sei denn, man unternimmt ihn sinnlos früh, etwa vor 6:30 ab dem Parkplatz in Obernberg.
Während des schönen und aussichtsreichen Aufstiegs bieten sich wirklich bärige Fotoszenen auf die im Süden prangende Bergwelt des Tuxer-Kammes der Zillertaler und im oberen Teil, nach dem großen Kar in der zweiten Steilstufe sogar bis hinein in den südlichen Landesteil mit den grandiosen Dolomitengruppen.
Im Dolomit befindet man sich im nördlichen Tribulaunmassiv übrigens auch, die Gesteine der sich auftürmenden Felsen links und rechts des Aufstiegs werden aus Hauptdolomit, Kalk- und Dolomitmarmor gebildet und sind in der Bezeichnung metamorpher Kalkkomplex zusammengefasst.
Nach der zweiten, kleinen Steilstufe über das große Kar, das Kachelstube genannt wird, und seiner Westflanke unter den massiven Felsbau trennen sich die Routen. Zum Obernberger Tribulaun steigt man rechts, (nördlich) weiter, zum Nördlichen Rosslauf quert man einen Steilhang nach links, in südliche Richtung.
Die Querung ist nicht von langer Dauer, jedoch erfolgt sie etwas abschüssig in steilem Gelände und deshalb, im Steigmodus mit Fellen, etwas unangenehm. Dies vor allem dann, wenn kurz vorher wenig Neuschnee auf eine schon kompakt umgewandelte Schneedecke gefallen ist und dieser mit den Schrittbewegungen leicht abrutscht.
Bald hat man aber den tieferen Felssporn unterquert und befindet sich wieder im Steiggelände in einem weiteren schön geformten Kar, das gegen eine hohe Felswand neben einer kühnen Abfahrtsrinne am Talende hin durchstiegen wird. Im Rückblick tut sich mitten im Kar ein einzigartiger Blick gen Süden auf.
Die Karmulde zieht sich und zieht sich mit steiler werdendem Gelände und im Verein mit der dauernden Sonnenbestrahlung kann es leicht passieren, daß man, so wie der Verfasser dieses Berichtes, regelrecht „eingeht“. Die Kombination von den Anstrengungen des Anstiegs und der im Frühling noch ungewohnten Intensität der Sonne veranlaßten uns zur erweiterten Rast.
Die letzte Etappe besteht nochmals aus einem steileren Teil, der bis an den Wandfuß des Querriegels am Talende heranführt und auf eine letzte Stufe vor dem Grat führt.
durch ein mittelbreites kurzes Couloir führt der Anstieg dann steil auf den Gratrücken, der zum Gipfelaufbau leitet.
Der Nördliche Rosslauf verfügt auch über einen rassigen Gipfelaufbau, bei dem man die Schi am besten am Rucksack trägt.
Die Flanke eignet sich aufgrund der Steilheit nicht unter Schi begangen zu werden und somit empfiehlt sich rechtzeitiges Ablegen der Schi und am Rucksack verstauen, oder ein Schidepot anzulegen, weil die Abfahrt – zumindest in unserem Fall – nicht besonders erstrebenswert erschien.
Eine kurze Steilstufe mit beträchtlicher Hangneigung führt auf eine kurze Flachstelle von der ein letzter kurzer Gratabschnitt auf das leicht gerundete langgezogene Gipfelplateau führt. All diese Abschnitte innerhalb eines Aufstiegs von etwa 70 Hm.
Der Gipfel des Nördlichen Rosslaufs ist kein spektakulärer. Das schlichte Steinmandl zeugt von der Würdigung als eigenständiger Gipfel, ziert den Nördlichen Rosslauf jedoch kaum. Der Obernberger Tribulaun hat ihm im Gebirgsstock den Rang abgelaufen, da er vom Obernbergtal aus deutlich sichtbarer ist, obwohl er aufgrund des dolomitischen Baues ebenfalls keinen spektakulär spitzen Gipfel bildet sondern, der streng liegend gerichteten Schichtung des Dolomits folgend, ein Plateau ausbildet.
