Inmitten des wunderschönen Gebietes der Muttekopfgruppe, oberhalb von Imst, begrenzen die beiden Platteinspitzen den weiten Kessel des Gebirgszuges im Osten, und ihre Begehung bis fast an die Hauptkette heran, die den Maldonkopf trägt, stellt eine unvergessliche Bergfahrt mit einigen schönen, mäßig schwierigen Klettereien in meist festem Hauptdolomit dar.
Ein Teil des Aufstiegs über den Südhang der Vorderen Platteinspitze, die sogenannten Platteinwiesen oder Platteinmähder, bieten Einblicke in geologisch äußerst interessante Formationen der Gosaugruppe, eine Gesteinsgruppe, die in der Kreiszeit von etwa 100 bis 90 Mio. Jahren entstanden ist und heute auf dem Hauptdolomit der Inntaldecke aufliegt. Der Muttekopf trägt das höchstgelegene Gosauvorkommen Österreichs.
Die Platteinspitzen und ihr Verbindungsgrat befinden sich ausschließlich in Hauptdolomit.
Die Anreise zum Ausgangspunkt erfolgt über Imst entweder nach Hochimst und beginnt am Parkplatz der Bergbahnen auf etwa 1.050 m mit einem sehr langen Aufstieg zur Obermarkter Alm, oder, wie in der Anfahrtsbeschreibung zur Muttekopfhütte (örtlich „Muttehütte“ genannt) zu lesen, vom Rastbichl, einem oberen Ortsteil von Imst auf der Hahntennjochstraße. Für letztere Auffahrt auf den Parkplatz auf etwa 1.550 m sei man früh dran, denn ab der Regelbetriebszeit der Bergbahnen (8 Uhr) ist die Auffahrt zum Parkplatz mittels Schranke gesperrt. Die Talfahrt ist durch eine moderne Schrankensteuerung mittlerweile auch vor 18 Uhr möglich.
Unter dem sagenhaft bärigen Licht der morgendlichen Sommersonne exakt in der Mitte des Juli und über vielfarbige Almwiesen starteten wir vom Parkplatz auf unsere Reise zum ersten Ziel, der Vorderen Platteinspitze auf 2.562 m, dem Ausgangspunkt der Gratüberschreitung zur gut 200 m höheren Hinteren Platteinspitze auf 2.763 m.
Vom Parkplatz der Obermarkter Alm führt der Almweg in einer Viertelstunde auf die Latschenhütte, oberhalb derer der Steig zur Vorderen Platteinspitze nach der Überquerung des Baches vom Südwesthang herab an der nett gemachten Infotafel der Latschenhütte mit dem alten Herd, den man noch aus Großmutters Küche in Sölden aus seiner Kindheit her kennt, abzweigt.
Am Steig, der zunächst dem mittelsteilen Hang etwa 70 Hm direkt in Falllinie folgt, erkennt man im Aufstieg einen imposant geformten Wasserfall. Dieser stellt die erste Begegnung mit der Muttekopf-Formation des Gosaukomplexes dar und er äußert sich optisch in mächtigen Breccienbänken einer ehemaligen Küstenlinie, die durch Unterspülung abgebrochen sind und über die die Wasser des Bächleins mehrfach abstürzen.
Nach der Überquerung des Baches an der dichteren Latschenlinie – wer ein Auge für verschiedene Gesteinsformen, -farben, -gestalt und –bestandteile besitzt erlebt bereits an den Ufern des Bächleins die Vielfalt des Gosaugebirges – führt der Steig bald in einen wenig dichten Waldabschnitt, in dem er über Wurzeln etwa eine knappe halbe Stunde auf den unteren Saum der Platteinwiesen leitet.
Bereits dort, nachdem die hohen Fichten den Wiesen gewichen sind, bietet sich ein atemberaubender Blick gen Südosten in das Ötztal, sowie auf die erste Mauer der gosauischen Konglomerattürme, die von dort noch den Blick auf den Gipfel der Vorderen Platteinspitze versperren.
Anschließend zieht sich der Steig schlängelnd auf den Ochsenleger, auf dem ein Holzkreuz errichtet wurde und das zur Trinkpause einlädt sowie zum Erkunden des weiteren Anstiegs vorbei an der Schafsherde, die dem Steig fern blieb und gegen das Jaufenegg zog.
