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Bettlerkarspitze, 2.268m

Von der Gernalm aus ist die Bergtour auf die Bettlerkarspitze eine eher kurze Angelegenheit, jedoch, ihrer Lage zwischen den höchsten und den abklingen Vorgipfeln des Karwendel wegen, ein lohnendes Ziel. Wenn die Bettlerkarspitze allerdings mit einem der abzweigenden Grate verbunden wird, dann kann eine bemerkenswerte Tagestour, mit vielfältigen Landschaftsreizen daraus werden.

Blick von der Bettlerkarspitze auf den Grat zum Falzthurnjoch

Genau richtig für den Wetterbericht am 9. September 2017 erschien sie mir Tage zuvor, als ein Programm für das Wochenende geschmiedet werden wollte. Am Gipfel kann die Entscheidung fallen, ob der Grat zur Schaufelspitze angehängt oder der Rückzug angetreten wird.

Bettlerkarspitze in herbstlichen Morgenlichte, Hauptgipfel hinten links

Kurz vor 8 Uhr begann, bei bereits herbstlich kühlem Fallwind von den Hängen im hintersten Gerntal, vom Parkplatz der Gernalm, der Aufstieg auf der Schotterstraße, die eine alte Militärstraße sei.

auf der Straße zum Plumsjoch

Im unteren Teil durch Wald im oberen Teil durch den splitterigen Hauptdolomit in Raibler Formationen abenteuerlich schmal gewordenen Straße geht es zunächst auf den Plumssattel, einem tollen Aussichtsplateau und wichtigem Knotenpunkt von Nord-Süd-Graten und West-Ost-Übergängen inmitten des Plums Alm Hochlegers.

Bettlerkarspitze und Schaufelspitze vom Plumssattel aus

Am Sattel wendet sich der Aufstieg nach links gegen Süden, um in der bis auf 1.850m latschenbewachsenen Nordflanke des Vorgipfels – „Vordere Bettlerkarspitze“ entnimmt man dem Gipfelbuch – anzusteigen.

Gamsjoch links und Falkengruppe rechts

Nach der Obergrenze des Latschengürtels, der vorwiegend in Hauptdolomit erstiegen wurde, beginnt scharf abgegrenzt der Gipfelaufbau im Wettersteinkalk. Dies jedoch mit einer recht brüchigen Oberfläche mit allerlei geologisch interessanten Einlagerungen. Beim Aufstieg können links und rechts des oft in Querrichtung doppelt angelegten Steiges zahlreiche Fossilien erblickt werden, solange das Auge im Aufstieg dem schrägen Hang nahe genug kommt. Im Abstieg ist es viel schwieriger die Naturschönheiten wiederzufinden, wie sich später herausstellen sollte.
Der Aufstieg über die Flanke erfolgt unter konstanter, bedeutender Steilheit auf brauchbarem Steig, hin und wieder mit weniger griffigen Tritten durchzogen.

die Nordflanke der Bettlerkarspitze

Rasch nach dem Latschengürtel ist ein vorgelagertes Köpfchen am Grat (2.075m) erreicht, das zu einem Rundblick einlädt. Nach dem Blick vom Plumssattel gibt dieser Platz wieder erstmalig die Sicht auf die Bettlerkarspitze frei, die beim Aufstieg von der Alm über die Nordflanke nicht sichtbar war.

die Bettlerkarspitzen von Pkt. 2.075m aus gesehen

Knapp oberhalb des wiesenbewachsenen Köpfchens erscheint der markante Vorgipfel der Vorderen Bettlerkarspitze unwesentlich höher als das Köpfchen zuvor. Der Grat dorthin ist zunächst flach steigend, breit und in kurzer Zeit erstiegen.
Gipfelkreuz und Gipfelbuch für manch jenen, der sich im Internet über die Tour informiert hat und dessen Wahl des Endes der Tour deshalb auf diesen Vorgipfel fällt, so wahrscheinlich zwei Bergsteigerinnen vor mir, die ich am Vorkopf überholte. Im Internet finden sich einige überzeichnete Beschreibungen der Schwierigkeiten des Anstieges zum eigentlichen Gipfel. So wird über eine Stelle III berichtet, die mittels eines Seilstückes „entschärft“ wurde. Diese Stelle, knapp unterhalb des Gipfels, ist gerade einmal 2m hoch und bietet einwandfreie Griffe und Tritte, sodaß auch das Abklettern keine besonderen klettertechnischen Fertigkeiten erfordert.

