Imposant sieht er aus der völlig freistehende, massiv bankig erbaute Guffert, oder die Guffertspitze, wie der Berg auch genannt wird. Von Karwendel und Rofan aus wird der Guffert trotz seiner unspektakulären Höhe, als freistehendes Massiv jedoch herausragend, als unübersehbares und magisch anziehendes Ziel mit wohlgestaltetem Bau wahrgenommen. Ob seiner Höhe für den Bergsteiger allemal ein Ziel für den Spätherbst, auch noch nach launischen Feldzügen von schattseitig dauerhaft das Gelände beherrschenden Schneefällen gegen den besiegten Sommer.
Der Guffert bildet ein eigenes Massiv, wobei man eher von einem Kamm als von einer Gebirgskette sprechen kann. Er geizt auch nicht mit landschaftlichen Reizen, und wer darüber hinaus ein wenig geologisch interessiert, der wird spannende Literatur vorfinden, die dem alpinistisch leichten Ziel Würze und für den Anspruchsvollen Würde verleihen.
Der Kamm klingt nach Osten ab und die einzigen Gipfel sind die beiden Guffertgipfel, der Westliche (nicht benannt, jedoch nach der Schartenhöhendefinition klar ein Gipfel) und der Hauptgipfel. Tektonisch gesehen gehört er der sogenannten Achentaler Schubmasse an, geologisch gesehen wird er im Süden vollständig aus Wettersteinkalk gebaut, der Sockel aus dickbankigem Riffkalk, der Gipfel aus lagunärem Wettersteinkalk, den man bereits vom Tal aus eindrucksvoll studieren kann und auf dessen Bänken sich der stufenartige Aufstieg am Grat vollzieht.
Seine Bezeichnung reicht weit zurück, ein von Finsterwalder1 zitiertes schriftliches Vorkommen findet sich bereits bei Peter Anich » bei Anich steht dort „Gufelberg“; demnach ist Guffert der „guflet Berg“, „Berg mit Gufeln, Höhlen“ was beim Guffert wohl zutrifft « so Finsterwalders Ausführungen.
Die Runde gegen den Uhrzeigersinn über den Guffertstein besitzt den Charme, daß man beim Aufstieg bis hinter die Senke zwischen Guffert und Guffertstein völlig allein unterwegs ist, weil der gebräuchlichere Anstieg über das steilere Südkar führt, die meisten Tourenberichte diesen beschreiben, und die Variante über den Guffertstein erst als Abstieg erwähnen. Der Abstieg über den Guffertstein ist auch länger, da er zunächst weit nach Südosten auf den Rücken des Guffertstein führt und dann in großem Bogen über die Luxeggalm, hinab nach Vordersteinberg, zurück zum Parkplatz.
Die Asphaltstraße gleich nach den Häusern in Vordersteinberg hinter sich gelassen, befindet man sich auf einer Forststraße, die nach zwei Minuten in den Wald verlassen wird. Am Herbstvormittag zunächst etwa eine gute Viertelstunde im Schatten, dann durch die Bäume schleifend hindurch unter Sonne erreicht man ein Plateau mit einem Schotterweg, auf dem östlich zu Almen abgebogen werden kann.
Der spitze Stein mit der Markierung links neben dem Weg ist ein erratischer Block, kristallines Gestein, das die Eiszeiten von den südlich vom Inn situierten Tuxer oder Zillertaler Alpen herübergetragen haben.
Es folgt ab dieser Stelle ein Aufstieg nur noch in Sonne mit schönen Waldpassagen. Auf einem Flachstück befindet sich rechts am Steig eine Art Aussichtsfelsplateau, das sofort ins Auge sticht und mit einem Ausblick auf die östlichen, zahmen Brandenberger Gipfel aufwartet. Ein noch grandioser Ausblick besteht auf die beiden Kaisergebirge links davon, mit ihren höchsten Erhebungen in 36 und 38 km Entfernung.
Zur Luxeggalm beschreibt der Steig ab dieser Stelle einen großen Linksbogen. Die AV und Outdooractive Karten zeigen eine Abkürzung, die bereits vor dem Flachstück links abgezweigt wäre, die uns aber nicht ins Auge gestochen wäre. Oben, auf dem flachen Stück zur Luxeggalm konnten wir keine Einmündung der Abkürzung erkennen, möglicherweise sind die Abzweigungen zugewuchert. Nebenbei ist es die etwas längere Variante landschaftlich auch wert einige Minuten mehr dafür zu benötigen.
