Von den Tuxer Alpen aus gesehen erhebt sich weit im Süden eine markante Spitze mit bemerkenswerten Flanken, das Penser Weißhorn, auch geläufig als Sarner Weißhorn. Bei Betrachtung im Frühjahr, beispielsweise vom Rosenjoch im Norden aus gesehen, erblickt man sie in 44 km Entfernung im Südsüdwesten und sie wirkt als eleganter Gipfel besonders auffällig, sich von den restlichen Bergen der Sarntaler Alpen abhebend.
Die Namensgebung erscheint mit der Bezeichnung Penser Weißhorn eher stimmig als Sarner Weißhorn, liegt es doch im Pensertal, dem nördlichen Teil des Sarntals. Beide Bezeichnungen werden in der Literatur angetroffen, vorwiegend wird der formschöne Berg als Sarner Weißhorn geführt, Wikipedia unterstreicht die Meinung des Verfassers und führt den Gipfel unter der orographischen Bezeichnung Penser Weißhorn.
Mehrere einfache Anstiege führen auf den Gipfel des Weißhorns und wer eine Trainingstour oder eine zeitlich begrenzte Bergtour unternehmen möchte, besteigt es vom Penserjoch aus in etwa in Zweieinviertelstunden auf dem Normalsteig. Die steile Südflanke des Weißhorns möge man nicht unterschätzen, wenn man mit Geländesteigungen von über 45° Schwierigkeiten hat. Der Steig bleibt in der Steilflanke erhalten, führt jedoch teilweise über Felspartien mit Seilversicherung.
Einer dieser Wochenendtage bei denen die Wettersituation den Süden des Landes als eheste Möglichkeit für eine Bergtour ohne Regen verhieß, führte uns in die Sarntaler Alpen auf das Penser Weißhorn. Seit längerem war geplant dem aus der Ferne bewunderten Gipfel einen Besuch abzustatten. Ebenfalls sollte ein eher kurzer Anstieg gewählt werden, wegen einer größeren Überschreitung, durchgeführt am Vortag.
Von Sterzing nimmt man die malerische Bundesstraße 508 auf das Penser Joch und benötigt für die 16 km ab der Abzweigung am Ortsrand etwa 20 min. Ein großzügiger Parkplatz gegenüber dem Alpenrosenhof bietet dem frühen Bergwanderer reichlich Abstellmöglichkeit und hinter dem Weidezaun beginnt der Steig 12A auf das Weißhorn. Der Start am Joch erfolgt auf 2.211 m.
Wir hatten nicht viel Glück mit der Fernsicht, Nebelfetzen zogen mit einer leichten Brise durch die Südosthänge hinauf, behinderten die Sicht ins Sarntal, ließen aber dann und wann in kurzen Pausen den Blick auf das – aus der Position im Osten – formschöne Weißhorn zu.
Der Steig vollführt mit längeren Passagen von vorwiegenden An- und untergeordneten Abstiegen eine Hangquerung unterhalb des Kammrückens zum Weißhorn. Teilweise unterquert er steile wiesendurchsetzte Schrofenhänge bis zu einem langen Sattel, dem einzigen kurzen Teil am Aufstieg auf den Gipfel, an dem nach Norden in die dort ansetzenden Täler geblickt werden kann.
Dort beginnt der lange Kamm, der weit oben vor dem Gipfel sich schärfer ausformt und möglicherweise eine nette Gratkletterei beinhaltet, oder zumindest Passagen solcher, die ein andermal zu erkunden sein wird.
Am Normalweg stiegen wir nun unterhalb der steilen Südostflanke des Gartlspitzes1 auf. Der Steig führt durch einen Abschnitt aus rötlich angewittertem Hangschutt. Das Gestein besteht aus Schiefergneis und Amphibolit und die rötliche Farbe dürfte wohl verwitterten Biotit (Dunkelglimmer) darstellen. Unterhalb des Steigs liegen die schönen kleinen Steinwandseen mit klarem blauem Akzent in der rötlichen Umgebung.
