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Schihochtour Monte Cevedale und Zufallspitze vom Martelltal

Beide Gipfel im Grenzgebiet zwischen Südtirol und der Provinz Sondrio (Region Lombardei) gelegen bilden eine klassische Runde als Schihochtour – wir unternahmen die eindrucksvolle Runde mit Anstieg auf den Monte Cevedale und weiter zur Zufallspitze mit Abfahrt über den Fürkeleferner.

der Autor am Monte Cevedale, 3.769m

Das Martelltal – seine Namensgebung verdankt das topografisch imposante, 27km lange Tal höchstwahrscheinlich den Bergbauaktivitäten im 15. und 16. Jhdt. und durch den Begriff des Schlägels, vom lateinischen „Martellum“, dem Hammer der Bergknappen dürfte sich der Talname ableiten – ist heutzutage leider viel zu schnell durchfahren, um das Ziel als Ausgangspunkt der Tour, den Parkplatz zwischen den Gasthöfen Enzian und Schönblick zu erreichen.

Abmarsch vom Parkplatz Richtung Zufallhütte

Ohne körperliche Anstrengung werden bei der Anreise mit dem Fahrzeug aus dem Vinschgau in kürzester Zeit 1.350Hm zurückgelegt – von Kote 700m bis auf 2.050m, von der aus die eindrucksvolle Rundtour über zwei Gletscher und zwei nennenswerte Gipfel mit bewegter Geschichte an deren Gletschern gestartet wird.

netter Anstieg durch Lärchen- und Zirbenwälder

Wer gegen Mittag am Parkplatz eintrifft findet schon wieder Platz, da die meisten örtlichen Bergsteiger bereits zurückkehren, so ist es uns ergangen. Ohne Hast am Vormittag gestartet erreichten wir gegen 12:30 den Parkplatz und stiegen bei herrlichem Wetter im leichten Shirt durch den Zirbenwald zur rund 200Hm höher gelegenen Zufallhütte auf.
Die Bezeichnung „Zufall“ für Hütte und dem langen Ferner wurde abgeleitet von einem Wasserfall der „dem Tal zu fällt“, entnimmt man der Literatur.

phantastisches Martelltal

Die Zufallhütte eignet sich gut als Ausgangspunkt bei einer Spätankunft, da der Aufstieg dorthin sehr kurz ist und bei später Ankunft auch ein Parkplatz gefunden werden sollte. Die Tour von hier würde dann mit 1.700Hm eine lange sein.

Zufallhütte, 2.265m

Oberhalb dieser Stufe wird das Tal flach. Links erblickt man die 1891/92 errichteten Schutzbauten – einen massiven Steindamm – gegen den zu schnellen Abfluss der Wässer des Plimabaches, rechts davon erfolgt der Aufstieg bzw. die Flachstrecke vor der knapp 300Hm messenden Steilstufe auf den Ansatz des Zufallferners mit der geschützten Martellerhütte am Plateau unterhalb der Konzenspitze.

welche Pracht, der Zufallferner mit der Zufallspitze am Ende des Martelltales

Ab dieser Stufe zieht der lange, flach steigende bis mäßig steile Anstieg zur Casatihütte hinauf.

in der Steilstufe unterhalb der Martellerhütte

Spätestens nach einer halben Stunde auf dem klassisch monotonen, aber dafür sehr ruhigen Gletscheranstieg beginnt das sich ungewohnte Gewicht des Rucksackes mit begleitenden Kopfrechnungen über die bereits zurückgelegten Höhenmeter in das Gehirn einzuschleichen und dadurch treten die mittlerweile schmerzenden Achseln deutlich unangenehm dauerhaft ins Bewußtsein. Knapp vor der Geländekante auf ca. 2.750m mußte die vereinbarte Übergabe des Seiles eingefordert werden, um den gut 25kg schweren Rucksack spürbar zu erleichtern.

Am Zufallferner angelangt

Mit verminderter Nutzlast wurde der Anstieg über die restlichen 500Hm zumindest für meine Schultern leichter erträglich. Gesamt sind vom Parkplatz bis zur Casatihütte 1.230Hm zu überwinden, der Scheitelpunkt liegt bereits vor der Hütte, die auf 3.254m leicht tiefer liegt.

der Rucksack mit ungewohnter Beladung macht sich bemerkbar

Am Scheitelpunkt rechts (nördlich) dem langen, breiten und durchaus beeindruckenden Zufallferner, der zu Anfang April noch vollkommen schneebedeckt ist, im Sommer aber durchaus Spalten aufweist, wie die Bilder in der Galerie (aus der Webseite der Gemeinde Martell, siehe Bildergalerie) aus 2014/15 zeigen gelegen, befindet sich die Felsklippe „Tre Cannoni“ unterhalb des Gipfels des Eiskofel auf 3.275m.

