In der ausklingenden Vomperkette, über die Gipfel der Fiechterspitze – Mittagspitze – Schneekopf und auf den Spuren des Tiroler Geologen Otto Ampferers, eines großen Sohnes dieses Landes, durfte ich einen unwiederbringlich schönen Herbsttag erleben.
Knapp vor acht startete ich von der Karwendelrast mit gewaltigem Ausblick.
Eifrig angetrieben von den tags zuvor studierten Erkenntnissen des virtuosen Geologen und Bergsteigers aus Hötting, Otto Ampferer (1875 – 1947) versuchte ich den kurzen Tag einerseits „eigenwissenschaftlich“ und auch andererseits als Training für mich zu nutzen, innerlich getrieben von einer der verbreitetesten Krankheit unserer Tage, des vermeintlichen Zeitmangels.
Wem meine nun folgenden geologischen Exkurse zu langweilig sind, der setze die Tourenbeschreibung weiter unten bei dem Link mit der Beschreibung des kletterbaren Aufstieges zur Fiechterspitze fort.
Schon früher fiel mir die eigenartig anmutende Topografie des Vomperjoches und des Kammes am weiteren Anstieg zur Fiechterspitze auf.
Nun entdeckte ich in den Tiefen der Nacht am Computer, ständig auf der Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Karwendel, daß just dieser Kamm ein visuelles Zeugnis der Urgeschichte darstellt, und daß mein bereits früher verspürtes inneres Gefühl der sonderbaren Ausprägung der Topografie, speziell rund um den Hirschkopf, bereits vor rund hundert Jahren ein wissenschaftlich begnadeter Landsmann schon damals in außerordentlicher Exaktheit und Tiefe erkannt und beschrieben hat.
Mag sein, daß man als Nichtgeologe die Tragweite des Terrains nicht erkennen muß, aber erklären kann man es sich als interessierter Naturbeobachter auch so gut wie nicht und bleibt verhaftet in seiner abgestumpften Naturbeobachtungswelt.
Dabei wäre es so einfach, wenn man die Zeichen beachten würde. Gesteinsformen die sich im Laufe von weniger als 200m am Kamm grundlegend ändern, topografische Änderungen, Gestalt, Steilheit, Zerlegungsgrad, Farbe udgl. wären alles Eindrücke die man begreifend erfassen könnte, auch ohne geologische Vorkenntnis.
Eine Skizze des Großmeisters der Geologie des Karwendels, Otto Ampferer über den Schnitt durch das Vomper Joch (Fig. 28) mit der Erklärung über die vorherrschenden Gesteinsarten eröffnet schon ein erstes Aha-Erlebnis, warum die Gegend so inhomogen bzw. unzusammenpassend abwechselnd anmutet:
Die einzelnen Gesteinsarten kann man am Weg zum Hirschkopf und weiter zum steil aufragenden – und aus massivem Wettersteinkalk bestehenden – Gipfelaufbau der Fiechterspitze gut erkennen und auch unterscheiden und, wenn man mit einiger Phantasie zur Tat schreitet, dann kann man sich als Laie zumindest ansatzweise die „große Karwendelüberschiebung“ bei der Betrachtung der Berge um das Stanser Joch vorstellen.
Man vergleiche Fig. 28a. mit der Ansicht in der Natur:
Deutlich sind die verschiedenen Gesteinsarten in Ampferers Skizze zu erkennen, die wahrscheinlich von einem leicht südwestlicheren Standort aus (vom Hirschkopf) entstanden ist, als mein Foto.
Hier die Skizze der Überschiebung der Inntaldecke über die Lechtaldecke. Otto Ampferer beschreibt die visuellen Eindrücke in der damals – vor allem bei Wissenschaftlern – üblichen, ausdrucksstarken Art: „Vom Inntal aus macht das Stanserjoch mit seinem langen, einförmigen Rücken einen recht langweiligen Eindruck und man hat keine Ahnung von der kraftvollen und eigenartigen Berggliederung an seiner Nordseite.“
Die Nordseite des Stanser Joches sieht man hier:
Man kann eine Art Hochtal inmitten starr aufragender, massiver Einzelgipfel erkennen. Deutlich unterschiedlich als im angrenzenden Teil des Karwendels.
Am weiteren Weg zur Fiechterspitze beobachtet man ebenfalls einige verschiedene Formationen und Gesteinsarten, bis man dann vor dem mächtigen Turm aus Wettersteinkalk bestehend, der Fiechterspitze steht.