Die Platteinwiesen zeigen im steileren Abschnitt weiter oben, etwa auf 2.270 m einen Übergang zu weniger begrünten Schuttflächen. Diese Schuttflächen bestehen aus hellen gelblichen und auch bläulich grauen Mergeln und der Steig verläuft dort in mehrere Aufstiege, wenn man die Markierungen nicht vorausschauend sucht.
Auf halbem Weg dorthin verleitet eine bilderbuchartig schöne Aussicht auf den Muttekopf (örtlich „der Spitz“ genannt) und auf das Kar darunter (die Schaflanne) den Steig einige Meter westlich zu verlassen, um ein Foto davon anzufertigen. Deutlich kann man die eigenartig im Hang eingeschlossenen „Blauen Köpfe“ (große blaue monolithische Blöcke der Muttekopfgosau) im Kar unterhalb des Gipfels von der Seite betrachten.
Hat man beinahe den Fuß der Konglomeratplatten erreicht leitet der Steig flach Richtung Nordwesten in deren unteres Gelände. Eindrucksvoll bahnt sich der Steig durch Breccienblöcke und erodierte Gesteinsscheiben, um hinter der Scheibenreihe jäh der Schichtung oben zu folgen und ein paar Meter steil nach oben anzusteigen.
An dieser Stelle wird der Übergang der Gosau-Formation zum sie unterlagernden Hauptdolomit sichtbar indem sich eine etwa 20 m breite Mulde zwischen den südlich gelegenen Konglomerattürmen und dem hoch aufragenden Hauptdolomitmassiv der Vorderen Platteinspitze ausgebildet hat, das aus schlechtem Fels besteht und zu Schotter zerbrochen ist. Diese Mulde stellt die Trennschicht während der Ablagerungen im Gosaumeer dar. Ursprünglich bestand diese Mulde ebenfalls aus Konglomeraten und Breccien, jedoch eben solche mit weicherer Bindung und inzwischen weitgehend erodiert.
Die imposant aufragenden roten Türme laden am geröll- und schuttübersäten Steig zum Verweilen und Betrachten ein. Sie erinnern sofort an Anblicke im Monument Valley in Arizona, obwohl völlig anders gebildet.
Eindrucksvoll große Korngrößen bis zu Tischgröße befinden sich in generell kleinstückiger Matrix und lagern in recht bedrohlicher Höhe auf parallel zu den nördlichen Hauptdolomitfelsen einwärts geneigten Türmen.
Otto Ampferer, der berühmte heimische Geologe schreibt 1912 darüber:
„…Die unterste Lage ist eine ziemlich grobe graue Breccie, über der sich dann ein gegen Osten zu mächtiger werdendes Konglomerat einstellt, dessen mergeliges Zement dunkelrote Färbungen aufweist. Dieses auffallende, zu kühnen Türmen und Statuen verwitternde Gebilde, das äußerlich an die rote Molasse-Nagelfluh erinnert, ist am besten am Aufstieg zur vorderen Platteinspitze zu studieren, wo der neue Steig unmittelbar daran in engen Schlingen zur Höhe leitet.“
Der sich nach seiner Deutung hinauf schlingende Steig endet am Sattel (2.430 m) zwischen den Gesteinsarten, um jenseits, mit wenigen Metern Aufstieg, in einen sichtbaren Einstieg in die steilgeschichteten Platten der Ostflanke der Vorderen Platteinspitze zu queren.
Der schmale Einstieg in die Felsstufe wird mit leichter Kletterei überwunden. Dahinter befindet sich Gehgelände, das um eine Rippe herum an die Felsplatten heranführt, das dort endet und der Steig im Fels schichtparallel zu den Platten und mit Seilversicherung steil nach oben führt.
Diese Passage mündet nach etwa 15 Hm in eine eher flache Kröpfung, bevor sie abermals steil und schichtparallel eine weitere 15 m Stufe überwindet. Anschließend weiter unter Seilversicherung an einem Turm mit Tiefblick vorbei und schließlich in einen schmalen Kamin, nach dem der Gipfelbereich erreicht wird. Alles als Normalweg ohne Schwierigkeiten.
