Landschaftlich und alpinistisch stets der Extraklasse zuzuordnen beeindrucken die heimischen Kalkalpen und in den Brandenberger Alpen speziell die Schitour auf den Hochunnütz durch das steile Nordostkar. Der Anstieg führt über eine untere und eine obere Karrinne mit Stellen über 40° Hangneigung, deren Bewältigung nebst guten Schneebedingungen und geringer Lawinengefahr auch Erfahrung voraussetzt. Die bemerkenswerte Schitour ist eher kurz, bietet dafür wirklich schöne Passagen, Kulissen und einen Hauch von Abenteuer.
Durch nordöstliche Exposition bietet sich die Besteigung des Hochunnützes speziell im Frühjahr an, wenn die Steilstellen schon durch hochwinterliche Lawinen etwas entschärft worden sind und trotzdem die Schneequalität durch die eher schattige Lage gut ist. Wegen der unteren Steilrinne sollte man recht früh starten, denn diese weicht aufgrund ihrer besonnten Lage auf etwas mehr als 1.600 m auch bereits am frühen Vormittag rasch auf.
Den Start kann man, nach der Obingermoosalm, an eine in Fahrtrichtung nach Steinberg links abzweigende Forststraße legen, wo im Frühjahr bei bereits genügender Ausaperung eine Parkmöglichkeit neben der Kreuzung gegeben ist. Von dort querten wir die große Almwiese gegen den leicht bewaldeten Schuttkegel in das Tal zum Nordkar zu.
Sicherer ist die Variante den öffentlichen Parkplatz (Münzen nicht vergessen) etwas weiter im Tal außen, nach der Unteren Bergalm, zu benutzen. Von dort marschiert man über einen etwa einen dreiviertel Kilometer längeren Zustiegsweg bis zur Forststraße am Ansatz des schmalen Tals zwischen Zwölferkopf und dem niedereren Kopf mit der auffälligen Waldschneise.
Nach Überqueren des Forstweges verbleibt die Zivilisation buchstäblich hinter einem, wenn über den anfänglichen Waldaufstieg das Tälchen schmaler wird und sich ein erster steiler Aufstieg abzeichnet.
Im Tälchen quert die Aufstiegsspur an geeigneter Stelle, an der auf der rechten Talseite der Anstieg durch die Hangneigung praktisch unmöglich wird, den kleinen klaren Bach und setzt durch Staudenwerk links weiter fort.
Gleich darauf führt die Route über den steilen Hang, stets taleinwärts querend unterhalb der Waldlinie aufwärts. Harscheisen benötigten wir zwar nicht, jedoch muß davon ausgegangen werden, daß die Schneeoberfläche morgens knackig hart ist, wenn dem Aufstieg eine klare Nacht vorausgegangen ist.
Abschließend muß eine kurze Steilstufe überwunden werden, zu deren Höhenunterschied zwei drei Spitzkehren notwendig werden und die Durchquerung einer kurzen Latschenfläche erforderlich ist. Nach den letzten Latschen öffnet sich eine Flachstelle mit dem ersten freien Blick auf die bevorstehende Aufstiegsroute bis zu Scharte zwischen Vorderunnütz und Hochunnütz – ein gewaltig schöner Blick auf die bereits besonnten Hänge, in die wir bald eintauchen würden.
Das Hochtal gibt die weitere Route durch das Gelände eindeutig vor, das im Aufstieg ohne Orientierungsgabe verfolgt werden kann. Wenige Minuten nach Überquerung der Flachstelle und einer Schneise mit mäßig steilem Aufstieg betraten wir das breit werdende Nordostkar und tauchten in wärmendes Sonnenlicht ein, unter dem wir eine Trinkpause und die Erkundung des steil werdenden Geländes vornahmen.
Vom Rastplatz aus konnten wir schon die nächste Geländestufe einsehen. Zwischen zwei Felsrippen hindurch nahmen wir die untere Steilstelle war, die markant am Ende der Geländestufe und links einer hohen Felswand sichtbar wurde. Der Felswand konnten wir schon um 9:30 Uhr das allgemeine vormittäglich beginnende Tauen ansehen.
Die Geländestufe weist allerdings etwas weiter links eine zweite Rinne auf, die möglicherweise auch begangen werden kann, wir in diese Richtung jedoch keine Steigspuren ausmachen konnten.
Der herrliche Aufstieg zur Steilrinne war bei unserer Begehung geprägt von alten Nassschneelawinenresten von der Felswand rechts herab, die gefroren den Aufstieg etwas erschwerten.