Durch eine Mulde führt der Steig auf eine nächste Höhenstufe und bereits im Anstieg kann ein helles, ja fast weißes Band in der Rippe oberhalb einem Sättelchen, dem der Steig zustrebt, gesichtet werden. Links neben dem Sättelchen befindet sich ein graugrüner Schieferbuckel, rechts davon das helle Gestein und weiter rechts die amphibolitdurchzogene Felsflanke des Weißhorns. Beim Betreten des Sättelchens tritt die Änderung des Gesteins zutage und zwar direkt am Steig. Es handelt sich dabei um Sedimentgestein, das weiter oben eindrucksvoll betrachtet werden kann.
Nach dem Sättelchen verläuft der Steig etwas flacher und leitet direkt auf die großräumig und großflächig sichtbare Änderung des Gesteins hin. Es handelt sich dabei um eine Trennschicht zwischen zwei tektonischen Einheiten, hier, der Hirzer- und der St. Leonhard Einheit2. Diese Trennschicht ist autochthon und bedeutet, daß sie nicht überschoben wurde, sondern genau an diesem Ort im Mesozoikum (=Erdmittelalter 248 bis 66 Mio. J.) gebildet wurde und sie sieht wunderbar aus, ein weißes Fenster zwischen dem grüngrauen Kristallingestein der beiden oben genannten geologischen Einheiten. Geologisch wird sie Pens Einheit genannt.
Der Zahn der Zeit hat viele große Felsbrocken von der weißen Wand herunterstürzen lassen, die neben dem Steig betrachtet werden können. Da gibt es dünnbankigen Plattenkalk, vorwiegend aber Dolomitbänke und Konglomerate, die zwischen rein weiße und hellgraue sowie gelbliche Färbung wechseln, in völligem Kontrast zu den umgebenden Gesteinen. Als gelbliches Gestein finden sich in der Schuttreise untergeordnet Quarzitplatten.
Aus dem Kessel zwischen dem Weißhorn und dem Geröllspitz steigt der Weg auf das Gerölljoch (auch Gröllerjoch) auf 2.560 m über die Sedimentschichten an, bevor sie von Schutt des Abbruchs vom darüberliegenden Westgrat bedeckt werden und im Aufstiegssinn abtauchen.
Dort wechselt der Anstieg in die St. Leonhard Einheit zu wechseln und die Felsstrecke in geschiefertem Gneis beginnt. Durch die Schieferung bilden sich in den steilen Passagen zu Beginn Bänder mit guten Tritten entlang derer der Aufstieg auf wiesendurchsetztes Gelände leitet. Das Gelände im Mittelsteil ist sehr steil, jedoch gefahrlos zu begehen, da der Steig stets vorhanden und teilweise komfortabel breit ausgebildet ist.
Weiter oben gibt es ein paar seilversicherte Passagen, die den etwa 150 Hm betragenden Aufstieg in der steilen Südflanke vom Gerölljoch auf den Gipfel des Penser Weißhorns leicht machen.
Am Gipfelkamm angelangt wird das Gipfelkreuz in etwas weniger als 50 m in östlicher Richtung gesichtet, die nahezu eben auf breitem Weg zurückgelegt werden. Das Gipfelkreuz am Penser Weißhorn wurde aus genietetem Stahl mit Drapierungen aus Schmiedeeisen und mit einer buntmetallenen, patinierten Christusfigur verziert. Es trotzt seit 90 Jahren unversehrt den Wettern am Weißhorn.
Zu unserem Leidwesen verzog sich der Nebel nicht und der Ausblick auf ferne Berge blieb uns verwehrt. Das Weißhorn wäre sonst ein sehr guter Aussichtspunkt, über 2.000 Gipfel sollte man sehen können. Es blieben uns Blick auf nahegelegene Gipfel wie z. B. der schön geformte Etschenspitz, die am Rückweg nochmals als ein lohnendes Ziel erschien.
Die Talschaften konnten etwas besser eingesehen werden, so das Sennerbergtal und das Ontratttal im Norden, den Penser Teil des Sarntals im Süden sowie das Unterbergtal im Westen, leider ohne Umrahmung mit den Gipfeln, die im Nebel verborgen blieben.