Kurz vor der freien Almfläche, die man unter etwas Höheneinbuße nach dem Linksbogen erreicht, wird die Guffertspitze wieder gesichtet, nachdem sie seit Vordersteinberg hinter den Rücken verschwand.
Die Alm scheint nur eine reine Viehweide zu sein, vielleicht wurde sie auch schon aufgelassen, jedenfalls existieren im November keinerlei Zeichen von Bewirtschaftung mehr. Eine einzige Hütte befindet sich auf dem kleinen Gelände und diese wird links liegen gelassen, während der Steig am Nordostrand der Freifläche auf den Guffertstein hinaufzieht.
Der Steig wird im Almbereich wieder steiler und erreicht mit etwa 100 Hm Aufstieg das Südeck des Plateaubereiches des Guffertsteins. Der Hochpunkt selber befindet sich gut 300 m weiter nordwestlich in Richtung Guffertspitze. Dorthin bildet sich eine leichte Senke von knapp 20 m Höhenunterschied bis zum Sattel rechts neben dem Hochpunkt beim Wegweiser.
Weiters folgt ein Abstieg über 115 m in den Graben, der den Guffertstein vom Guffertmassiv trennt. Entlang des Grabens findet sich nicht nur die unergiebige Schmiedtquelle, sondern ebenso einige Schächte, von denen zwei ob ihrer Dimensionen Bekanntheit erfahren haben und denen durch Uran/Thorium-Untersuchungen ein Alter zwischen um und über eine halbe Million Jahre bescheinigt wird.
Wir haben am Abstieg eine Schachthöhle an ihrem Rand besichtigt und festgestellt, daß sie von tektonischen Prozessen geprägt ist und wenige Meter untertage von Schnee und Eis gefüllt ist. Es dürfte sich dabei um den tiefsten Eisschacht im Graben südwestlich der Schmiedtquelle handeln, der vom Steig aus sichtbar ist.
Gleich jenseits des Grabens leitet der Steig zum Vereinigungspunkt mit dem Steig aus dem Südhang des Guffert, dem Normalaufstieg von Steinberg, hinauf. Im anschließenden Abschnitt schlängelt er sich zwischen einem Karsttal links und Latschen rechts stufenartig auf einen flacheren Abschnitt. Die Oberflächen der Felsen dort zeigen ausgeprägte Rillen- und Rinnenkarren (Verwitterungserscheinungen durch Lösung des Gesteins), die ins Auge fallen. Über solche Oberflächen, auf denen auch eiszeitliche Gletscher ihre Spuren hinterlassen haben, erfolgt der Aufstieg bis zum sich ausbildenden Ostgrat der Guffertspitze.
Eine Viertelstunde später wird ein abflachender Rücken erreicht, der an den Ostgrat heranführt. Er ist mit einer vollständigen Bergwiese überzogen und fällt im Süden steil in das Kar ab, mit einer schön anzusehenden Abbruchkante von der zimmergroße abgetrennte Felsblöcke nur kleine Strecken zum Abgrund zurückgelegt haben. Möglicherweise durch Erosion des Untergrundes abgebrochene Plattenkalkbänke.
Starker Föhn ließ uns am Gipfelaufbau zu Bekleidung in den Rucksack greifen und dieser wurde in der folgenden Ostflanke, die sich hinter der Gratwulst eines gewissen Schutzes erfreut, etwas abgeschwächt. Dort verläuft sich der Steig, bei nicht exakter Betrachtung in einigen Einzelrampen, vielmehr Rinnen, denen beliebig gefolgt wird, wie auch wir es handhabten. Steinschlag aufgrund der Hangneigung ist in dem etwa 50 Hm messenden Abschnitt bei hochfrequenter Begehung durchaus zu beachten.
Am oberen Ende wird der direkte Gipfelgrat erreicht und dessen Aufbau formt sich allein zwischen Süd- und Nordflanke aus, die beide extrem steil auf jeweils breitere Bänke abbrechen, stufenartig, mit senkrechten Bankabschnitten.
Der Gipfelgrat erweist sich stets breit, er ist ohne Schneeauflage leicht zu begehen und die einzelnen Stufen sind, gegebenenfalls mit dem Einsatz der Hände, ungefährlich für den sicheren, schwindelfreien Geher.
An einigen Stellen kann im Süden ausgewichen werden, wobei der Gratfreund diese Passagen auf ihrer Höhe begehen wird. Kurz vor dem unmittelbaren Gipfelplateau leitet ein Bergwiesenabschnitt auf die letzten felsigen Bänke über, die diesen schönen Gipfel bilden.