Mit dem Aufsteilen der Hangneigung wurden die Spitzkehren in engeren Abständen notwendig und zwischen den Felsrippen wechselte die Schneebeschaffenheit zwischen bereits tief aufgefirnten weichen und bockhart gefrorenen Flächen, je nach Überdeckung der Einstrahlung in der Rinne durch die Felsen zur Linken.
Alles in Allem gesehen stellte der kurze Steilaufstieg über etwa 60 Hm jedoch ein schönes, nicht sehr schweres Erlebnis dar. Die Breite der Rinne erlaubt nicht gerade die Überwindung von signifikanten Höhenunterschieden, jedoch reiht sich auch nicht Spitzkehre an Spitzkehre ohne ein paar Schritte dazwischen.
Während des Aufstiegs nähert man sich den sich vom Weiß abhebenden hellgrauen Wettersteinkalkfelsen auf Tuchfühlung. Unter voller Ausnützung der Rinnenbreite passierte so an mancher Stelle eine leichte Berührung der Felswand beim Umsetzen des Außenschis.
Im oberen Teil öffnet sich die Rinne trichterartig zum Ende der Steilstufe hin und dort wird auch gleich ein idealer flacher Platz für die Erkundung des nächsten Aufstiegsabschnittes erreicht. Herrlich präsentiert sich auf etwa 1.660m Höhe, nach Überwindung der unteren Steilstufe, das breite Hochtal mit seinem geradlinigen weiteren Aufstieg, der Scharte zwischen Vorder- und Hochunnütz zustrebend.
Wie meist nach Geländestufen setzt der Aufstieg zuerst ein Stück flach fort, bevor die nächste Stufe beginnt. So auch im Nordostkar zum Hochunnütz dessen Wanne nach der Steilstufe glazialen Ursprungs ist – ein paar Minuten führt die Route eher flach an eine tiefe steilere Mulde heran, durch die zum oberen Karbereich aufgestiegen wird, in dem das Gelände wieder steiler wird. Von unten ist die gesamte Route wunderbar einzusehen.
Vom Rastplatz über der unteren Steilstufe aus könnte man auch links auf die Felsnase, die vom Vorderunnütz herunterzieht und das große Kar teilt, zu aufstiegen und sie auf etwa 1.750 m umrunden, um zum Vorderunnütz zu gelangen – eine weitere tolle Tour in der Kette die unbedingt erkundet werden muß und bis zur Vorlage eines eigenen Berichtes bei Jürgen & Roman nachgelesen werden kann.
Wir durchquerten die Engstelle zum oberen Kar, dessen Hangneigung, zur Scharte zwischen Vorder- und Hochunnütz ab etwa 1.840 m wieder steiler und vor allem sehr eng wird. Die steile Engstelle vermeidend folgten wir den Spuren unserer beiden Vorgänger, die im oberen Kar nicht den direkten Anstieg auf den Grat suchten, sondern auf die Rippe, die nördlich vom Hochunnütz nach Osten herab hinaus querten und ihren Anstieg dort nicht mehr fortsetzten, wie wir später anhand der Abfahrtsspuren erkennen konnten.
So gelangten wir auf einen ebenfalls nicht angespurten, aber besser geeigneten Hang, als durch die steile Engstelle etwas nördlich von der Scharte, die wir erreichen wollten.
Nach einer Trinkpause querten wir den Hang wieder, südlich ansteigend zur steilen Scharte hinüber. Am Gegenhang des Vorderunnützes vermieden wir somit einen alten Schneebrettanriss zu unterstiegen.
Die Scharte erreichten wir somit quer unter ihrem rechten Felsansatz, rund 70 Hm unterhalb der großen Wechten, die sie nahezu über ihre gesamte Breite zu tragen schien. Der Anblick der Wechtendimension erschreckte uns zunächst ein bisschen, jedoch stiegen wir unter der Hoffnung auf eine Möglichkeit des Durchstiegs zu ihrer Rechten im Aufstiegssinn weiter.
Mit einigen Spitzkehren bewältigten wir die Schartenrinne, die nach oben hin breiter, allerdings auch steiler wurde und mit den letzten Spitzkehren im bereits wieder sonnenbeschienenen ober Teil wurde der Durchstieg auf der bereits gut aufgefirnten rechten Schartenseite sichtbar. Von rechts kamen die letzten Tage kleine Rutschungen vom steilen Fels über der Scharte herab, die sich aber als gut angefroren und eher hinderlich im Aufstieg erwiesen.
Die letzten drei vier Spitzkehren erforderten im weichen Firn und aufgrund der Hangneigung schon etwas Akrobatik und sichere Stockhaltung.