Wenig beeindruckendes Terrain am Gipfel, aber viel Platz und die obligate Marmorfließe der Grenzziehung, die vor hundert Jahren zwischen dem südlichen und dem nördlichen Landesteil geduldet wurde, fällt nahe der Abbruchkante der Südflanke ins Pflerschertal auf.
Der Ausblick gegen den Süden und Westen könnte imposanter nicht sein, der von den Dolomitengruppen, über die Brentagruppe im Trentino, dem nahegelegenen schönen Schitourenberg der Hohen Kreuzspitze und der unmittelbar gegenüberliegenden netten Schitour auf die Ellesspitze reicht, und unmittelbar gegenüber die beiden Tribulaune in ihrer Größe eindrucksvoll präsentiert.
Im Westen erscheint der lediglich gut 2 km entfernte Pflerscher Tribulaun in seinem gesamten Aufbau mit der beeindruckenden hauptdolomitischen Spitze auf ebenfalls dolomitischem, aber älterem Mittelsockel, und der völlig konträren Basis von Ötztal-Stubai Kristallin.
Etwas nördlicher der Gschnitzer Tribulaun, dessen Aufstiegsflanke ab der Schneetalscharte vom Nördlichen Rosslauf aus zur Gänze einsehbar ist.
Noch nördlicher als der Gschnitzer Tribulaun türmt sich der mächtige Habicht auf und dessen oberer Teil des Südanstiegs, vom Gschnitztal aus, kann ebenfalls gut eingesehen werden.
Den Abschluß der phantastischen Schau über die Bergketten mit derselben tektonischen Vorgeschichte wie der Nördliche Rosslauf bildet der Serleskamm im Norden von der Kirchdachspitze über die Kesselspitze bis hinaus zur Serles.
Im Südosten prangen die Gipfel des Tuxer Hauptkamms in größerer Entfernung. Zwischen Ihnen und den Sarntaler Alpen gibt der Einschnitt des Südtiroler Wipptales den ungehinderten Blick auf die Dolomitengruppen frei, womit sich die bärige Rundschau schließt.
Die sehr steile Abfahrt über den Gipfelaufbau erwies sich bei unserer Begehung gut fahrbar, jedoch windgepresst ruppig, ganz im Gegensatz zu den flacheren Flächen unterhalb die sich durch den Strahlungswinkel aufgefirnt angenehm befahren ließen.
Die steile Rinne gleich nach dem Gipfelaufbau rechts haben wir nicht befahren, außen um den letzten felsigen Querriegel herum fanden wir einen bärigen Ausgleich.
Wenige Abfahrtsspuren säumten unsere Abfahrt durch die obere Karmulde hinaus, außer uns hat kaum eine Handvoll anderer den Nördlichen Rosslauf bestiegen.
Am Ende an dem sie sich weitet und in einen offenen steilen Hang übergeht fährt man direkt zur unteren Steilstufe hinab und kürzt damit die flachere Kurve des Aufstiegs ab.
Über den langen und steilen Hang hinab erlebten wir zur Mittagsstunde schon wesentlich weichere Firnoberflächen, die für eine Abfahrt eine gute Stunde vorher perfekt vorbereitet gewesen wären.
Weiter unten, im langen Steilgelände besserte sich Firnqualität und Schmelztiefe wieder ein bisschen und insgesamt betrachtet freuten wir uns über die feinen Verhältnisse auf den beeindruckend langen Hängen mit der sehr gleichförmigen Neigung.
Etwa 15 Hm Abstieg machen die Flachpassage nach dem Wald und über Erstreckung des Obernberger Sees bis zum verfallenen Gasthaus recht erträglich.
Die Schiebestrecke war auch mit weicher Oberfläche am Ufer nicht allzu kraftraubend und über die Oberreinsalm konnten wir bis zur Brücke abfahren.
Über 1.460m erstreckt sich der Aufstieg vom Parkplatz auf den Nördlichen Rosslauf. Die Streckenlänge beträgt 6,2 km und weil die ungewohnte Frühjahreshitze dem Verfasser gar so in den Körper fuhr haben wir mit mehr Pausen als gewöhnlich insgesamt 6 Stunden benötigt.
Mils, 24.04.2021