Das wenig geräumige Gipfelplateau der Vorderen Platteinspitze bietet zumindest – nach den Gesteinseigenschaften des Dolomits – ebenflächige Sitzgelegenheiten, jedoch bei fünf weiteren Gipfelbezwingern trotzdem für uns zu wenig, weshalb wir in der Rinne hinter der Gipfelplatte eine kurze Rast verbrachten und etwas mehr vor dem sehr frischen Südwind geschützt waren.
Die steife Brise und ein wenig Spannung war es denn auch, die uns zum baldigen Aufbruch zur Überschreitung veranlaßten, die direkt oberhalb unseres Lagerplatzes ihren Einstieg hatte. Ohne großes Genießen der Aussicht vom Gipfel traten wir den ersten kletterbaren Aufschwung in Richtung Norden an.
Hinter dem Gipfel ragt eine noch höhere Platte als jene mit dem Gipfelkreuz auf und eigentlich müßte ihr Hochpunkt den Gipfel darstellen, was wahrscheinlich aus Gründen der Schwierigkeit unterlassen worden ist. Diese erste Platte zu erklimmen ist die erste Prüfung im Übergang zur Hinteren Platteinspitze. Der Aufstieg ist mäßig schwierig und bei einer Seilversicherung wäre er entschärft. Gleich schätzten wir den festen Dolomit und die Stimmung steig weiter, als wir die nächste Scheibe dahinter erblickten.
Ein kurzer steiler Abstieg und ein paar Meter Gehgelände trennen vor der nächsten Scheibe, die auf mehrfache Art genommen werden kann, im schlimmsten Fall könnte sie nördlich auch umgangen werden.
Keine Art jedoch ist erhebender, als sie direkt am Rücken zu erklimmen und über die Oberkante zu queren. Auf noch breiterem Rücken erfolgt der Abstieg ins leichte Gelände im Nordwesten durch den für den guten Beobachter der Umgebung ein Felsenfenster einen ablichtenswerten Talblick gewährt.
Anschließend an diese erste Bilderbuchpassage folgt leichtes Gehgelände mit kurzen Übergängen durch felsige Rippen, die dann und wann den Einsatz der Hände erfordern. Die Hintere Platteinspitze behält man stets im Blickfeld.
Nach ein paar Minuten auf zerfetzter und teilweise schneidiger Gratpassage mit hellem Dolomit wird in kurzer Entfernung eine nächste schöne Kletterstelle sichtbar, ein Aufstieg in einem mittelbreiten Riß, der noch keinen Kamin darstellt, etwa 15 m hoch.
Die fast senkrecht zu begehende Felsscheibe besteht aus mehreren Plattenschichten, die unterschiedlich tief abgebrochen sind und somit eine tolle Abstufung von Bruchflächen entstanden ist, die fast überall an den Schichtgrenzen griffige Absätze, im schlechtesten Fall Handrisse und meist gute Tritte aufweisen, um somit sicher unter etwas mehr als mäßiger Schwierigkeit begangen zu werden. Abstützen der Beine zu beiden Seiten erleichtert während einiger Kletterzüge den Aufstieg.
Von langer Dauer ist der Höhengewinn auf den Felszapfen nicht, denn gleich leitet ein mittelbreites Band in einer Rechtskurve um den Spitz herum und wieder abwärts zu einem weiteren Leckerbissen in der Überschreitung zur Hinteren Platteinspitze.
Es ist dies ein leider kurzer aber dafür recht scharfer Übergang zwischen dem momentan begangenen und einem gegenüberliegenden Aufschwung vom Grundgebirge, eine reizvoll zu begehende Gratschneide. Wir haben diese nordöstlich begonnen und nach zwei, drei Metern mit einem Überstieg auf ihre Südwestseite beendet.
Fotografisch ist diese Stelle in praller direkter Sonne schwer einzufangen, da man sich zu beiden Enden immer in ihrer Längsausrichtung befindet, Evi hat versucht unseren gewählten Übergang festzuhalten, siehe auch die Bildergalerie.