Der Grat von Pkt. 2.075m zur Vorderen Bettlerkarspitze

Nach dem Vorgipfelchen muß knappe 10m abgestiegen werden. Der Grat wird in der Folge zum großen Teil auf einem kleinen Steig, der nicht schwer zu verfolgen ist, auch wenn er dann und wann etwas schwach ausgeprägt ist, auf der Westseite umgangen.

die Bettlerkarspitze vom Vorgipfel aus

Herrliche Bänder ziehen sich unterhalb des Grates empor, die Teile des Steiges bilden, der in nun wesentlich längeren Abschnitten als die Route bis zum Vorgipfel markiert ist. Ab dem Vorgipfel finden sich verwitterte gelbe Markierungen; ein untrüglich Zeichen, daß dieser Steig nicht von einem Wegerhalter gepflegt wird. Warum das so ist mag sich jeder unter der Vorstellung der krankmachenden, allerorts um sich greifenden Haftungspflicht in der ursprünglich fremdländischen, hier jedoch so rasch adoptierten Lawyerwelt selbst beantworten.

herrliche Bänder, das Vergnügen leider nur von kurzer Dauer

Ein Blick nach links erfüllt mit Verlangen nach dem leicht anmutenden Grat vom Falzthurnjoch zur Bettlerkarspitze herüberziehenden Grat. Er sieht nach wenig Höhenunterschied aus, wer jedoch häufig Gratüberschreitungen ausführt, der weiß wir sehr man sich am bloßen Anblick der Schneide täuschen kann.

der leichtfüßig anmutende Grat vom Falzthurnjoch zur Bettlerkarspitze

Nach kurzer Zeit führt ein auslaufendes Band in einen kleinen Kessel, der sich vom Grat bis zum Steig herunterzieht. Diesen Kessel ersteigt man in Schutt an seiner linken (nördlichen) Seite, um wieder auf Grathöhe zu kommen. Sodann erblickt man den Gipfel der Bettlerkarspitze mit dem schönen hölzernen Gipfelkreuz.

kurz vor dem kleinen Kessel unterhalb der Bettlerkarspitze

Über wiesendurchsetzte Schrofen geht es steil mit gut gestuften Tritten den Steig empor, bis der Grat abermals rechterhand (westlich) verlassen wird, um der direkten Gratlinie zu entweichen und über eine leichte, schräge Rinne zur oben erwähnten „schwierigen“ Stelle zu gelangen.
Diese Stelle ist zwar etwas ausgesetzt, jedoch nicht so schwierig zu meistern wie angenommen. Es gibt links am Abbruch einen spitzen Kopf zum draufsteigen und oberhalb des vorstehenden Blockes genügend Griffe. Sodann unter einmal über den Block.

der letzte Teil des Grates mit einer kleinen Stelle Spannung

Die letzten Meter zum Gipfel führen wie ein U um einen großen Kamin herum. Auf der Gegenseite, fast in gleicher Höhe, das kleine Plateau mit dem Gipfelkreuz. Es wurde in zweieinviertel Stunden ab dem Parkplatz der Gernalm erreicht.

