Von Wiesing aus tut sich nach Norden ein schönes Tal auf, dem man bis zum Namensträger des Gebirges, der Rofanspitze, folgen kann und dessen östliche Begrenzung ein schön geformter Kamm bildet, der das Vordere Sonnwendjoch trägt und eine aussichtsreiche, leichte Bergwanderung bietet.
Die Überschreitung des Sonnwendjochkammes haben wir über den Sagzahn, die Rofanspitze sowie am Rückweg über die Haidachstellwand als Runde ausgeführt – ein phantastisches leichtes Bergerlebnis mit nicht zuviel Zeitaufwand und der Möglichkeit – aufgrund des Wetters oder der Kondition – die Runde in mehrfachen Stufen zu verkleinern und bereits früher abzusteigen.
Den Ausgangspunkt bildet der Parkplatz am Ende der Rofansiedlung in Wiesing. Rechts ein gerodetes Waldstück, links ein mondänes Anwesen für tausend Pferde, mittig der kostenlose Schotterparkplatz.
Nach dem Parkplatz und dem gleich folgenden Schranken leitet eine Weggabelung am Astenberg rechterhand weiter. Vorsicht: man stelle seine Uhr nicht auf die völlig falsche Höhenangabe am Wegweiser, die richtige Höhe dort ist 780m nicht 730m! Anderswo könnte eine solche Fehlinformation prekäre Folgen haben.
Die Angabe am Wegweiser mit vier Stunden zum Vorderen Sonnwendjoch mag seine Berechtigung haben, wir haben drei Stunden gebraucht. Der Höhenunterschied ab der Wegkreuzung zum Gipfel beträgt 1444 m und bei der durchschnittlichen Steiggeschwindigkeit von 350 m/h, die den Berechnungen für Zeitangaben im touristischen Gebiet zugrundeliegt errechnen sich recht genau vier Stunden für die Besteigung des Vorderen Sonnwendjoches. Die Einschätzung der persönlichen Steiggeschwindigkeit trifft jeder für sich selbst aufgrund der Erfahrung.
Zunächst bleibt das Gelände eher flach und der Kurzweiligkeit wegen haben wir den Steig dem Schotterweg vorgezogen. Der Steig quert immer wieder den Weg bis hinauf zum Fuße des Burgaukopfes, einem mächtigen Felsklotz, der mitten im Tal steht und den Weg unter die brüchigen Hänge des Ebner Jochs zwingt.
Hier nahmen wir den Weg, um die Schotterreisen und jungen Brüche vom Gipfel des Ebner Jochs zu erkunden, sowie den Schichthals, ein tiefer Einschnitt am Verbindungsgrat vom Ebner Joch zum Südausläufer der Haidachstellwand.
Der Schichthals ist geologisch interessant, da hier die Überschiebung der jüngeren Inntaldecke (Ebner Joch) auf die ältere Lechtaldecke (Haidachstellwand) gut zu sehen ist. Hier treffen Gesteine verschiedenen Alters und Eigenschaften aufeinander.
Nach Erreichen der Höhe des Burgaukopfes (1.263 m) steigt das Gelände noch steiler an und bildet somit eine Talstufe von gut 200 m bis etwa zur Alpiglalm auf 1.480 m. Der Weg dorthin verläuft auf der Straße im Wald mit einer interessanten Felsenquelle zum Auffüllen der Flasche, oder steiler über den Steig (wir haben im Aufstieg den Weg genommen).
Viel Sonne hat man dann ab dem Gelände der Alpiglalm und wie wir später gelernt haben ist diese Alm der Niederleger der Schermsteinalm, dem Ziel des Aufstiegs im Tal, bevor man über die Westhänge des Sonnwendjochs aufsteigt.
Ein kurzes Stück innerhalb der Alm geht es flacher weiter und rechterhand kann ein junger Felsbruch von Rotkalk an der Vorderfront des Issköpfls herab betrachtet werden. Ein paar Kurven des Weges führen zum Fuß der zweiten Talstufe, ein Felsriegel mit etwa 100 m Mächtigkeit.
Oberhalb der Stufe, im latschenbewachsenen Gelände der Schermsteinalm liegt die Schihütte des WSV Wiesing und just am Sonntag unserer Tour veranstalteten die Schifahrer eine Bergmesse, die uns am Aufstieg zur Haidachstellwand mit „Heilig, Heilig, Heilig“ Freude bereiteten.
Unter der Felswand querend entlang und über fünf Serpentinen führt der Schotterweg zum Gelände der Schermsteinalm hinauf. Das Gelände ist steil und den Serpentinen sieht man ihre Benützung durch Reversieren der Fahrzeuge an.
Im flachen Gelände der Alm trifft man dieser Tage auf jede Menge Galtvieh – über hundert Tiere sind es, wie uns Roli auf der Alm später erzählte.