Es folgt wieder Gehgelände auf dem Grundkamm, auf dem immer wieder im Schutt deutliche Steigspuren den Weg weisen. Hin und wieder entdeckt man auf dem gesamten Übergang ein Steinmandl, manchmal, vor steil aufragendem Fels und dadurch eingeschränkter Sichtweite, erfüllen sie ihren Zweck und leiten an die richtige Stelle am Grat.
Die Überschreitung enthält viel Gehgelände, die Strecke, bei denen geklettert bzw. überhaupt mit Dreipunkthaltung vorangeschritten wird, betragen nach vorsichtiger Einschätzung vielleicht 25% der Gesamtstrecke. Allerdings ist ein Großteil dieser Strecke dann mindestens mäßig schwierig.
Wir haben deshalb auch versucht, die Gehstrecke zu verkürzen und haben im Anstieg nach dem Hochpleissattel versucht den Steigspuren zu entkommen und eine schön aufgerichtete Felsscheibe zu erklimmen, welches sich wegen läppischer fünf, sechs Meter mit hoher Schwierigkeit und unter nicht einsehbarem Fels im Abstieg als Fehlentscheidung erwies.
Zunächst aber geht es weiter auf Gehgelände und vor einem markanten kegeligen spitzen Turm hat man die Entscheidung zu treffen auf welcher Seite er umgangen werden soll. Da die rechte Seite nach Gehgelände aussah entschieden wir uns auf die Grathöhe aufzusteigen, um die linke Seite zu begehen. Es fand sich jenseits eine leicht begehbare Flanke, die leider nur kurz ausfiel und an einer leichten Rippe eine messerscharfe Kante bot, die die aufgekrempelte Hose des Verfassers beim Vorbeistreichen 10 cm aufschnitt. Als Entschädigung blieb der Blick eines toll gelagerten Felsblockes auf einer Turmoberkante.
Unspektakulär führen Steigspuren nach der Vereinigung der Umgehung hinab auf begrüntes Schrofengelände, das unterhalb der Felsspitzen mit leichtem Höhenverlust in Richtung Hochpleissattel begangen wird. Dabei kann man durch eine Einschartung die Passage über den Sattel sowie das Aufstiegsgelände dahinter gut einsehen.
Etwas weiter führen die Steigspuren dann in den Abbruch oberhalb des Sattels in wieder felsiges Gelände. Die Platten dort stehen nun Quer zur Gehrichtung und, weil wir nicht aufgepasst haben, sondern dem Gelände links und rechts der Barrieren mehr Aufmerksamkeit zur Suche einer Umgehung schenkten, haben wir die Überkletterung einer tolle Platte vor dem Sattel verpaßt, wie der Rückblick auf die Passage zeigt.
Ärgerlich daran war, daß das ostseitige Umgehungsgelände, wie so häufig im Kalk, eine schuttige und brüchige Partie darstellte, die man eigentlich meiden möchte. Hinterher erkennt man geistig auch den Zweck der sonderbar gelagerten Steinbrocken im Tiefsten vor der schönen Platte über die man sich gewundert hat, es war ein Steinmandl, das die Überkletterung anzeigte und nicht als solches wahrgenommen wurde.
Nun folgt die kurze Passe des Hochpleissattels, dessen Entstehen mit der schlechteren Felsqualität dort erklärt werden kann. Hatte man bis jetzt den Fuß immer auf festen Hauptdolomit gesetzt und damit tolle Passagen begehen können, so folgen im weiteren Aufstieg zur Hinteren Platteinspitze einige wenige Schichten mit schlechteren Felseigenschaften und die Bildung des Sattels sowie der noch folgenden schwierigen Stellen ist auf raschere Erosion und Verwitterung zu den qualitativ besseren benachbarten dieser Schichten zurückzuführen. Der Hochpleissattel stellt den mächtigsten und schlechtesten Einschnitt in der Überschreitung dar.
Hinter dem Sattel steilt das Gelände wieder auf und kurze Rippen von geringer Mächtigkeit sind zu überwinden, ein Steinmandl, das nach dem Sattel hoch oben sichtbar wird, weist die Richtung. Daran anschließend folgt ein Aufstieg auf festem Schotter mit Steigspuren, bis zum Wechsel leicht nach Nordwesten, durch eine kurze Rippe hindurch, wieder auf wiesendurchzogenes Schottergelände bis unterhalb einer von unten einladenden Platte am Gratsaum.