Sehr gut kann man hier den Unterschied des Wettersteinkalkes zu den Partnach-Schichten erkennen:
Eine Beschreibung des Aufstieges zum Gipfel kann man hier finden: Aufstieg Fiechterspitze
Einige neue Fotos sind in der Galerie.
Der weitere Verlauf der Überschreitung zur Mittagspitze und weiter zum Schneekopf ist wie folgt:
Am Ostteil der Fiechterspitze zieht sich eine breite Rinne hinunter, die man zuerst einige Minuten absteigt, bevor dann eine leichte Querung nach rechts nötig ist, ehe man weiter nach unten steigt. Die Route ist recht gut markiert, jedoch muß man die teils vergilbten Markierungen suchen. Der Abstieg ist – wie die meisten im weiteren Verlauf recht steil, jedoch nicht schwer. Wer den Aufstieg geschafft hat der hat im weiteren Verlauf der Überschreitung keine Schwierigkeiten.
(Ab dieser Scharte kann man auch die Fiechterspitze „umrunden“, denn man kommt dort auch wieder hinunter zum Hirschkopf. Ich bin den Steig zwar nicht gegangen, der Kollege, der mit mir am Gipfel der Fiechterspitze war hat diese Route zurück zum Hirschkopf aber gewählt; deutlich konnte ich ihn von der Mittagsspitze aus erkennen. Es ist also möglich die gesamte Überschreitung von Schneekopf zur Fiechterspitze von West nach Ost zu unternehmen, incl. Fiechterspitze über den westseitigen Aufstieg, aber ohne der – vielleicht für viele zu schweren – Kletterstelle am Ostrücken der Fiechterspitze. In der Bildergalerie befindet sich ein Kartenausschnitt mit der von mir vermuteten Abstiegsroute grün markiert.
Der Karwendelführer (Klier) beschreibt die Route im Aufstieg: „…bis in den sog. Schneetalgraben. In diesem gerade empor zu den Felswänden auf die schluchtartige Rinne zu, die von der Mittagsscharte herabzieht, Durch diese auf die Scharte, die durch einen kleinen Felszacken gekennzeichnet ist…“)
Unten kommt man zur Trennung der beiden Gipfel und auch diese ist dem aufmerksamen Beobachter eine geologische Auffälligkeit. Nach Norden zum Grat bildet ein hoch aufragender Felszacken – einem scharfen Schiffsbug gleich – und nach Süden ein sanfter Ausläufer des Trennungsgrates eine quer zur Richtung der Bergkette gerichtete Trennung. Möglicherweise ist dies jener, den Klier in der o. g. Aufstiegsroute meint.
Auf der anderen Seite geht es unschwierig zum Gipfel. Dieser ist schön geformt mit mehreren kurzen und längeren Graten, die zu beiden Seiten der Hauptgratrichtung steil abfallen.
Tief unten im Stallental die ab Oktober für Monate gänzlich unbeleuchtete Stallenalm.
Das Gipfelbuch aus 2003 ist ein recht kleines, auch nicht sehr dick und trotzdem ist es nicht annähernd voll. Wo seid ihr Vomper und Schwazer Bergsteiger, das nette Gipfelchen hat es nicht verdient, kaum begangen zu werden!
Überhaupt ist die gesamte Überschreitung – um das vorwegzunehmen – eine sehr lohnende und leichte Tour, für jemand der sich im Gratklettern üben will eine tolle Runde.
Die Mittagsspitze wird westlich über einen, von der Fiechterspitze aus, nicht sichtbaren leichten Grat führt, der schlußendlich am Tiefpunkt zwischen ihr und dem Schneekopf ankommt. Markierungen sind vorhanden, jedoch vergilbt und manchmal spärlich an der Zahl, man muß die Augen kreisen lassen.
Ein Blick zur Halltalkette bietet einen perfekten Eindruck von der wilden Nordseite der Giganten dort, Wandhöhen bis zu 800m sind Standard.
Der Bockkarlturm ist jener pyramidenartig geformte Spitz nördlich des Grates zur Trattenspitze (im Bild von links unten aufsteigend), der im Foto schön sonnenbeleuchtet und oben abgeflacht ist. Von ihm schreibt Ampferer: „An der Südseite des Vomperloches beginnt der Wettersteinkalk seine Herrschaft erst westlich vom Sattel des Walderjoches. Hier schwingt er sich ruckartig zum hohen Bettelwurf empor. An diesem gewaltigen Gewölbe sind sowohl gegen das Inntal und Halltal als auch gegen das Vomperloch
tiefgreifende Zerreißungen zu sehen. Eine besonders verwegene Abspaltung bildet hier den
kühnen Bockkarlturm.“
Im Tiefpunkt der Route zum Schneekopf sollte man dann aufsteigen zur Gratschneide (die dort nicht so ganz eine Schneide ist) und kann dann nördlich bequem in die folgende kleine Einschartung absteigen.