Beim Verlassen der Scharte auf den Fels wird eine Spitzkehre auf einem abschüssigen Felsband in die Gegenrichtung zum Aufstieg nötig, die einen kurzen herrlich exponierten Blick auf Wilden Kaiser und Guffert bietet. Nach ein paar Metern am Felsband wird eine Spitzkehre in die Gegenrichtung auf den Grat zum Hochunnütz erforderlich und in etwa 30 m der flache Grat am Schartenansatz erreicht.
Diese Passage, die letzten Meter in der Scharte, über das Band bis zur Spitzkehre und zurück zum Grat stellt das steilste Stück dar, das wohl teilweise mit einer Neigung über 40° anzusetzen ist.
Nach dieser etwas nervenkitzelnden Passage folgten wir dem flach steigenden Grat unter plötzlichem unangenehmen Jochwind bis zu einem Aufschwung, der ohne Schi überklettert werden mußte, da eine Umgehung auf deren Westseite einen weiteren Abstieg erfordert hätte. Daher wählten wir diese etwa 4m mächtige Felsschuppe als Schidepot und stiegen die letzten geschätzten 50 Hm zu Fuß zum abgerundeten Gipfel des Hochunnütz auf.
Die Wechten mit Respektsabstand meidend stapften wir nach einer letzten kleinen Scharte bergwärts mit teilweiser Begehung des Sommerwegs, der an sehr abgeblasenen Stellen genauso wie die Markierungen sichtbar wurde.
Leider ziert den Hochunnütz kein Gipfelkreuz, so wie das bei seinen beiden Nachbargipfeln der Fall ist. In jedem Fall aber erlebt man selbst auf der geringen Höhe von 2.075 m eine phänomenale Aussicht aufgrund der freien Stellung des Bergzuges der Unnütze.
Von Guffert im Nordosten bis zum 42 km entfernten Wilden Kaiser im Osten und dem Großglockner in 87 km Entfernung, streift der Blick über den Großvenediger in die hohen Zillertaler Gipfel.
Unweit gegenüber, fast schon im Süden, die schöne Silhouette der Rofangipfel mit deren senkrecht abbrechenden Nordwänden.
Hinter dem Achensee im Süden der Olperer und der Hochfeiler, höchster Gipfel der Zillertaler Alpen.
Wohl der schönste Blick ist jener gen Südwesten. Die bizarren Gipfel des Karwendels in einer Entfernung von rd. 25 km, die noch Detailansichten zuläßt.
Den Abschluß der Gipfelschau der hohen Gipfel bildet die Zugspitze in 57 km Entfernung, am nördlichen Rand des Bildes mit Blickrichtung Karwendel und im Norden klingen mit der Benediktenwand in den Bayerischen Voralpen die Berge aus.
Unsere Abfahrt erfolgte am Aufstieg. Der Scharteneinstieg ließ sich bequem befahren, Firnverhältnisse bis in die unbesonnten Teile der Scharte boten wenig Anstrengung.
Durch die schmalen Stellen herrschte oberflächlich weicher Schnee auf hartem Grund, der sich zwar als nicht besonders drehfreudig erwies, jedoch passabel zu fahren.
Im breiten Nordostkar dann erlebten wir wirklich tolle Firnabfahrten über steile Hänge. Allgemein auffallend am Firn des Winters 20/21 ist dessen ungenügende Grobkörnigkeit.
Möglicherweise liegt das an den ungenügend konstanten Frost/Tauwechsel der heurigen Saison, die einfach andere Alterungsformen hervorbringt, möglicherweise aber bildet sich der klassisch grobe Firma aber auch noch.
Selbst die untere Steilrinne ließ sich wunderbar befahren, mit Ausnahme der mittleren Stelle, die trotz der fortgeschrittenen Tagestemperatur und Strahlungsintensität im schattigen Teil gefroren blieb.
Bärig war auch die Abfahrt durch den unteren schmalen Teil des archaischen Tälchens zur Obingermoosalm hinaus, in dem es sowohl harte als auch aufgeweichte Passagen zu befahren galt.
Am Forstweg legten wir etwa 300 m Fußweg zu einer relativ freien Hangfläche zurück, die wir nutzten um zur Loipe zu gelangen, die wir etwa 300m in östlicher Richtung befuhren, bevor wir links hinab, nahezu ohne Anschieben bis zu den Fahrzeugen fahren konnten.
Die phantastische Schitour auf den Hochunnütz mit ihrem atemberaubenden Gelände absolvierten wir in knapp fünf Stunden mit allen Aufenthalten.
Der gesamte Aufstieg beträgt 1.080 m und die Streckenlänge bis zum Gipfel 3,8 km.
Mils, 28.03.2021