Am Beginn des zweiten Drittels der Gleirsch – Halltal Kette gelegen ist die schroff aufragende Kaskarspitze, eingebettet zwischen den Praxmarerkarspitzen und der Sonntagskarspitze, über einen Normalweg erreichbar, der als solcher in der AV-Karte eingetragen ist.
Die Kaskarspitze stellt den Ausgangspunkt unserer Gratüberschreitung bis zur Hinteren Bachofenspitze dar. Letztere ist ein bergsteigerisch strategischer Punkt, da mit dem Erreichen der Hinteren Bachofenspitze auch ein Abstieg in das Halltal möglich wird, ohne daß man noch ein Joch überschreiten muß.
Die gesamte Tour ist aussichtsreich, an jeder Stelle sehr schön und für den Freund von Gratklettertouren empfehlenswert.
Andi und ich starten vom Wandererparkplatz im Wald über Thaur, den man erreicht, wenn man nach dem Hotel Stangl die Langgasse so lange weiterfährt bis man ansteht. Eine tolle Anlage für die nichts zu berappen ist und zu der man der Gemeinde Thaur nur gratulieren kann.
Von dort nehmen wir den Aufstieg zur Thaurer Alm und passieren diese zu einer Uhrzeit bei der man noch keiner Einkehr bedarf. Nach der Thaurer Alm geht es ein paar Minuten eher flach weiter Richtung in Richtung Westen, bis rechts der Steig zum Kreuzjöchl abzweigt.
Dieser Steig ist schlängelt sich mit zunehmender Steilheit bis über die Baum- und später Zunterngrenze empor. Ein schöner, anregender Anstieg, man kann im Morgenlichte das Inntal gut überblicken. Nach dem Passieren der blanken Felswand „Hale Wand“ (hal für glatt, rutschig, nichts mit dem griechischen Wort für Salz gemein) und eine leicht felsdurchsetzte Rippe hinaufgestiegen, erreicht man die flacheren Böden um das Kreuzjöchl und hat zum ersten Mal das Ziel, die Kaskarspitze mit ihren gewaltigen Nachbarn vor Augen.
Nun geht es – leider wird mancher sagen – recht genau 300Hm abwärts, vorbei an der Pfeishütte, bei der die letzte Möglichkeit zum Nachtanken besteht bis zur auffällig gekennzeichneten Abzweigung auf rd. 1.840m (Vorsicht: nicht die ca. 100Hm höher gelegene Abzweigung ins Sonntagskar nehmen), siehe Fotos in der Galerie.
Nan dieser Erholungsstrecke steigt man nun wieder mit der typisch für das Karwendel anstrengenden Steigung über die vorstehende Steilstufe vor den Karen auf. Der breite Steig – Autobahn würde der Kletterer sagen – zieht sich die nächsten rd. 200Hm in Zuntern und über trockene Wasserrinnen bis in den untern Karboden und eröffnet wunderbare Blicke auf die tief eingeschnittenen senkrechten Platten der nahen Grubreisentürme hinter dem Hafelekar. Da das Wetter klar war konnten wir die Einschnitte und tiefen Kamine gut ausmachen.
Im Kaskar zieht sich der Steig dann in leichtem Auf und Ab bis in den hinteren Teil, wo er dann steil wird und man über kurze Reisenpassagen, im Pilgerschritt immer etwas zurückrutschend, bis zu den festen Felspassagen aufsteigt.
In den Felspassagen angekommen geht es dann in Serpentinen weiter. Über gestapelte, mehrere Meter mächtige Platten, deren äußere Abbruchbänder nutzend, steigt man weiter und ich hatte manchmal den Eindruck an derselben Stelle schon vorbei gekommen zu sein.
Abwechslung bietet dann, ca. 200m unter dem Gipfel, eine etwas steilere Rinne, der man ca. 20Hm folgt, um dann wieder nordostwärts über dieselben Platten weiter steigt und die orangefarbene Scharte, ca. 50Hm unter dem Gipfel erreicht. Von dort geht es teilweise im schlechteren, vom orangen Störzonenmaterial durchzogenen Material, in größerem Abstand vom Grat auf den Gipfel.
Das Gipfelbuch ist im September 2014 erneuert worden und der Querbalken des Gipfelkreuzes wurde Jahre vorher von Sepp Neuner repariert. Das öfters in der Literatur beschriebene Totengedenkbuch der Karwendler wird nicht in der Nische am Gipfel verwahrt.
Der Ausblick ist gewaltig und die scharf endenden Platten am Grat, sowie die brüchigen Türme unterhalb des Gipfels der Kaskarspitze in Richtung Praxmarerkarspitze gesehen lassen Lust auf diesen Teil der Kette aufkommen. Diese Passage wird bald erkundet lautete der einstimmige Beschluss.