Diese Platte mußten wir unbedingt erklimmen, um dem Steig zu entgehen. Da der Blick von unten keine Einschätzung über den jenseitigen Ausgang der Kletterei zuläßt, wußten wir, daß diese direkte Gratroute ein Abenteuer mit Umkehr sein könnte, wollten aber unbedingt den griffigen festen Fels probieren.
Unsere Vorahnung sollte eintreten – wegen einiger Meter uneinsichtigem Abstieg über griff- und trittarmem Fels auf der Hinterseite mußten wir zurück auf den Steig. Der gegenüberliegende Felszacken war zu weit weg, um sich darauf abzuspreizen und so den Abstieg wagen zu können. Dies erkannten wir auch im Rückblick vom Steig. Im Rückblick vom Steig kam die Idee in den Sinn, ein anderes Mal von der Scharte zwischen beiden Zacken den Aufstieg versuchen zu klettern, dann könnte man wieder ein anderes Mal auch den Abstieg von oben zu finden.
Vergebens war der Aufstieg dennoch nicht, er lieferte einen schönen Überblick über die bisherige Strecke seit der Vorderen Platteinspitze.
Weiter auf steilem Gehgelände geht es einem Punkt zu, der im AV-Führer aus 1975 als Mittelgipfel bezeichnet wird (Pkt. 2639 m). Er wird nicht erstiegen sondern bleibt im Übergang auf eher flacherem Gelände links liegen.
Die Route strebt eine Rippe an, die überwunden werden muß, um dem Grat weiter zu folgen. Wir haben diese Rippe etwas zu hoch angesteuert und mußten, um einen Felsdurchlass zu erreichen, einige Meter absteigen. Nachträglich sahen wir, daß die Rippe auch an ihrer untersten Stelle, wo sie aus dem Kamm auftaucht, überqueren hätten können.
Es folgt eine Einschartung mit nachfolgendem Aufstieg auf eine Art rund geformten Buckel hinter dem die klettertechnische Schlüsselstelle der Überschreitung zu finden ist. Christoph, der mit dem Radl vom Bahnhof Imst angereist ist und den Normalweg auf die Hintere Platteinspitze unternommen hat, war vor uns am Gipfel und hielt den Abstieg zur Schlüsselstelle von oben fest.
Ein im obersten Bereich fast ein wenig überhängender Teil der Plattenschichten führt auf schmalem Grat in die Scharte hinab, die jenseits von einer steilen glatten Platte begrenzt ist, auf der der weitere Aufstieg zu suchen ist.
Wir fanden diesen einige Meter nordöstlich des direkten Gratverlaufes, welches bedeutete, daß wir von der schmalen Scharte, auf der gerade einmal eine Fußlänge quer Auflage findet, einige Meter entlang der beeindruckenden Felsplatten absteigen mußten, um den Einstieg in eine weniger plattige, dafür griffige Fläche der riesigen glatten Felsplatte zu gewinnen.
Wenige Meter hinauf setzt dort auch gleich der Plattensaum mit festem Fels an, der in nicht unerheblicher Neigung zurück auf die Grathöhe geklettert wird. Diese Passage erzeugt wegen ihrer Ausgesetztheit zunächst Respekt, ist aber gerade noch nicht als schwierig einzustufen und im Rückblick freuten wir uns über die Bewältigung der atemberaubend bizarren Landschaft.
Kurz darauf, nach leichtem Klettergelände, wird eine nächste Scharte in ähnlicher Ausprägung beim Abstieg, jedoch ohne glatter Platte auf der Gegenseite erreicht. Um einen Gesamteindruck der Stelle festzuhalten haben wir mit maximalem Winkel der Handykamera einen Überblick aufgenommen, die dabei verzerrten Bildränder links und rechts denke man sich weg.
Mit diesem Übergang findet die Plattenstrecke ihr Ende und zum Schluß der Überschreitung hin steilt der Gipfelaufbau mächtig auf. Es trennten uns dort noch etwa 80 Hm von Christoph, der uns vom Südostende des Gipfelplateaus beobachtete.