Bettlerkarspitze 2.268m

Eine wahrhaft phantastische Aussicht nach allen Seiten bietet die Bettlerkarspitze mit ihrem, nach Nordosten ausgerichteten Gipfelkreuz.
Das Karwendel kann Gegen Westen sozusagen „seitlich“ in seiner Süd-Nord Ausdehnung betrachtet werden, von den Hauptketten im Südwesten bis zu den Ausläufern und Vorgebirgen im Nordwesten, alle Höhenstufen im Schnitt, den Übergang von Inntaldecke (Linie Lamsenspitze-Sonnenspitze-Birkkarspitze-Pleisenspitze) und Karwendelschuppenzone (Linie Plumssattel-Risser Falk-Wörner) auf die nördlich gelegene Lechtaldecke, die im fernen westlichen Teil noch die Soierngruppe mit erheblichen Gipfelhöhen birgt.

das schöne Holzkreuz der Bettlerkarspitze

Gegen Osten und Nordosten gibt es einen wunderbaren Blick auf den schönen Grat vom Falzthurnjoch herüber, sowie in der Ferne dahinter vom Achensee mit dem dahinter liegenden Rofanstock bevor weiter nordöstlich die letzte bedeutende Erhebung über 2.000m, der Guffert mit knapp 2.200m, nicht zuletzt wegen seiner mächtigen, im Grün der Karwendelvorberge markant hervortretenden, hellen Südabbrüche beeindruckt.

Im Süden beeindruckt das gewaltige Muschelkalkdach des Sonnjochgipfels als mächtiger runder Rücken und höchste Erhebung in der Kette. Es versperrt die Aussicht auf einige Wichtige Gipfel in der Karwendelhauptkette, so sind nach dem gerade noch sichtbaren Hochnissl die Lamsenspitze und der Hochglück verdeckt und erst die Eiskarlspitze kann oberhalb der Verschneidung von Westrücken Sonnjoch und östlichem Gipfelaufbau der Schaufelspitze eingesehen werden.

das massive Sonnjoch und rechts die Schaufelspitze

Ein besonderes Schmankerl ist auch die kleine Vergletscherung unterhalb der Eiskarlnordwand (die sog. Eiskarln, von denen die Spitze mit Sicherheit ihre Namensgebung verdankt), die ein wenig aus der vorgenannten Verschneidung der beiden Flanken herausragt und wirklich eindrucksvoll nur mit einem Fernglas betrachtet werden kann.

die Schaufelspitze mit Ungemach darüber; in der Verschneidung Sonnjoch Westgrat/Schaufelspitze Ostgrat die Vergletscherung der Eiskarln

Die Schaufelspitze im Süden, bzw. der Grat dorthin wäre auch das insgeheime Ziel der heutigen Tour gewesen. Der meist ebenfalls von Haftungsgedanken beeinflusste Medienbericht vom Vortag, sowie die rasche Wetterentwicklung während des 40 minütigen Gipfelaufenthaltes, jedoch, hielten meinen Erfolgsdrang, nach nun einigen aufeinanderfolgenden Wochenenden mit intensivem Gebrauch der Regenjacke und der Heimfahrt in nassen Shorts, recht fest im Zaum.
Zusätzlich erschien eine Gratüberschreitung mit wenig Sonnenlicht und viel schwarzgrauem Gewölk, mit direkter Zugrichtung, rasch sich nähernd, für die Dokumentation nicht dem Wunsche entsprechend, die Schönheit dieser Tour entsprechend einfangen zu können.

Falzthurnjoch mit Achensee

Um es vorweg zu nehmen, das Wetter hätte gehalten, die Überschreitung wäre möglich gewesen.
Allerdings ist das Vorhaben im Herbst immer noch möglich und eingeplant.

Also beschäftigte ich mich auf diesem für die Einschätzung des gegenständlichen Gebirges bedeutsamen Gipfel mit ausgiebigem „recognosciren“ mit dem Fernglas, um in der Sprache der Pioniere dieses Gebirges zu bleiben.

