Ist die Zeit der Schitouren vorbei, keimt gleich der Wunsch auf die letzten Relikte des Winters – und hier vor allem die ordentlich steilen – in einer Kombination aus Bergsteigen und Schifahren zu nutzen. Figln – eine spaßige Sache gepaart mit Nervenkitzel in steilen Rinnen.
Das Halltal bietet eine Vielzahl von Figlmöglichkeiten. Zwei wohlbekannte Klassiker und zwei eher anspruchsvollere und weniger bekannte Figltouren sollen hier vorgestellt werden.
Figln durch die Nordrinne der Wildangerspitze:
Dies ist die kürzeste der Touren, sie ist auch leichteste vom Anstieg her. Vom Eingang ins Halltal beim Hackl werden ca. zweieinhalb Stunden bis zur Wildangerspitze benötigt. Der Steig auf das Törl sei plötzlich gefährlich geworden und ist deshalb –wie plötzlich so vieles im Halltal – gesperrt. Es wird hier nicht näher auf Sinn und Unsinn dieser Maßnahme eingegangen, im Vordergrund stehen heutzutage immer nur mehr rechtliche Aspekte, die in atemberaubender Geschwindigkeit in unser Land importiert und das Zusammenleben zunehmend unbefriedigender werden lassen.
Alternativ zum gesperrten Normalaufstieg auf das Törl steht der Anstieg über die Steinbergreise zur Verfügung. Man rechne dafür ein halbes Stündchen mehr und entscheide selbst welchen man nehme. Auch über die Thaurer Alm ließe sich zum Törl aufsteigen.
Vom Törl zur Wildangerspitze sollte man bei klarem Wetter auch im Mai nicht zu spät am Vormittag unterwegs sein, da der Aufstieg auf einem Südhang erfolgt. Zum figln eignet sich die Nordrinne meist aber auch etwas später am Tag, da sie weitgehend sonnengeschützt ist.
Während der Rast auf dem bequemen Bankl beim Gipfelkreuzchen können tolle Aussichten gen Nord und Süd genossen werden. Im Süden das frühlingshafte Inntal von Tuxern und Stubaiern begrenzt, im Norden die Gleirsch-Halltalkette mit ihrem mächtigsten Ausläufer nach Süden, der den Roßkopf – eine besonders schöne Felsgestalt im Halltal – trägt.
Genau so schön präsentiert sich dann die Abfahrt vom kleinen Schärtchen leicht westlich unterhalb der Wildangerspitze. Christian mit seinen „originalen“ Figln und ich mit den zufällig passenden Snowblades, die eigentlich für Schischuhe gemacht sind machten uns auf zur Abfahrt.
Weil meine schweren Bergschuhe einen Miniabsatz zwischen der Gummizehenkappe und der Sohle haben, rastet der Klappbügel der Bindung zufällig ein und bildet deshalb eine unbeabsichtigte Einheit. Massive Schläge hält die Paarung allerdings nicht aus und darum kommt es manchmal vor, daß mir ein Snowblade davon fliegt. Und weil ich schon einmal in der Pfeis einen 200Hm Abstieg zum wieder Einfangen eines solchen Ausreißers hinter mir habe, verwende ich seither Fangriemen aus Draht (die Verwendung von „Alpindraht“ habe ich vom Absamer und Besitzer des Knappenhäusls Karl Obleitner, einem versierten Erfinder rund um das Thema figln, gelernt).
Trotz fortgeschrittener Stunde ließ sich die Nordrinne wunderbar abfahren, vor allem der steile obere Teil war gut zu befahren.
Den Anfang eröffnete ich auf Wunsch von Christian, der ein paar Fotos schießen wollte, die auch gelungen sind. Ich blieb dann in dem mir als steilsten Bereich erschienenen Abschnitt mittig stehen und bannte seine Gleichgewichtskünste auf Fotos. Wer selbst schon einmal auf originalen Figln gestanden ist weiß wie sehr ein ausgeprägter Gleichgewichtssinn dafür notwendig ist. Da sind mir meine in etwa doppelt so langen Brettchen bei weitem lieber. Er machte seine Sache gar nicht so schlecht, stand gut auf den Aluprofilen drauf und landete nicht ein einzig Mal im Schnee.
Natürlich tat ich mich etwas leichter und vor allem die im Sommerschnee so ausgeprägten und lästigen kleinen Einbuchtungen in der Schneeoberfläche (Kryokonitlöcher bzw. Ablationsformen des Schnees) überfahren sich mit längeren Schi wesentlich besser als mit kurzen Figln.
