Eine versteckte Schönheit könnte man die Schitour auf den Pangert mit treffenden Worten beschreiben. Und abgelegen, trotz der Nähe des Schigebietes Mayrhofen, das ist sie mit Sicherheit genau so wie sie auch landschaftlich einen ganz eigenen, nicht alltäglich zu erlebenden Reiz ausstrahlt. Man sei hinsichtlich ihrer Begehung jedoch entschlossen sie rechtzeitig im Spätwinter zu absolvieren, denn die Schneeauflage im Südost gerichteten Aufstieg zum Hochleger der Sandegg Alm schwindet gerne früh im Jahr.
Mit einem Jahr Verspätung schafften wir es im schneearmen Winter 2022/23 gerade noch rechtzeitig die schöne Schitour zu absolvieren. Den Aufstieg zum Hochleger der Sandeggalm erlebten wir auf seiner rechten Seite schon teilweise fleckig aper im unteren Teil, sodaß wir auf die Schattenseite, die vom Waldrücken über den sich die Möslbahn hinaufzieht gebildet wird, wechselten und dort bessere Schneeverhältnisse vorfanden. Das im Aufstieg zum Hochleger teilweise recht steile Gelände ist mit Sträuchern gespickt, sodaß sich eine vorausschauende Spurwahl als vorteilhaft empfahl.
Weiter oben wechselten wir hinüber zu den Holzgebäuden des Hochlegers. Der direkte Aufstieg auf den Gratkamm vor dem Tal zum Pangert wäre auch möglich, jedoch bietet der Abstecher über die Alm phantastische Ausblicke auf dem schönen Gratkamm, der sich bis hinab ins Hochtal des Hochschwendbergs zieht.
Der schönste Blick bei der Ankunft am Gratrücken ist wohl jener in Richtung des weiteren Routenverlaufs auf den Pangert. Einem schmalen Gletschertal gleich, dennoch dadurch nicht entstanden, zieht die Talfurche nach oben mit beeindruckender, direkter Sicht auf den Gipfel des Pangert an dessen Ende.
Das Aufstiegsgelände vom Tal bis über den Sandegg Hochleger ist als Bergsturzgebiet geprägt und bereits unten am Sandeggalm Niederleger durch große Felsblöcke im Hang erkennbar. Durch ihn, den Sandeggalm Niederleger schlängelt sich der Aufstieg durch den Hang empor.
Im Aufstieg mußten wir uns selbst im beginnenden März des schneearmen Jahres 2023 im linken Teil des Hanges – dem durch das Gelände eher sonnengeschützten Teil – halten und dort in kurzen Serpentinenstrecken emporarbeiten.
Weiter oben, unter bereits besserer Schneelage, beschlossen wir am Sommerweg entlang zum Sandegg Hochleger hinüber zu wechseln. Verlockend sonnig erschien der Aufstieg auf den Rücken oberhalb der Alm. Alternativ könnte man in direkter Linie weiter ansteigen, allerdings steil.
Diese Entscheidung war landschaftlich betrachtet auch die richtige. Oberhalb der Almgebäude stiegen wir zwar in firngeprägtem Altschnee weiter, die Landschaft gegen die Kammhöhe und weiter auf dessen Rücken ist jedoch malerisch und den Umweg allemal wert.
Am Kammrücken bietet sich von einem Jägermarterl aus ein schöner Ausblick auf die Talgegenseite mit Sidanalm und Rastkogelhütte. Zwischen den letzten Zirben schlängelt sich der Aufstieg über die Kammhöhe entlang bis unter die steileren Felsen des oberen Teils des Kammrückens, der dort bereits eine gratartige Ausprägung besitzt.
Eigenartigerweise befindet sich die namensgebende Bergspitze der Sandeggalm ein Tal weiter westlich, das Sandegg, mit schroffer Ausbildung seiner in das trennende Tal abfallenden Hänge. Von Sand kann bei der diesseitigen Betrachtung des Sandeggs keine Rede sein, besteht er doch aus dem generellen Baumaterial der Tuxer und unserer unmittelbaren Umgebung, aus Phylliten und thront dort steil auf der Gegenseite des Talübergangs als dessen höchste Erhebung.