Dabei konnte festgestellt werden, daß der Karwendel-Führer (Klier) in der Aussage, die Bettlerkarspitze wäre vom Plumsjoch (der Plumssattel ist gemeint) aus nicht sichtbar, falsch liegt. Wahrscheinlich soll die Aussage lauten, daß sie von der Plumsjochhütte aus nicht sichtbar ist, denn neben dem Gipfelkreuz platziert kann der Plumssattel in der Tiefe wunderbar eingesehen werden, also auch in Gegenrichtung.
In direkter Blickrichtung auf die höchste Erhebung am Sattel (Abzweig zur Montscheinspitze auf Schotterstraße, Rastbank) vom Hauptgipfel aus liegt das Gipfelkreuz des Vorgipfels fast auf gleicher Linie (siehe auch Karte mit gesamter Strecke von der Gernalm in der Bildergalerie).

Rauer Kranzenzian, man beachte die unterschiedliche Anzahl an Blütenspitzen

Die Flora, die dem Karwendelfreund auf seinen Touren stets ins Auge fällt verrät, daß die Bettlerkarspitze schon eher dem Norden des Karwendels zuzuzählen ist; es findet sich dort eine Enzianart zuhauf – es dürfte sich um den Rauen Kranzenzian handeln, auch wenn die Bestimmung anhand der verfügbaren Bilder für den Laien nicht eindeutig durchzuführen ist – die, bei genauer Betrachtung des Bündels in dem sie auftritt, sowohl vierblättrige als auch fünfblättrige Blüten aufweist und im südlichen Teil des Karwendels nicht anzutreffen ist, zumindest nicht merkbar häufig.

Schneeköpfe mit Rofangebirge dahinterliegend

Für den Abstieg an diesem so jungen Tag machte ich mir das oberflächlich sichtbare Vorkommen von geologischen Besonderheiten und Fossilien in diesem tektonisch so bedeutsamen Gebiet zur Aufgabe.

Muschelfossilien

Dabei mußte ich die bereits oben erklärte logische Feststellung machen, daß im Abstieg Feinheiten auf Gesteinsoberflächen weit weniger gut sichtbar sind als im Aufstieg. Der Blickwinkel mag das seine dazu beitragen. Dennoch konnten einige schöne Stücke gesichtet werden.

Rauhwacke

Die Nordflanke der Bettlerkarspitze stellt sozusagen die vorderste Stirn der Reliefüberschiebung des Karwendels dar und ist somit die nördlichste Front der Inntaldecke, die der Lechtaldecke kurz vor dem Plumssattel aufgeschoben wurde. In solchen Gebieten ist geologisch meist „viel los“.

Breccie

Schöne Rauhwacken (Zellenkalk mit ausgelaugten Hohlräumen) mit ebenflächiger Unterseite (auf eine Gleitbahn hinweisend?) deuten auf eine Haselgebirgseinlage zwischen dem Hauptdolomit und der überschobenen Wettersteinkalkdecke hin.

Kalkbreccie; rechts oben – siehe Detailaufnahme

Wunderschöne Kalkbreccien mit ungeheuer festem Verkittungsmaterial (calcitisch?), ein Zufallsfund knapp neben dem Steig.

Detailaufnahme der Kalkbreccie

Wurmförmige tierische Einschlüsse in Kalk? mit ungewöhnlicher rosa Färbung.

wurmartige tierische Einschlüsse

Die Tour abschließend, das Wetter von sicherer Stelle der Plumsjochhütte aus beobachtend, gab es noch eine hervorragende Speckknödelsuppe vor der Plumsjochhütte, bis schneidig kalte Böen zum Aufbruch übers Joch anregten.

Stimmung oberhalb der Plumsjochhütte

Die gesamte Tour bedurfte fünfeinhalb Stunden, wobei die Rasten am Gipfel und in der Hütte in etwa eineinhalb Stunden dem Studium der Landschaft und der Energieaufnahme dienten.

Peilung Gipfel Bettlerkarspitze – Plumssattel

Foto mit Peilung der Sicht; der Vorgipfel ist in der AV-Karte mit einiger Übung erkennbar, siehe rote Pfeilmarkierung.

Mils, 09.09.2017