Dreitausender um das Martelltal – hier der südöstliche Kamm

Die Namensgebung des eisfreien kurzen Kammes am Rande des Geländeabbruches zum Langerferner hinab birgt dunkle Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg, die sich dieser Tage zum hundertsten Male jährt.

die Felsklippe „Tre Cannoni“

Auf dem Kamm befinden sich im Abstand von etwa 60m, leicht tiefenversetzt, drei Haubitzen italienischer Provenienz, die die Kaiserjäger an einer der Isonzoschlachten erbeutet haben und hier zum Beschusse wichtiger Übergänge in der Ortlergruppe auf diese kleine, eisfreie Geländekante verbracht haben.

läßt staunen obwohl davon bei den Vorbereitungen gesprochen wurde – die erste der drei Haubitzen

Bei erster Betrachtung der unglaublichen Begegnung kann die auffallend massive Erscheinung – die Dimension des Gewichtes – der rostbraunen Ungetüme gar nicht richtig eingeschätzt werden; die Rohre sind um einiges gewaltiger als die leichten PAK, die ich 1982 als Nachschubs-UO-Gehilfe in der Wattener Lizum betreuen mußte und ihre Erscheinung ist auf diesem besonderen Platz in einer gewissen Weise befremdend.

die Dimension der Waffe – gewaltig!

Der Text auf einer mehrsprachigen Informationstafel läßt grausame Bilder – die jeder lebende heute nur mehr aus den Medien kennt – vom Großen Krieg aufkommen; nach einem kurzen Moment fängt man sich glücklicherweise aber wieder und strebt dem flachen Gipfel des Eiskofels zu.

die Geschichte der drei Haubitzen – die Idee heute fast unvorstellbar

Vom Gipfelkreuz des Eiskofels bis zur Casatihütte brauchten wir nur mehr die 20Hm hinab zu gleiten und über ein paar Rippen erreichten wir gegen 17:30 die Hütte.

Stimmung gegen 17 Uhr am Scheitelpunkt des Zufallferners, kurz vor unserem Ziel, der Casatihütte

Die Casatihütte wird von zwei Brüdern betrieben und befindet sich seit vielen Jahren in Familienbesitz. Mit der Bergsteiger-Halbpension haben wir 60.-/Mann bezahlt. Als Tipp kann gegeben werden, daß eher Wein als Bier getrunken werden soll.

Casatihütte, 3.254m

Einerseits ist die Handhabung des Zapfhahnes eher schwierig, andererseits ist der Wein von guter Qualität und auch wesentlich günstiger.
Das Abendessen traditionell italienisch mit Nudeln als Vor- und mehrere Scheiben dünn geschnittenen Bratens als Hauptspeise – einwandfrei.

Abendstimmung vor der Casatihütte Richtung Südosten

Am nächsten Tag um sieben gibt es ein ebenso traditionelles italienisches Frühstück mit Weißbrot, Schinken, Käse und das süße Zeug.
Beim Frühstück freuten wir uns über den schönen Tag, der nicht nur angesagt war, den wir auch außerhalb der Hüttenfenster erahnen konnten, indem die Sonne den recht dunklen Gastraum erhellte.

Abmarsch die Erste

Wie immer, um mit einer gewissen Eile als erste von der Hütte wegzukommen, waren auch wir beim Frühstück kurz angebunden und erledigten rasch die Vorbereitungen zum Abmarsch.
Außerhalb der Hütte blies uns dann ein starker Wind um die Ohren, wenn auch nicht kalt, aber doch recht unangenehm. Der Blick zum Cevedale war mit einem Schlag keine Freude, denn von Südwesten her hat sich innerhalb der 40min für Frühstück und Vorbereitungen dichter Nebel um den Gipfel gehüllt, der lange flache Anstieg war kaum mehr sichtbar.