Kurz bevor die Almgebäude erreicht werden zweigt der Steig zum Vorderen Sonnwendjoch bergseitig ab und quert den Hang talauswärts, leicht ansteigend in Richtung Issköpfl.
Am Issköpfl besteht dann wieder Blickkontakt zum Inntal und in das direkt gegenüberliegende Zillertal. Über den moderat steilen Steig wird bis zur Südflanke des Vorderen Sonnwendjoches aufgestiegen, das dann durch den Steig über eine lange Strecke gequert wird.
Ab etwa 2.000 m ändert sich die Steigrichtung mehr nach Nordost und auf einer runden Rippe wird bis unter die Felsen weiter aufgestiegen, bevor nach wenigen Minuten der Sattel am Südostausläufer erreicht wird, den nur mehr etwa 100 Hm vom Gipfel trennen.
Auf der Rippe unterhalb der Felsen konnten wir die Murmeltiere („Manggei“ oder „Mangger“– wie wir später lernten) beobachten und, weil die Thermik bergwärts zog, verkrochen sie sich auch nicht und der typischen Warnpfiff unterblieb.
Die Aussicht auf dem Weg zum Gipfel des Vorderen Sonnwendjoches ist staunenswert. Selbst in der dunstigen Luft bei unserer Begehung konnte das Unterinntal fast völlig bis Kufstein und dem Wilden Kaiser eingesehen werden.
Auch im Westen bestand ein Blick bis tief in die höchsten Gipfel der Karwendelhauptkette. Lediglich in den Süden, in den Dreitausender des Zillertales konnte man wegen der Bewölkung und des diffusen Lichtes nicht viel erkennen.
Der Nordosten (Fortsetzung der Brandenberger Alpen, dessen Teil das Rofangebirge bildet) und der Gebirgsstock des Rofan allerdings boten an diesem Tag wunderbare Aussichten und der Tiefblick auf die Aufstiegsroute am Weg kann fast als spektakulär bezeichnet werden.
Wer mit dem Gipfel des Vorderen Sonnwendjoches genug hat, der kann vom vorgelagerten Sattel unterhalb des Gipfels beispielsweise zur Bayreutherhütte absteigen und von dort über die Sonnwendbichlalm und die verfallende Seitensteinalm die Runde zurück zum Parkplatz schließen.
Dem schönen Wiesenplateau der Terrasse vom Vorderen Sonnwendjoch bis hin zum Sagzahn wird nun mit wenig auf und ab weiter gefolgt, bis die Einschartung vor dem Sagzahn erreicht wird. Dort besteht die Möglichkeit den nordwestlichen Abstieg des Sagzahns – natürlich erst nach seiner Besteigung – zu umgehen. Der erwähnte Abstieg ist ein versicherter Steig, der über die nordwestliche Felswand hinab führt und vielleicht für Manchen zu schwer erscheint.
Also gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Mitnahme eines Klettersteigsets, oder die Umgehung an der zuvor erwähnten Wegkreuzung und die Inkaufnahme von etwa 15 m Höhenverlust.
Es ist auch möglich die Runde unten am Umgehungssteig zu beenden und von dort zum Schermsteinalm abzusteigen. Der Steig ist offiziell und hierzu siehe das Kartenwerk.
Der Sagzahn bietet ebenfalls eine bärige Aussicht und von ihm aus kann der schöne Ziereiner See, auf 1.800m zwischen dem Nordostausläufer der Rofanspitze und dem Sonnwendjoch gelegen, mit seiner kräftig blaugrünen Farbe bewundert werden.
Die Ost- und Nordabbrüche lassen den Sagzahn von diesen Seiten als kühnen Felsturm aussehen, und gemeinsam mit der Rofanspitze ist er als deutliche Nordostbegrenzung des Rofan vom Tal aus auszumachen.
Wir nahmen zum Abstieg den versicherten Steig durch das Band und dann durch den Riss in der Westflanke, der mit toller Ausgesetztheit beginnt und sicheres Steigen auf dem teils speckigen (abgenutzten und daher rutschigen) Fels erfordert.
Der Abstieg ist kurz aber nicht zu unterschätzen. Wer im steilen Fels trotz Seilversicherung nicht sicher steigen kann muß ein Klettersteigset mitnehmen. Im unteren Teil nach der Serpentine wird innerhalb des Risses einer Felsplatte abgestiegen, man hat also eine Begrenzung zur Absturzkante.
Der Ausstieg aus dem Riss erfolgt über einen weiteren Riss von etwa fünf Meter Höhe und ist einfach.
Nach dieser einzig anregenden kurzen Kletterei steigt die Route noch etwa 40 m bis zum Hochpunkt und der Schafsteigsattel ist erreicht. Dort wendet sich die Runde nach Westen.