Ich habe des – von Osten kommend – nicht richtig gesehen bzw. falsch eingeschätzt und bin ca. 15m zu einer kleinen Scharte in der hinabziehenden Rippe ab- und jenseits wieder aufgestiegen. Kein Beinbruch, aber oben wär’s viel schöner gewesen.
Damit hat man den wilden Grat, bei dem man sich oft weit unterhalb desselben befindet, eigentlich schon hinter sich gelassen und kann nun direkt am Grat dem Schneekopf zustreben. Die Abbrüche im Norden sind vom Grat aus zuerst flach genug, daß man ihn als zu anregend empfindet und südlich ausweichen möchte. Ein schöner letzter Aufstieg zum Gipfel des Schneekopfes liegt nun vor dem Glücklichen, der den Tag genutzt hat und diese Tour gewählt hat.
Ein kleines fundamentloses Holzkreuz im Steinhaufen ziert das Gipfelchen und im August dieses Jahres wurde neues Gipfelbuch aufgelegt. Der Blick zurück läßt eine Tour erahnen die wesentlich leichter ist, als man dabei annehmen möchte.
Der weitere Grat, die Niedernissltürme, sind dem versierten Kletterer vorbehalten und in Vorbereitung dieses Projektes habe ich einige Meter des Grates zur Erkundung genommen. Leider war schnell Schluß, da ein Steilabbruch zu einem kleinen Turm, der die weitere Sicht versperrte, ohne Sicherung im Alleingang für mich nicht Frage kommt. Das Projekt wird irgendwann, möglicherweise im nächsten Jahr weiter vertieft.
Der Abstieg vom Schneekopf folgt auf abwechselnd Wiesenflecken und Fels über eine lange Strecke der Abbruchkante zu einer Schlucht, die sich im Westen des Gipfels ins Bärental hinunterzieht.
Der gesamte Abstieg erfolgt eigentlich auf dem Südausläufer des Grates, der sich 400Hm tiefer zum Bärenkopf ausbildet. Dort hat man dann die Wahl westlich in das Bärental und weiter zur Tawald Jagdhütte, oder östlich davon über das Schneetal zu einer anderen Jagdhütte abzusteigen.
Meine Entscheidung fiel zugunsten des östlichen Abstieges, da ich diesen Steig noch nicht kannte und es muß festgestellt werden, daß dieser Steig sehr malerisch und durchaus steil durch wilde, felsdurchsetzte Zunternbestände führt, die es verdienen begangen zu werden. Einige Stellen bedürfen der Pflege und sollten ausgeschnitten werden, aber in Summe ist der Steig sehr reizvoll.
Leider habe ich die AV-Karte vorher nicht genügend studiert und war deshalb der Möglichkeit, ab der Jagdhütte, viel direkter abzusteigen nicht gewahr. Dieser Steig sollte unterhalb der Jagdhütte zum „Siberer Schlag“ führen und somit eine wesentliche Abkürzung darstellen. Neben dem wilden Schneetal verlaufend müßte es ein landschaftlich sehr schöner sein und wer darüber berichten kann ist gerne eingeladen davon mit einem Kommentar zu berichten.
Bei der Karwendelrast angekommen und das Log beendet stellte ich fest, daß der Aufstieg 1.615Hm betrug. Hinzu kommt eine Korrektur von 40Hm die ich am ersten Gipfel, der Fiechterspitze, feststellte.
Die Gehzeit betrug 6:48h, wobei hiervon eine gute halbe Stunde für die Erkundungen geologischer Beschreibungen und der Niedernissltürme mit Fernglas und AV-Führer abgezogen werden muß, die für die reine Überschreitung nicht notwendig sind.
In der Einstiegstelle der Fiechterspitze hängt nun seit neuestem ein Seil (in meinem o. g. Bericht nicht beschrieben), das bereits ein arges Gummiband ist, dem Ängstlichen jedoch einerseits ein Wegweiser, andererseits eine psychologische Hilfe sein kann.
Mils, 18.10.2014