Nach der Gipfelrast beschlossen wir alleine wegen des wenigen Anstiegs bis zum Weißhorn auch noch den Geröllspitz mitzunehmen, sowie den Kamm zum Penser Joch auf der Kammhöhe zu begehen. Der Geröllspitz, südlich gegenüber dem Gerölljoch wird vom Joch in wenigen Minuten erreicht.
Hierzu muß zu einer breiten Scharte abgestiegen werden, um jenseits auf Fels und Steigspuren zum kleinen Gipfelkreuz aufzusteigen. Von der Schartenhöhe her stellt der Geröllspitz keinen Gipfel dar, das Gipfelkreuz wurde wahrscheinlich aufgrund der guten Sichtbarkeit vom Pensertal aus errichtet, in das man einen schönen Blick werfen kann.
Südwestlich des Geröllspitzes, am Ausläuferkamm vom Weißhorn nach Südwesten, befindet sich der Mudatsch, ein wenig erstrebenswerter Gipfel vom Standpunkt aus geurteilt. Auch er trägt ein Gipfelkreuz und wird wahrscheinlich seine Bedeutung durch die Sicht und Besteigung vom Tal aus erworben haben.
Im Südwesten öffnete sich endlich der Nebel und die Fernsicht auf den östlichen Schenkel des bekannten Sarner Hufeisens, die Bergkette zwischen Eisacktal und Sarntal tat sich auf und man konnte beispielsweise das Schrotthorn in 12 km Entfernung erkennen, auf das eine schöne Schitour zu unternehmen sich anbietet.
Der zweite Grund den Geröllspitz zu besteigen liegt in der perfekten Lage die mesozoischen Einschübe der Südflanke des Penser Weißhorns abzulichten. Man genießt dort ein wahrhaft tolles Bild in frontaler Ansicht des weißen Bandes auf der Flanke.
Wir trafen beim Gipfelkreuz drei Generationen einer Südtiroler Familie mit dem Opa hinter dem traditionellen blauen Schurz mit welchem wir zur Feier des Tages unsere Höhenmedizin teilten. Ein seltener Anblick auf einem Gipfel.
Den Abstieg vom Geröllspitz wählten wir über einen kleinen See, der im Kartenwerk nicht eingezeichnet ist. Möglicherweise besteht er nur im Frühjahr bis in den Sommer hinein, solange noch Schneereste nicht aufgetrocknet wurden. Vom See aus erreicht man den Steig 12A wieder.
Am Sattel zur Nordseite des Kamms, an dem ein Steig hinab ins Sennerbergtal führt, wanderten wir am breiten Kammrücken weiter in Richtung Röthenspitz, wobei sich uns beim kleinen Gipfelkreuz die Frage stellte, wir dieser rundliche Kammhöcker zur Bezeichnung „Spitz“ kam. Gewiss sieht er vom Penser Joch aus gesehen einigermaßen hoch über dem Kamm aus, jedoch verdient er auch bei dieser Ansicht eher die Bezeichnung „Kopf“ denn Spitz.
Ein kleines hölzernes Wegkreuz ziert den Röthenspitz (2.441 m), von dem ein Nordausläufer auf die Etschenspitz führt, der aufgrund seines von der Ferne gesehenen Gratverlaufes wahrscheinlich eine interessante Begehung darstellt. Zumindest der letzte Teil des schärfer werdenden Kamms sowie der Gipfelaufbau der Etschenspitz sehen einigermaßen spektakulär aus.
Vom Röthenspitz aus genossen wir bei starkem Südföhn und der damit einhergehenden Auflösung der Restnebel an diesem malerischen Nachmittag sagenhafte Blicke über die nördlichsten Sarntaler Gipfel und auch der Blick in den Südosten gereichte nun zu dem Erlebnis, das wir uns auf dem Weißhorn erhofften.