innerhalb von Minuten keine Sicht zum Cevedale mehr

Ohne großes Zögern stiegen wir aber von der Hütte auf, mit untereinander unausgesprochener Gewissheit, daß der Nebel sich verziehen würde, unbeirrt dem Wunsch folgend, das Ziel zu erreichen.
Spuren vom Vortag waren teilweise sichtbar, am Gletscher dann nicht mehr. Somit wurde die Navigation zu Hilfe gerufen und wir konnten noch 10min weiter aufsteigen, bis die Sicht dermaßen schlecht wurde, der Wind nichts an Fahrt verlor und der Nebel eher stärker wurde, daß wir beschließen mußten umzudrehen. Dies bereits nach ca. 200Hm und mit großem Unmut.

eine Stunde später Hoffnung durch Aufklaren aus Süden

Weil man aber am Berg auch warten können muß, lautete die Vorgangsweise eine Stunde zu warten und wenn sich keine nachhaltige Besserung einstelle, dann wird ein niedrigeres Ziel angepeilt. Dies deshalb, weil der Nebel nicht in die Tiefe vordrang und unterhalb ca. 3.300m die Sicht auch akzeptabel war.

nun sichtbar – links Zufallspitze, rechts Monte Cevedale

Sehnsüchtig an den Fenstern in der Hütte deutete jeder Einzelne von uns die kleinste Bewegung des Nebels in die eine und in die andere Richtung, meist ins Positive.

Anstieg von der Hütte über einen Gletscherrücken

Tatsächlich mußten wir keine Stunde warten bis sich von Südwesten unter Anhalten des Windes nachhaltige Besserung der Situation einstellte, sich der Nebel komplett verzog und die Sonne wieder zum Vorschein kam.

immer noch starker Südwind, jedoch erträglich kalt

Wir warteten das vollkommene Aufreißen der dichten Nebeldecke gar nicht richtig ab sondern bliesen zum Sturm auf den Gipfel und verließen die Hütte, wie auch andere Gruppen, die ebenfalls nach uns abgebrochen hatten.

ein gewaltig breiter Gletscher

Nun waren wir bei weitem nicht mehr die Ersten am Gletscher, einige Gruppen von der Martellerhütte und über den Langerferner herauf waren bereits vor uns angestiegen und säumten die Aufstiegsroute.

wir nähern uns dem Schidepot

Dies konnte unsere wiedergewonnene Freude aber keineswegs trüben. Spürbar akklimatisiert schien das Gewicht des Rucksackes keine so große Belastung mehr zu sein, als am Vortag.

einige Gruppen vor uns

Das Schidepot befindet sich eine einzige Spitzkehre auf dem Gipfelaufbau hoch gelegen. Von dort konnte nach links der Aufstieg über eine schmale Schneerinne durch die darüber und darunter gelegenen Eisfelder zur Zufallspitze genommen werden, oder rechts zu unserem Ziel, ein längerer Anstieg durch kurze Eispassagen auf den Sattel vor dem Cevedalegipfel.

Steigeisen – wozu haben wir sie mitgebracht

Wir beschlossen wie die meisten anderen mit Steigeisen weiter zu gehen. Die Schi wurden mitgenommen, da der Plan war, nach der Ersteigung der Zufallspitze über den Fürkeleferner wieder in Richtung Martellerhütte abzufahren.

an Hilli sieht man die Temperatur am Nordhang des Cevedale, der Wind noch ungebrochen

Vorweggenommen sei, daß es die Steigeisen nicht gebraucht hätte. Der Anstieg verlief zwar über die erwähnten Eispassagen, jedoch wäre dort aufgrund der Hangneigung ein gefahrloser Aufstieg auch ohne die Eisen möglich gewesen. Allerdings wiederum schätze ich den guten Halt dadurch auf der gesamten weiten Strecke.

der obere Teil wird immer flacher, dafür mit Eisflächen durchzogen

Über eine kurze weitere Gratstrecke ab dem Plateau im Sattel zur Zufallspitze wird der Monte Cevedale mit seinen 3.769m erreicht.

unter Wind noch 25m zum Gipfel

Der Gipfel war schon gut besucht als wir ihn betreten durften. Er war nicht überlaufen, aber wenn man seine Flanken betrachtete würde er dies an jenem Tag wohl noch werden.

der Autor am Monte Cevedale, 3.769m

Aus buchstäblich allen Richtung wurde er an diesem noch so gut gewordenem Tag bestiegen und zwar in Scharen. Eine kurze Rast mit Rundumblick gönnten wir uns nach den Gipfelfotos bevor wir das nächste Ziel jenseits des Sattels, die Zufallspitze ansteuerten.