Wir konnten die gesamte Rinne bis in den tiefsten Karboden abfahren, ein letztes schmales Band an Schnee war sogar noch im latschenbewachsenen Teil der unteren Stempelreisen vorhanden. Gut 400Hm beträgt die Abfahrt bis zur Halltaler Pfeis bzw. Issanger.
Genau zehn Tage später, bei der Figltour auf die Hintere Bachofenspitze zeigt sich die Rinne bereits bis weit hinauf schneefrei.
Figln im Stempelkar mit Anstieg über Latten-/Pfeiserspitze:
Der Klassiker im Halltal und eine sehr schöne und in der Abfahrt nicht so steile Figltour führt über die Lattenspitze und weiter über den teilweise versicherten Steig zur Pfeiserspitze, sowie über den leichten Grat hinab ins Kar oberhalb des Stempeljoches, von dem aus zum Stempeljoch abgefahren wird.
Der Anstieg zur Lattenspitze erfolgt im unteren Teil wie bei der vorgenannten Figltour auf die Wildangerspitze auf normalem Steige. Nach der Abzweigung des kurzen Anstieges zur Wildangerspitze muß eine meist sehr lange im Frühjahr schneegefüllte Rinne durchschritten werden. Dieses einzige Highlight des Anstieges bis zur Lattenspitze kann mit mehreren Möglichkeiten überwunden werden.
Der begeisterte Schneerinnengeher schlägt sich in der Direttissima mittig der Rinne seine Stapfspur bis oben hin, der Felsgeher packt sie rechts an der aperen schrofendurchsetzten Geländewand und der ängstlichere oder ökonomisch gehende Figler schlägt – wenn sich der ängstliche traut – seine Stapfspuren die schneegefüllte Rinne im unteren steilen Teil die wenigen Meter quer zur Rinne um die äußere, fast immer apere Begrenzung in Fels und Wiesenboden aufzusteigen. Alle Arten sind möglich, die erste ist nicht wirklich gefährlich. oben ein Foto der Rinne aus dem letzten Jahr.
Nach der Lattenspitze geht es über ein paar Gratrippen weiter zur Pfeiserspitze, die mit eine Luftlinienentfernung von 270m fast in Griffweite liegt.
Der Schöne Steig dorthin ist im Frühjahr oft noch mit Restschneefeldern gefüllt wobei diese manchmal etwas Geschick erfordern gequert zu werden, ohne hüfttief einzusinken oder etwas abzurutschen.
Um die Rippe zur letzten Scharte gibt es ein neues Fixseil dessen man nicht unbedingt bedarf. Der Aufstieg nach der Scharte zum Gipfelkreuz der Pfeiserspitze ist nochmals ein kleiner Klettergenuß. Das Gipfelkreuz wurde zwecks besserem Fundament vom scharfen Grat etwas weiter nördlich verlegt, was erklärt, warum die Gipfelbuchschachtel einige Meter weiter südlich am Grat befestigt ist.
Hinab ins Kar führt der neu versicherte Steig zunächst am leichten Grat, dann durch eine zunehmend brüchigere Rinne und zum Schluß durch splitterige Türmchen bis zum Ansatz des Schnees auf der Nordseite. Eine nette Passage.
Sodann erfolgt das erste kurze Figlstück, im besten Fall bis in die Nähe der Stempeljochscharte, im späteren Frühjahr aber nur bis zum Weg aus der Pfeis herauf.
Unterhalb der Stempeljochscharte befindet sich im Lee des Felskopfes darüber meist ein fast ebener Anschnallplatz, der auch eine gute sicht über die gesamte Abfahrt bietet.
Alternativ kann bereits oberhalb, beim Normalweg angeschnallt und abgefahren werden, dieser Einstieg ist noch einen Deut steiler als der vorher beschriebene. Ich nehme diesen aber nie, da ich weiß ob nicht Stahlstifte von der Wegbefestigung herausstehen.
Die Abfahrt durch das Stempelkar ist wirklich ein Highlight, es ist breit und bis zum Ende immer einsehbar und die Spur kann nach Belieben ausgewählt werden. Hier ein Video aus dem letzten Jahr:
Halltalrunde; über Hochmahdkopf, Zunterköpfe, Latten- und Pfeiserspitze zum Stempeljoch und abgefiglt.7 Stunden, 1.800Hm#halltal #karwendel #figln
Gepostet von Bergtouren Tirol am Freitag, 26. Mai 2017
Gesamt 500Hm Figlspaß bis zur Grube über dem Issanger und bei genügend Schnee sogar in diesen noch hinein. Beide Abfahrten bei dieser Tour sind weniger steil als von der Wildangerspitze.