Die Rofanspitze kann von dort unschwierig in ein paar Minuten besteigen werden, der Höhenunterschied beträgt etwa 75 m. Wir unterließen dies angesichts der Massen an Wanderern, die wir dort bereits vom Sagzahn aus sichteten und darauf zustreben sahen.
Vom Schafsteigsattel aus führt ein nahezu horizontal verlaufender Steig um den Buckel der Rofanspitze herum, direkt zur Grubascharte, unserem nächsten Wegpunkt.
Es wäre auch möglich die Runde durch den Abstieg von der Rofanspitze zur Schermsteinalm zu verkürzen. In weniger als einer Stunde erreicht man von der Rofanspitze über die Grubascharte, links vorbei am Grubasee und weiter über die Wiesen hinab die Alm.
Unsere Umrundung setzt jedoch jenseits der Grubascharte fort und führt südwestwärts hinab zum Krahnsattel, zum Fuß der Haidachstellwand. Da das Wetter entgegen der Prognose immer noch gut hält, entschieden wir, daß die Haidachstellwand noch mitgenommen werden soll.
Der Steig zum Krahnsattel verläuft im Mittelteil über zig Kürvchen und Stolperstellen durch den karstig anmutenden Untergrund. Links und rechts des Steiges können äußerst verwegene Erosionsformen am Oberräthkalk bestaunt werden.
Der Krahnsattel, auf genau 2.000m gelegen, bildet den leichten Normalaufstieg auf die Haidachstellwand. Hätte das Wetter nicht gehalten, wäre der Abstieg zur Schermsteinalm auch hier möglich gewesen.
Wir haben uns für die knappen 200 m Aufstieg des tollen Panoramas wegen und angesichts und der noch stabilen Wetterlage gerne entschieden und er war nicht zum Nachteil wie die Bilder bestätigen.
Als ersten Teil führt der Aufstieg großteils über feste Erdschichten mit Schottereinlage, der zweite Teil nach dem Erreichen des Gipfelhangs, der nordwestlich geneigt und erstmals auf unserer Runde in dieser Höhe mit Latschen bewachsen ist, führt über felsig durchsetzte Bergwiesen und mit geringer Steigung auf den flachen Gipfel.
Eines der massivsten Gipfelkreuze auf all den Besteigungen des Autors, ziert die Haidachstellwand. Die Gipfelbuchschachtel wurde geschickt in die Konstruktion eingebunden und die Öffnung ist der Wetterseite abgewandt.
Man hat also an alles gedacht um das Buch möglichst zu schützen und angesichts der touristischen Bedeutung dieses Gebietes ist das auch notwendig, denn von völlig durchnässten Büchern wegen offener Deckel der Gipfelbuchschachteln bis hin zu Gipfelbüchern, die auf den Nylonsack platziert werden anstatt in diesen hinein erlebt man so einiges auf Gipfeln, die nicht nur von Bergsteigern besucht werden. Sogar ein Schreiberhalter findet sich in der Konstruktion und zu diesem komfortablen Arrangement auf einem Gipfel muß man gratulieren.
Während der kurzen Gipfelpause konnten wir durch die akustische Wirkung des Talkessels unterhalb die Lieder der Bergmesse mithören und unter den Blasmusikklängen des Kaiserjägermarschs fand unser – selten so toll begleiteter – Abstieg statt.
Der Rest der Runde bestand im Abstieg vom Krahnsattel zur Schermsteinalm. Dieser Steig führt durch steile Wiesenflächen und ein paar Schuttrinnenquerungen in einer Runde um den Felsstock der Gruabalackenspitz herum und endet im Gelände der malerischen Schermsteinalm mit den vielen Rassen von Galtvieh.
Die ältesten Almgebäude wurden direkt mit der hinteren Stirnwand an die senkrechten Felsen gebaut und sind ein echter Blickfang. Zufällig trafen wir den Roli in seiner Hütte und verbrachten mit ihm bei einem Bier eine gute Stunde mit viel interessanten Geschichten über die Alm.
Der Roli ist in Pension und war schon als Bua auf der Alm heroben. Entsprechend viel hat er miterlebt und zu erzählen.
Wir haben von ihm auch erfahren daß die Kühe beim Aufspielen der Musik hinauf zu den Felsbrocken geflüchtet – was die Kuh nicht kennt mag sie eben nicht.
Der Rückweg von der Schermsteinalm zum Parkplatz in Wiesing entspricht dem Aufstieg, ist daher klar und braucht nicht weiter beschrieben zu werden.
Die Tour erstreckt sich über gut 20 km, 1.745 m Aufstieg und wir haben incl. der langen Pause auf der Alm 8 ¼ Stunden benötigt. Wir empfehlen für die gesamte Tour 9 Stunden zu planen.
Unser Abstecher zur Haidachstellwand kann mit einer Stunde bewertet werden, sodaß bei Entfall dieser die Runde in 8 Stunden machbar ist (ausgehend von der o. g. Empfehlung).
Mils, 01.09.2019