Christian am Gipfel des Cevedale

Vorbei an einem furchtbar häßlichem Holzverschlag am nordöstlichen Gipfelplateau, dessen Zweck sich mir nicht erschloß, stiegen wir am leichten Gratrücken bis zur tiefsten Einsattelung ab (schätzungsweise ca. 80Hm), um den Aufstieg zur Zufallspitze zu nehmen.

Blick nach Osten zur Zufallspitze beim Abstieg

Der Sattel ist eigentlich ein scharfer abgestufter Grat, der jedoch südöstlich unterhalb der Gratspitzen umgangen wird, weil ungangbar.

im Sattel zur Zufallspitze

Jenseits des Sattels erfolgt der Aufstieg zur felsigeren Zufallsspitze in wenigen Minuten. Die Zufallsspitze ist mit 3.757m um 12m niedriger als der Cevedale, jedoch völlig anders im Gipfelaufbau geartet. Sie ist auf jeder Seite felsig und besitzt eine Gipfelfläche, die kaum einem halben Dutzend Bergsteigern Platz bietet. Entsprechend gut eingetaktet die Fotosessions jeder Gruppe.

Gipfelkreuz der Zufallspitze, 3.757m

Für uns war die Freude groß, daß die Ziele für diese Bergfahrt erreicht werden konnten; Vorbereitung, Anfahrt und Zeitinvestition sind bei dieser Tour ja nicht alltäglich.

Blick nach Süden zu Adamello und Brenta

Blicke bis zur Brentagruppe und Adamello im Süden waren an diesem Tag möglich. Im Nordwesten die formschöne Königspitze, im Norden die auslaufenden Ötztaler.

Rückblick auf den Cevedale

Nach kurzem Genuss der Landschaft machten wir uns auf den Rückweg. Dieser erfolgte für uns über den Grat südöstlich hinab zum Ansatz des Fürkeleferners. Auch hier waren in unserem Fall Steigeisen nicht vonnöten, sie leisteten jedoch gute Dienste und einen unbeschwerten Abstieg über rund 250Hm.

Abstieg von der Zufallspitze am Südostgrat

Nach der letzten Rast am Hochpunkt der langen Abfahrt ging es über ruppiges Gletschergelände rund 400Hm tiefer bis sich eine weichere Schneeoberfläche einstellte.

Hilli und der Autor

Über die letzte Steilstufe hinab bis in die flache auslaufende Zunge des Gletschers hatten wir sogar fast lockeren Pulverschnee, leicht zu schwingen und das Herz der Schifahrer unter uns schlug höher.

nach der Hälfte der Abfahrt über den Fürkeleferner

Über die Steilstufe unterhalb der Martellerhütte hinab sei empfohlen mit viel Anlauf abzufahren, um die Schiebestrecke im flachen Teil neben den Schwemmflächen der Plima möglichst kurz zu halten.

ein gewaltiger Gletscher

Die erste Handlung – unten angekommen – war sich aller Kleidung außer dem Shirt zu entledigen. Die Sonne heizte kräftig auf die Ebene und nur eine Minute mit angezogenem Anorak wurde unerträglich.

an der Flachstrecke bei den Schwennflächen des Plimabaches angelangt – die Sonneneinstrahlung kaum erträglich mit Gletscherkleidung

Trotz viel Anlauf bleibt der Kilometer Schiebestrecke doch noch eine gewisse Anstrengung im nassen Schnee, der die Schi nicht richtig laufen läßt.

Hilli rastet gemütlich bis wir eintreffen

Wieder an der Baumgrenze angelangt bezaubern die stämmigen Kiefern oberhalb der schön gelegenen Zufallhütte, die zum letzten Rückblick einlädt, jedoch brechend voll war.
Durch den Kiefernwald geht es dann über eine ausgefahrene Schiroute wie im Eiskanal bis zum Parkplatz zurück und das Martelltal verläßt man genau so schnell wie man sein Tiefstes erreicht hat, mit moderner Zeitnot, vorbei an den noch tief schlafenden Erdbeeren in den Gewächshäusern neben der Straße.

Schihochtour Cevedale und Zufallferner 7./8.4.2108

Die Streckenlänge vom Parkplatz bis zur Casatihütte beträgt 11km bei rd. 1.230Hm Aufstieg. Der Anstieg von der Casatihütte zum Cevedale und der Überschreitung zur Zufallspitze beträgt 600Hm, mit unserem Erstversuch des dann abgebrochenen Anstieges kamen wir auf gut 800Hm am zweiten Tourtag. Die Aufstiegsstrecke am zweiten Tag betrug ca. 3,3km

Mils, 08.04.2018