Figln in den Jochreisen im Kar des Lafatscher Roßkopfs mit Anstieg über den Kleinen Lafatscher:
Anspruchsvoller als die vorher beschriebenen Figltouren. Der Anstieg auf den Kleinen Lafatscher ist weit schöner als das Kar unter Schnee hinauf zu stapfen. Diese Figltour erfordert etwas Klettergewandtheit und etwas Einfühlungsvermögen für die Routenwahl im Abstieg zur Scharte bzw. zum Joch im Grat vom Lafatscher Roßkopf zum Kleinen Lafatscher.
Am Eckpunkt des Grates, der vom Lafatscher Joch heraufzieht und sich fast auf Gipfelhöhe des Kleinen Lafatscher nach Westen dreht zieht der Grat zum Lafatscher Roßkopf hinunter. Der Höhenunterschied beträgt gut 100Hm.
In der AV-Führerbeschreibung kommt der Aufstieg mit einer Bewertung von III- weg, ich bin jedoch der Ansicht, daß diese kräftig überzogen ist. Selbst im Abstieg käme mir vor, ich hätte nie ernsthaft klettern müssen.
Die oberste schräge schuttbedeckte Platte wird mit Bedacht auf Reibung abgestiegen und in der Folge werden einige Zacken und Türmchen eher westseitig umgangen bzw. abgeklettert. Zu achten ist auf Schutt bei Tritten. Richtig ausgesetzt ist es nie. Nach meiner Einschätzung würde ich II- vergeben, bestenfalls II.
In der Einsattelung thront eine sehr mächtige Wechte, deren Dimensionen erst sichtbar werden, wenn man im ausgeaperten Gang zwischen ihr und der gelblichen Felswand bequem hindurch marschiert, um karseitig zum Anschnallplatz zu kommen. Schätzungsweise war die Wächte an ihrer Vorderkante 5-6m hoch.
Sich zwischen Fels und Schnee anzuschnallen war etwas mühsam, da die weggeaperten festen Schneepartien weiter außen lagen als ich die Schrittweite bemessen habe. Karls Alpindrahtfangriemen anzubringen war ganz schön anstrengend auf der schmalen Firnbank.
Nachträglich gesehen hätte ich die andere Seite der Wächte im Sattel nehmen sollen, dies wäre um einiges bequemer gewesen, weil ich dann direkt vom Grat abfahren hätte können.
Mit Respekt vor der übermächtigen Wechte ging es nun im Kar über die Jochreisen hinab und die Abfahrt war über ein paar alte, kleine Lawinen sehr gut möglich. Über knapp 500Hm beste Firnverhältnisse und erst in der flachen Mulde nördlich des Lafatscher Joches etwas Bremswirkung durch faulen Schnee.
Die Speckkarspitze gegenüber sieht aus der Perspektive in der Hälfte der Jochreisen recht imposant aus – dieser Blickwinkel mußte festgehalten werden.
Täuschend immer die Zeit für die Abfahrten. Inclusive Rüsten für die Abfahrt habe ich bis zur Ankunft in der Senke vor dem Lafatscher Joch lediglich 20min benötigt. Die Intensivität der Erlebnisse von Natur und figln jedoch vermitteln einen wesentlich längeren Eindruck des Erlebnisses.
Die obersten 100Hm der Abfahrt dürften die Steilheit der Wildanger Nordrinne besitzen, anschließend wird es deutlich flacher.
Figln in der Rinne zu den Bachofenspitzen und im Bachofenkar mit Anstieg auf die Hintere Bachofenspitze:
Für mich die Königstour im Halltal ist die Rinne zu den Bachofenspitzen. Sie ist lang und schwer, Klettererfahrung ist weniger erforderlich, sehr steile Aufstiege mit Steigeisen sollte man jedoch bereits absolviert haben. Die Rinne, die sich in etwa ab 2.400m leicht nordöstlich hinaufzieht trennt die beiden Bachofenspitze mit einer kleinen Einschartung östlich der schon im Bachofenkar drei markanten Felsköpfe und ist an die 150Hm hoch und unter Schnee teilweise an die 45° steil. Sie bildet auch den Sommeranstieg auf die Hintere Bachofenspitze aus dem Bachofenkar.