Aufgrund des starken Föhns zogen wir es vor etwa unterhalb des Gipfels zu lagern. Die Bank auf der wir saßen bot Schutz von dem Föhn, sodaß wir nahezu windgeschützt die Gipfelpause verbringen konnten und die gierig dreisten Dohlen ihre Flugkünste vollführten, sobald ein Brotstück in die Luft geworfen wurde.
Der kaum durch Luftfeuchtigkeit getrübte herbstliche Blick auf die Umgebung darf als großartig beschrieben werden. Zunächst bestechen die im unmittelbaren Westen gelegenen Unnutze mit ihren rassigen Schitourenanstiegen aus dem Nordosten und der schmalen Rinne auf den Grat. Dahinter das Karwendel mit dem auf den Achensee aussichtsreichen Gipfelpaar Seebergspitze und Seekarspitze sowie der interessanten, spitzen Montscheinspitze und den hohen Karwendelgipfeln leicht recht von ihr, unvergessliche Bergtouren, auf diesem Blog beschrieben.
Direkt hinter dem Köglalmsattel südlich des Vorderunnutzes in südwestlicher Richtung blicken die Stubaier Alpen durch und zwar unverkennbar das Zuckerhütl und der Wilde Freiger in 80 km Entfernung,
Im Südosten befindet sich der Großglockner in 86 km Entfernung und südlich reihen sich Gipfel des Zillertaler Hauptkamms hinter den großen Erhebungen des Rofan, die mit dem Sagzahn, der Rofanspitze und der Hochiss beste Kletterberge und auch touristisch leicht erreichbare Ziele darstellen.
Der Abstieg am Normalaufstieg führte uns über latschenbewachsene Karstflächen und fast hätten wir durch Zufall den Kuntscher Eisschacht aufgefunden. Anstelle dessen entdeckten wir an der langen Passage, an der der Steig oberhalb des Trennungsgrabens zwischen Guffertstein und Guffertmassiv parallel entlang führt, den Eisschacht, den wir besuchten.
Sehr viel von seiner Tiefenausdehnung konnten wir nicht einsehen, da wir keine entsprechende Ausrüstung mit hatten. Schnee um den unbeleuchteten Schachtkopf herum behinderte tiefere Einblicke, die auch über einen Seitenschlot nicht eindeutig erkennbar wurde. Die Schneelage vermittelte jedoch gut, warum hierbei von einem Eisschacht gesprochen wird.
Der Eindruck, sich in einer tektonischen Verbruchszone zu befinden, stieg mit der Entdeckung von Karstmarken wie Trittkarren auf einfallenden Blöcken am Schlottrichterrand, eine höchst interessante Linie.
Der Abstieg in das Südkar des Guffert führt zunächst durch Latschen über einen interessanten Felssporn aus bestem Wettersteinkalk auf dessen Unterkante – ein Klettergarten, wie anhand der Bohrhaken ersichtlich ist.
Weiter schlängelt sich der teilweise steile Steig in die Tiefe und erreicht nach einer guten halben Stunde, etwa knapp unterhalb von 1.400 m den dichten Wald. Von dort führt der Steig teilweise über einen Forstweg hinab zum Parkplatz.
Die landschaftlich großartige Rundtour über den Guffertstein auf den Guffert, mit allen Pausen und zurück zum Parkplatz in Steinberg, benötigt sechs bis sieben Stunden (ohne Umweg über den Eisschacht).
Die Strecke beträgt 11,5 km, der Aufstieg 1.350 Hm und beim durchschnittlichen Aufstiegsobjekt von 80kg Masse wird reine Hubarbeit von 1060 kNm verrichtet, welche, physikalisch gesehen, in Steinberg angekommen, zur Kompensation ohne Energiespeicherung (=Gewichtszunahme, nicht -tsunami!) ein großes Bier als Belohnung bedeutet. Nicht mehr – kein Kuchen und schon gar kein Schnitzel, geschweige denn Pommes Frittes – aber auch nicht weniger. Der Abstieg, der, im Gegensatz zur Physik, für uns zum Glück einen Energieaufwand bedeutet, wurde dabei vernachlässigt. Möglicherweise ist damit der Kuchen, oder ein Kinderwiener drin?
Mils, 13.11.2022
1 Finsterwalder: Tiroler Ortsnamenkunde Bd. 2, S. 754