Eine weitere Begegnung mit dem mesozoischen Sedimentgestein der Penser Einheit lag direkt nordwestlich vor uns und bildete einen auffallenden Keil in der Westflanke des Hühnerspiels, direkt vor dem massiven Zinseler. Die Penser Einheit findet ihr oberflächliches Ende im Wipptal, genau im Ortsteil Trens der Gemeinde Freienfeld. Am Weg dorthin überlagert die Passstraße der Gipfel der Weißen Wand und nicht umsonst wurde dieser Name wegen des Vorkommens der selben hellen Sedimentgesteine wie unterhalb des Weißhorns gewählt.
Im Osten und Südosten prangen die hohen Gipfel des Hufeisenkamms der Sarntaler Alpen mit der Taschspitze und dem Tagewaldhorn, das ziemlich die selbe Höhe aufweist wie das Penser Weißhorn sowie dem höchsten Gipfel auf dem westlichen Teil des Hufeisens, dem Jakobsspitz mit 2.737 m.
Den Abhang vom Röthenspitz hinab schlenderten wir auf weglosem Gelände auf den langen Sattel zwischen ihr und der letzten Erhebung unserer Wanderung, der Gänsekragenspitze (2.322 m) für den hinsichtlich der Ausprägung der Erhebung das gleiche zu sagen gilt wie für den Röthenspitz, er ist ebenfalls ein runder Kopf, geschweige irgend eine Art von Spitz.
Die Gänsekragenspitze wird zunächst weglos über einen Hauch von Grat erstiegen, der nördlich der beiden kleinen Seen durch völlig abgewitterten Schiefergneis auf eine Graterhebung führt, von der im weiten Rechtsbogen letztlich ein Steig angetroffen wird, der auf den rundlichen Kopf der Gänsekragenspitze führt.
Daß die Gänsekragenspitze den touristischsten aller auf dieser Runde besuchten Gipfel darstellt bleibt ohne Zweifel, wenn man weiß, daß sein flach gehaltener Südwestabhang direkt auf das Penser Joch leitet von wo er von Hinz und Kunz über eine – im Bergsteigerjargon so genannte – Autobahn bestiegen werden kann.
Der Aufstieg vom Penser Joch auf ihn beträgt 111 m und von der Schartenhöhe her gesehen besitzt der Buckel Gipfelstatus. Der einzige Grund ihn unter der Frequentierung durch Touristenmassen zu besuchen ist der grandiose Blick gen Westen mit dem majestätischen Penser Weißhorn als zentrales Motiv. Der Zustand und die Eintragungen seines Gipfelbuches sprechen Bände über die Bergfremdheit seiner Besucher.
Auf breitem und verzweigtem Schotterweg führte uns die Route hinab zum Ausgangspunkt am Parkplatz, vorbei an Schützengräben, die im einstigen Wahn des Faschismus mit dem Bau der Straße Ende der dreißiger Jahre angelegt wurden.
In der Alpenrose genossen wir nach der Tour ein spätes Mittagessen und können dem nicht überfüllten Haus eine Empfehlung aussprechen.
Die schöne und leichte Bergtour kann als Wanderung bezeichnet werden. Auf ihr werden 785 m in sechs Stunden absolviert und die zurückgelegte Streckenlänge beträgt 11 km.
Zieht man einen alpinistisch saubereren Anstieg vor, dann empfiehlt sich, vom Norden an das Weißhorn anreisend, die Variante von Jürgen über das Mitter- und Sennerbergtal, die auch wesentlich mehr Anstieg zu verzeichnen hat.
Mils, 16.07.2023
1 In der Umgebung des Penser Jochs tragen die meisten – aber nicht alle – sogenannten „Spitzen“ die möglicherweise örtlich mundartlich gebildete Bezeichnung „Spitz“, so beispielsweise all jene in diesem Bericht bestiegenen, mit Ausnahme der Gänsekragenspitze und ebenfalls nicht einige unweit gelegenen wie die Taschspitze, die Gentersbergspitze, die Hochalplspitze, die Leiterspitze u. a. m.
2 Thermochronological constraints on the tectonometamorphic evolution of the „Meran-Mauls nappe stack“ https://www.geologie.ac.at/fileadmin/user_upload/dokumente/pdf/poster/poster_2018_pangeo_reiser.pdf