Ein für die Tuxer Alpen ungewöhnlich langes, schroffes Tal zieht nun hinter dem Übergang vom Rücken, der in selbiges leitet, zum Gipfel des Pangert hinauf. Vom Übergang aus kann der Pangert mit einem Höhenunterschied von gut 500 Hm bereits in beeindruckender Weise eingesehen werden. Ebenfalls wird ein Großteil des Aufstiegs bis zur Steilstufe sichtbar.
Dem steilen Hang, durch den sich der Übergang zieht, kann, wenn man ihn bei zweifelhafter Lawinensituation nicht anschneiden möchte, ausgewichen werden indem weiter unten, an einem Felsköpfchen anstelle links über den Buckel aufzusteigen, rechts ins Tal zu wechseln. Der steile Hang wird somit im Tal umgangen. Die Spuren treffen sich nach etwa 15 min des Aufstiegs im Tal wieder.
In unserem Fall erreichten wir das einsam schöne Tal mit einigen hausgroßen Felsbrocken als Kontrast in der Schneedecke relativ unverspurt. Die Aufstiegsspur geleitete uns bergwärts, jedoch waren keine Abfahrtsspuren in den schönen Hängen zu sehen. Die Gruppe vor uns hat sich sehr am sehr steilen südseitigen Hang orientiert, um zum Übergang zu gelangen.
Das wäre nicht notwendig gewesen, denn die schönen Hänge kann man bis unten hin befahren, bevor man mit etwas Schwung bei der Abfahrt den Übergang wieder erreicht. Über diese Situation freuten wir uns natürlich, weil außer uns niemand aufstieg.
Über die schöne Landschaft hinweg stiegen wir mit einigen Serpentinen fast bei Windstille bis zur Steilstufe auf. Dort änderte sich die Situation drastisch. Eingetaucht in den Schatten der südöstlichen Talbegrenzung und mitten in der Düsenwirkung der engen Steilstufe kämpften wir gegen talwärts gerichteten thermischen Wind und jede Menge Triebschnee, der die Spur völlig bedeckte und die Sichtbarkeit derselben auslöschte.
Diese Passage mag bei mehr als mäßiger Lawinenwarnstufe ein Kriterium sein die Tour nicht zu unternehmen. Die Hangneigung erreicht dort auf einer kurzen, aber engen Strecke, signifikant mehr als 35°. Die Enge der Steilstelle im oberen Teil umfasst im Falle eines Abgangs ein großes Einzugsgebiet von Südost, die Hanglage ist nordwestexponiert und die Topografie begünstigt durch ihre Düsenform die Ansammlung von Triebschnee.
Das Trogtal an sich, vor allem im letzten Teil vor dem Sattel, besitzt durch seine Form und Flankenneigung Potential an Lawinenabgängen von Nordwest bei sehr eingeschränkter Fluchtmöglichkeit.
Wer jedoch Vorsicht walten läßt und bei einwandfreien Bedingungen mit schönem Wetter aufsteigt, findet im oberen Teil eine spektakuläre Kulisse für eindrucksvolle Bilder vor. Im Aufstieg durch den Trog besticht die Aussicht auf das in der Sonne glänzende Gipfelkreuz des Pangerts.
Am Sattel angekommen eröffnet sich die Sicht auf die hohen Gipfel im Tuxer und Zillertaler Hauptkamm ebenso, wie auf das Schigebiet am Hoarberg. Fast eben könnte man auf der Hochfläche und dem folgenden sanften Grat zum Schafskopf und weiter zur Hoarbergbahn gelangen.
Die letzten 50 Hm zum Pangert Kreuzgipfel erfolgen mit einigen engen Spitzkehren über den Steilhang auf den Gipfelfelsen. Wenn er auch nicht der Pangert selbst ist und sein Gipfelkreuz dies verhüllt, so ist er doch das Ziel. Der Pangert selbst, eine unscheinbare felsige Kuppe, liegt 80 m nordwestlich des Kreuzgipfels und ist um 5 m höher als der Kreuzgipfel, der für den Bergsteiger sinnvoller als Gipfelpunkt anzunehmen ist.
Vom Gipfel besticht der Überblick über die Zillertaler Dreitausender und das beeindruckende Massiv des Rastkogels. Des Rastkogels Südostgrat bildet den Standpunkt des Gipfelkreuzes und die ins Tal nach Mayrhofen und ins Tuxertal abfallenden Teilgrate.