Der Restaufstieg vollzieht sich in unspektakulärem Gelände im unteren mäßigen Schwierigkeitsgrad durch kleine Einschnitte, Risse und auf Gratstufen, die noch durchwegs den Einsatz der Hände bedingen. Das Gelände ist zusehends mit Schutt überzogen, bietet aber zu allermeist feste Griffe.
Schließlich leitet das schräge Plattengelände in zwei Minuten mit einem kurzen Abstieg auf das wenig geneigte Plateau des Gipfels der Hinteren Platteinspitze hinüber. Ein erhebender und interessanter Übergang endet hiermit, jedoch endet damit noch nicht Reise durch die schroffe Welt des Hauptdolomits, da der Normalweg als Abstieg mit weiteren Reizen aufwartet – die Platteinspitzen sind ihre Begehung in jedem Fall wert.
Von der Hinteren Platteinspitze gibt es, schenkt man dem Peakfinder Glauben, 1.773 Gipfel zu sehen, darunter der Höchste, der Piz Bernina mit 4.048 m und der Entfernteste, der Große Rachel in Tschechien in 277 km – dies zur Bedeutung der Hinteren Platteinspitze als Aussichtsberg. Man ist jedoch schon mit den heimischen Granden zufrieden, als da wären im Südwesten bis Südosten: Ortler in 86 km Entfernung, Wildspitze in 46 km, Weißkugel in 53 km, Hochvernagtspitze in 45 km, Watzespitze in 33 km, Zuckerhütl in 50 km, Schrankogel in 45 km, Sonklarspitze in 51 km, Ruderhofspitze in 44 km, Hohe Villerspitze in 41 km, Wilder Freiger in 51 km, Olperer in 78 km, Großer Löffler in 98 km und Großvenediger in 128 km Entfernung.
Im Westen und Nordwesten fällt der Blick auf den höchsten der Lechtaler Alpen, die Parseierspitze mit seiner gewaltigen Erhebung von 3.036 m in nahen 19 km Entfernung, den Hohen Riffler in 29 km, Große Schlenkerspitze in 5,4 km, die geologisch interessante Freispitze in 21 km, der Muttekopf in 2,1 km, Großer Krottenkopf in 25 km, Urbeleskarspitze in 17 km, Wasserfallkarspitze in 17 km und den im Auseinanderbrechen gefährdeten Hochvogel in 22 km.
Die Sicht nach Nordosten und Osten bietet den Blick auf den Maldongrat in nächster Nähe mit der Gabelspitze in 3,3 km Entfernung, die Gipfel der Heiterwand mit Heiterwand Hauptgipfel in 6,2 km Entfernung, Loreakopf in 11 km, die Geierköpfe im Ammergaugebirge in 31 km Entfernung, den Kramerspitz in 38 km, Grünstein in 20 km, die Dreitorspitzen in 37 km Hochplattig in 25 km, die Arnspitzen in 43 km, Birkkarspitze in 59 km, Kaltwasserkarspitze in 58 km, Nördliche Sonnenspitze in 62 km, die Jägerkarspitzen in 54 km, Brantlspitze in 64 km Praxmarerkarspitzen in 55 km, Kleiner Solstein in 49 km, Roßkopf im Halltal in 58 km und das Kitzsteinhorn in 152 km Entfernung.
Besonders eindrucksvoll erhebt sich der Muttekopf (der „Spitz“ wie er unter Imstern genannt wird) über dem Tal gegenüber im Westen. Die Ansicht von der Hinteren Platteinspitze ist vielleicht der schönste oder eindrücklichste von allen, der den Bau dieses Berges am besten darstellt. Zwischen den eindrucksvoll gefalteten Plattenkalken der Gosau befinden sich Konglomerate, Breccien, Mergel und Sandsteine eingelagert. Im rechten Bilddrittel (nördlich) beginnend grauer Hauptdolomit auf den die Gosau aufgelagert wurde (nun steil aufgestellt).
Einer weiteren Erwähnung bedarf der Tiefblick auf den Sparketgrat und das Sparketkar. Der Grat wird im AV-Führer von 1975 als der zerrissenste und brüchigste, sowie dadurch als der schwierigste Grat der Lechtaler Alpen beschrieben. Betrachtet man ihn mit dem Glas von der Hinteren Platteinspitze aus, so kann man diese wilde Schönheit nachempfinden. Das Sparketkar zeigt mehrfache Spuren der letzten Eiszeit durch deutlich sichtbare Moränenwälle.