Nun zum Hauptteil der Tour, der Gratüberschreitung:
Von der zuvor beschriebenen Scharte vor dem Gipfel der Kaskarspitze beginnt die Überschreitung zuerst recht einfach und gemächlich aufwärts und anschließend bis zur tiefsten Einschartung mit zunehmender Herausforderung an die Intuition, jede Passage direkt zu überklettern, oder sie ausschließlich südlich zu umgehen. Wir hielten es teil so, teils anders, wenn kein Steinmann zu sehen war.
Auf diesem Teil gibt es wenig Herausforderung an echte Kletterkunst, die Schwierigkeitsbewertung II trifft für die zu überkletternden Köpfchen zu, oft ist es leichter bzw. kann auf Bändern umgangen werden (siehe Fotos).
Eine Stelle, die von der Ferne zunächst etwas schwierig aussieht entpuppt sich als recht leicht kletterbare Stelle, wenngleich man auch eine recht ausgesetzt nördlich verlaufende Aufstiegsroute wählen muß.
Weiter geht es über die geneigte Terrasse hinab, bis man vor der nächsten Großplatte steht, ungefähr zehn bis zwölf Meter mächtig, oder einige Jahrmillionen hoch.
An diesem Stock erblickt man am breiten, bequemen Band einen Steinmann in weiter Entfernung. Wir sind also diese Richtung gefolgt und konnten eine gute Strecke lang die Trennschicht der Urzeiten abschreiten, besser absteigen, am Steinmann vorbei (wir haben ihn in seiner Größe ein wenig aufgepäppelt) und über eine folgende Ausbuchtung auf eine Stelle, an der wir im schleifenden Geländeschnitt mühelos wieder aufwärts zur bereits ziemlich nahen, tiefsten Einschartung gelangt sind. Auf den Fotos vom Rückblick kann man dieses geschlängelte Band deutlich erkennen.
Von der tiefsten Scharte geht es dann in durchgehend größerer Steilheit als der Abstieg am ersten Teil am schärfer werdenden Grat hinauf und in diesem Teil sind auch einige IIIer Stellen, wie der Karwendelführer (Klier, 1996) die Tour einstuft.
Zwei Stellen sind erwähnenswert:
Eine davon, die erste, haben wir, wie der Führer es auch beschreibt, rechts, südlich umgangen und mußten oben feststellen, daß wir dadurch höchstwahrscheinlich keine Erleichterung hatten.
Die von uns gewählte Route war klettertechnisch nicht leicht, also III könnte man schon sagen, die Route am direkten Grat war brüchiger, verlief dafür aber in einer Rinne mit hoher Flanke zur Nordseite des Grates, also relativ gut geschützt. So sah die Situation von oben im Rückblick aus (siehe Fotos).
Jedermanns subjektive Einschätzung wird hier den Weg weisen.
Die andere, ich würde sagen sie stellt vielleicht die Schlüsselstelle dar, ist eine noch weiter nördlich, also schärfer am Grat, zu nehmende Stelle, die aber leichter kletterbar ist als man von unten vermuten würde.
Sie besitzt recht große Stufen, die als Tritte aber auch als Griffe perfekt sind und die Felsqualität ist besser als man vermuten würde. Sie ist ausgesetzt und flößt daher im ersten Moment erhöhten Respekt ein. Oben klingt sie weich verlaufend aus und es gibt einen, von unten leider nicht einsehbaren Steinmann.
Ab dort ist der im gesamten Verlauf noch steiler werdende Grat recht leicht zu packen und kann als max. II eingestuft werden.
Ein glatter Aufschwung wird rechts im Riß elegant umgangen – vielleicht bei der Zweitbegehung schon direkt – danach sind es noch zwei Dutzend Höhenmeter bis zum schon lange zum Greifen nahen Gipfelkreuz der Sonntagskarspitze, ohne erwähnenswerte Stellen mit klettertechnischen Schwierigkeiten.
Nachträglich gesehen würde ich den Grat in seiner Gesamtheit nicht schwieriger einstufen als den nun folgenden Grat von der Sonntagskarspitze zur Hinteren Bachofenspitze.
Nach einer kurzen Rast gingen wir die Sache an und alle Interessierten mögen sich eine genaue Beschreibung hier ansehen, diese haben Manuel und ich 2014 absolviert.
Nach der Hinteren Bachofenspitze haben noch den westlichen Gipfel der beiden vorderen Schwestern derselben gemacht und uns wieder einmal in das tolle Gipfelbuch aus den frühen `70ern eingetragen.
Die Abstiegsroute bildete dann noch das lange Kar, das sich von der östlichen der Vorderen Bachofenspitzen in das vordere Bachofenkar hinabzieht und über meine Route über den alten Steig über den „Kohlris“ stiegen wir in die Halltaler Pfeis ab. Von dort über die Fahrstraße zum Hackl und – in modernen Zeiten nobel unterwegs – per Automobil zum Parkplatz nach Thaur zum anderen Automobil.
Mils, 23.08.2015