Gegen den Uhrzeiger, beginnend in Hochfügen im Nordosten, finden sich viele schöne Schitourenziele. Mit Marchkopf, Kraxentrager, Kuhmöser, Kellerjoch, Sonntagsköpfl, Gilfert und der Traumtour von Hochfügen auf den Roßkopf, wobei dieser nur vom geodätischen Pangert Gipfel aus sichtbar ist. Den Abschluß im Nordwesten bildet der Rastkogel.
Vom Westen bis Südosten fallen ins Auge, der Kleine Kaserer am Nordgrat des Olperer, der Hoher Riffler mit seiner runden Gipfelkuppe, der Große Möseler, die Hornspitzen, die Zsigmondyspitze, der Schwarzenstein, der Große Löffler, in nächster Nähe im Tal gegenüber die Ahornspitze, der Rauchkofel, die Dreiherrenspitze und die Reichenspitzgruppe.
Der Blick reicht im Südosten weiter zum Großvenediger und zum Großglockner, letzterer in 71 km Entfernung.
Die Abfahrt wählten wir entlang der Aufstiegsstrecke. Es gibt anscheinend noch die Möglichkeit ein Tal weiter südlich abzufahren, wie Spuren es verrieten, die weiter unten wieder zum Vorschein kamen. Allerdings kannten wir das Gelände zu wenig, um diese Möglichkeit zu erkunden.
Über den Steilhang ruppig hinab fuhren wir in das Trogtal ein, in dem die Schneeverhältnisse durch den Triebschnee weicher waren. Bis zum Beginn der Steilstufe wechselte die Schneedecke mit windgepressten Partien ab.
In der Steilstufe herrschten großteils weiche Verhältnisse und im Steilen löste Treibschnee kleine Rutscher aus, die uns die zu befahrende Maximalneigung vorgaben. Trotz leicht inhomogener Schneedecke im schattigen Teil der Abfahrt ließ sich eine angenehme Abfahrtslinie finden.
Unten im sonnenbeschienen Teil, der auch schon in den flacheren Hangteil überging, durften wir uns auf die unbefahrenen Passagen freuen. Während die Spuren der früheren Befahrungen alle im steilen Hang rechts der schönen Flächen verliefen hatten wir das gesamte Gelände zur Erstbefahrung zur Verfügung.
Unten nach der Querung auf die Rippe zur Sandeggalm entschieden wir uns nicht über den Aufstieg bis zur Alm zu fahren, sondern auf der rechten (südöstlichen) Seite zu bleiben, um dort den noch vorhandenen Pulverschnee zu nutzen.
Im weiteren Verlauf der Abfahrt erreichten wir recht bald verkrustete Parteien, denen mühevoll im Schatten durch die südlich gelegene Felsrippe ausgewichen werden konnte. Dichtes Strauchwerk behinderte die Abfahrt im Weichen jedoch massiv, sodaß wir beschlossen auf die sonnige Nordseite des Hanges auszuweichen.
Dort war zwar Firn aufzufinden, dieser jedoch mit dem bereits niedrigen Sonneneinfallswinkel schon im Erhärten begriffen. Weiters mußten wir eine rechte Slalomfahrt um die bereits zahlreichen aperen Stellen fahren, wodurch sich die Abfahrt schweißtreibend gestaltete. Frühjahrserlebnisse eben.
Für die landschaftlich überraschend schöne Schitour müssen 1.215 Hm bezwungen werden. Die Hangexposition bis zum Hochleger der Sandeggalm erfordert frühe Begehung im Jahr, besonders in schneearmen Wintern. Anfang bis Mitte März dürfte ein Idealzeitpunkt sein, um sich im Tal hinter der Sandeggalm schon genügend Licht zu erfreuen.
Wir haben für die 4,8 km lange Strecke 5:10 Stunden benötigt, incl. aller Pausen und dem Wechsel im Aufstieg auf die Schattenseite.
Der Gasthof Mösl ist momentan aufgelassen und wir parkten dort am Seitenstreifen zur Hoteleinfahrt. Oben auf der Kuppe gegenüber dem Almhof Roswitha befindet sich ein kleiner öffentl. Parkplatz. Der Almhof Roswitha empfiehlt sich darüber hinaus zur Einkehr nach der Tour – die Moidl bewirtet dort Tourengeher auf Zillertaler Art.
Mils, 05.03.2023