Hätte uns der frische Wind nicht mit unverminderter Stärke den Gipfelaufenthalt erschwert, wären wir sicher noch eine ganze Weile auf dem schönen Platz geblieben. Mit der Jacke bis oben geschlossen und ohne Deckung jedoch wollten wir nicht lange bleiben, nachdem wir Christophs Flaschl auf die geglückte Bergfahrt ausgetrunken hatten. Er hatte die Fracht heil von der Muttehütte heraufgebracht, Prost!
Der Abstieg von der Hinteren Platteinspitze folgt einem markierten und teilweise ketten- und seilversichertem Steig, der sich durch beeindruckende kleinen Schluchten und Absätze schlängelt, die vom Gipfel zur nordöstlichen Kette, die den Sparket- sowie den Maldonkopf und die Scharnitzköpfe trägt, erstreckt. Der gesamte Grat geizt nicht mit Zerrissenheit, teilweise deutlicher Brüchigkeit und dann wieder gekennzeichnet durch feste steile Flächen besten Hauptdolomits.
Das Sparketschartl, der Tiefpunkt des kurzen Grates zwischen Maldonkopf und Hinterer Platteinspitze, stellt den Übergang vom Englskar in das Sparketkar dar. Ein Seil, das um einen Felszacken sichert, dient im Winter zur Sicherung der anfangs steilen Schiabfahrt ins Sparketkar, wie Christoph berichtet.
Verwegene Burschen müssen es sein, die des Winters unter 40° den Aufstieg über das Engelkar suchen und jenseits steiler abfahren. Die Abfahrt, sicher nur in besten Wintern ausführbar und vielleicht schon länger nicht mehr?
Kurz nach dem Sparketschartl geht es feiner abwärts. Steile, mittelgrobe Schuttreisen im Englkar ermöglichen eine Abfahrt ohne große Anstrengung bis zum Ende des schuttgefüllten Kars und dem Beginn des Steigs auf den Bergwiesen.
Der restliche Abstieg zur Muttehütte stellte ein wahres Vergnügen in kontrastreicher Landschaft dar. Einerseits die graubraunen Riesen im Rücken, andererseits die saftigen Wiesen, üppig mit Alpenblumen geziert, im Hochstadium ihres saisonalen Auftretens. Die schönsten Vertreter mögen die Alpenrose sein, hier nicht die rostrote, dafür die bewimperte, die kalkhaltige Böden bevorzugt.
Ein Vertreter der zahlreichen Orchideenarten in den Alpen ist eine besonders wohlriechende und nicht sehr häufige, das Gewöhnliche Kohlröschen, auch Brunelle oder Braunelle genannt und nicht zu verwechseln mit dem Österreichischen Kohlröschen, das in Nordtirol wahrscheinlich nicht verbreitet ist.
Es geht hinab zu den Guggerköpfen, an denen man beeindruckende senkrechte Konglomeratwände der Gosau betrachten kann, sowie, unter ein paar Meter Aufstiegs, gegenüber am kleinen Sattel einen hervorragenden Aussichtspunkt auf das Schanitzkar mit dem Sattel betreten kann.
Über den Malchbach mit seinem Geschiebe von mannigfaltigem Gestein der Muttekopfgosau geht es hinab zur Muttehütte, um dort ein g’schmackiges und leistbares Mahl aus guter Küche einzunehmen – die Knödelkombination mit Salat kann wärmstens empfohlen werden.
Am Abstieg, nach dem Aufbruch auf der Hütte, bestieg Christoph an der Talstation das Radl, während wir den restlichen Weg zum Parkplatz bei bestem Wetter genossen.
Die ausgesprochen beeindruckende Tour führt über 1.565 Hm Aufstieg und 10 km Strecke, wofür wir incl. einstündigen Hüttenaufenthalts 8:15 h benötigten. Die Überschreitung selbst nahm einen Zeitanteil von etwa zwei Stunden ein (incl. missglücktem Versuch der Überkletterung).
Mils, 15.07.2023