Momentan – per 31.05.2018 – liegt im Bachofenkar noch genügend Schnee für ein schätzungsweise ein bis zwei weitere Wochen durchgehenden Figlvergnüges bis knapp zum Wilde Bande Steig herab. Im Bachofenkar selber schätze ich wird man noch mindestens drei Wochen figln können.
Die sehr steile Rinne ist beim ausapern. Ihre momentan obere Begrenzung liegt bei der Engstelle, bei der im Sommer ein beherzter Kletterschritt über die 1,50m hohe Schluchtstufe vonnöten ist, also etwa 30Hm unterhalb der Scharte. An der Engstelle darunter ist sie noch ca. 1,50m breit mit Firn gefüllt.
Im Aufstieg habe ich gerne die Eisen benutzt, obwohl der Aufstieg auch rechts im Felsgelände möglich gewesen wäre. Schnee vor brüchigem Fels.
Die im Sommer ungeliebten letzten Meter vor der Scharte im Schutt blieben mir aber auch nun nicht erspart und so hantelte ich mich im rutschenden Schutt linkerhand bis zur Scharte hoch.
Der Übergang zur Hinteren Bachofenspitze ist bis auf ein 25m breites Schneefeld vor dem Gipfelaufbau bereits völlig schneefrei.
Bärige Aussichten auf die Halltal-Gleirschkette sowie den mächtigen Rosskopf und die weite Pfeis gen Süden, sowie auf den Karwendelhauptkamm sind bei gutem Wetter immer garantiert am Gipfel der Hinteren Bauchofenspitze.
Diesmal aber, vielleicht wegen der klaren Sicht hinab, hat mich auch der Blick auf die schon lange gehegte Erkundung der Hochflächen im Norden der Gleirschkette besonders fasziniert. Dieses aufgeschobene, zum Teil aus Raiblerschichten gebildete Pendant zum Mittelgebrige im Inntal muß unbedingt heuer erkundet werden.
Abgestiegen bin ich bis etwa 40m unterhalb des oben beschriebenen momentanen Schneeansatzes, also knapp über der Hälfte der Rinne. Dies um die Engstelle zu vermeiden, die mir aus einer brüchigen Schneedecke zu bestehen schien und in deren Bereich ich einen Sturz vermeiden wollte.
Ab der Hälfte allerdings war die Rinne gut zu befahren, sie machte Spaß und das Krascheln der Schi durch die Steinschläge war auszuhalten. Der untere Teil präsentierte sich weniger ruppig zum Fahren als der obere, weniger weiche Stellen waren zu durchfahren.
Im Bachofenkar angekommen bot sich ein imposanter Rückblick auf die Abfahrt in der Rinne. Durch die rasch wechselnde Bewölkung mußte ich einige Minuten warten um die Abfahrtsspuren halbwegs fotografisch in Sonnenlicht aufnehmen zu können.
Die weitere Abfahrt über die beiden größeren Steilstufen im Bachofenkar war traumhaft und so konnte ich ein kleines Video nicht lassen:
Am Ende des Kares kommt man dem „offenen Bach“ (daher der Name des Kares und der Gipfel) direkt nahe. Ich realisierte erst, daß ich gerade einmal 20cm verhärteten Firn zwischen mir und dem tosenden Schmelzbach hatte, als ich die Schistöcke einrammte und der linke der beiden durch die Firndecke ins Leere und einen halben Meter tiefer in das Bachbett stieß. Wie von der Tarantel gestochen verließ ich die Schneefläche, durchnässte Bergschuhe konnte ich nicht bauchen, die Abfahrt ging ja weiter.
Direkt am Wilde Bande Steig angekommen marschierte ich rund eine viertel Stunde taleinwärts bis knapp vor das Stempelkar, um dort noch ein durchgehendes Schneeband vom Kälberkar herunter bis zu den Stempelreisen abzufahren und um wieder am bereits beschriebenen Issanger zu landen.
Diese schöne und lange Figltour bietet eine gesamte Abfahrtsstrecke über rund 900Hm, 500m im Bachofenkar und 400Hm im Stempelkar.
in jedem Fall sollte man bei dieser Figltour Steigeisen mit dabei haben. Der Steilheit wegen.
Der Zeitbedarf vom Hackl bis zum Gipfel betrug viereinviertel Stunden, der Rückweg ist in etwas mehr als drei Stunden machbar. Der gesamte Aufstieg beträgt 1.940m.
Zu jeder beschriebenen Tour gibt es noch mehr Fotos in der Galerie.
Mils, 01.06.2018